Die letzte Diagnose
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ORBIT HOSPITAL ist ein Klinikum im All, das allen raumfahrenden Lebensformen der Galaxis medizinische Hilfe leistet. Es nimmt alle Gesch?pfe auf, ob sie ein Dutzend Gliedma?en haben oder gar keine, ob sie sich von Radioaktivit?t ern?hren oder Wasser atmen – von anderen exotischen Gewohnheiten und Bed?rfnissen ganz zu schweigen. Es ist ein ?kologisches Tollhaus und ein organisatorischer Irrwitz, aber es ist f?r alle da und es funktioniert. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes – lebensnotwendig.
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»Die einheimische Flora auf Etla«, sagte Braithwaite und unterbrach Hewlitts Gedankengänge. »Insbesondere eine Liste von allen großen Obstbäumen, zehn Meter oder größer, die man in der gemäßigten Klimazone des Südens vorfindet. Jede Information bitte zwanzig Sekunden lang anzeigen, Ms nichts anderes gewünscht wird.«
Aus einem unerfindlichen Grund begann sich Hewlitt unwohl zu fühlen. Er sah Braithwaite an und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch der Lieutenant deutete kopfschüttelnd auf den Bildschirm und fuhr fort: »Sie haben den Baum als sehr groß beschrieben, aber vielleicht sah er damals für Sie nur so groß aus, weil Sie noch ein kleines Kind waren. Deshalb habe ich mir gedacht, daß es besser ist, schon bei zehn Metern anzufangen.«
Hewlitt kam sich wie früher in der Schule beim Biologieunterricht vor, doch im Gegensatz zu damals fand er die nacheinander folgenden Abbildungen von Bäumen alles andere als langweilig. Die meisten davon hatte er noch nie zuvor gesehen. Er kannte weder die Form oder das Blattwerk noch das Obst, das sie trugen, während andere den großen Büschen ähnelten, die er außerhalb des Gartenzauns hatte wachsen sehen. Aber einer davon…
»Das ist er!« rief er.
»Information festhalten! Angaben über den Penissithbaum wiederholen und ausweiten«, sprach Braithwaite in den Kommunikator und sagte dann zu Hewlitt: »Er sieht tatsächlich aus wie der Baum, den Sie eben beschrieben haben. Kräftige, gewundene Äste an deren Enden vier dünnere Zweige wachsen, die die Früchte tragen. Und die Farbe, die das Blattwerk im Spätsommer annimmt, entspricht auch Ihrer Beschreibung, denn das wardie Zeit, in der Sie den Baum hinaufgeklettert sind. Bibliothek, Nahaufnahmen der Frucht wiederholen, die die jahreszeitlichen Wachstums- und Farbveränderungen zeigen.«
Für einige Minuten beobachtete Hewlitt, wie auf dem Bildschirm die Frucht und deren Wachstumszyklus dargestellt wurde, wie sie von einer grünen Knospe zu einer kleinen dunkelbraunen Kugel und dann zur völligen Reife heranwächst und eine Birnenform mit grünen und gelben Streifen annimmt. Die letzte Darstellung war ihm derart vertraut, daß er allein aufgrund der Erinnerungen an die Magenkrämpfe von damals ein derartig schmerzhaftes Stechen verspürte und es dadurch versäumte, dem zwar langweilig vorgetragenen, aber dennoch wichtigen Wortbeitrag des Bibliothekscomputers zuzuhören.
»Das ist die Frucht«, bekräftigte er erneut. »Eindeutig. Glauben Sie mir jetzt?«
Braithwaite schüttelte den Kopf auf eine Weise, die Verwirrung und Verneinung zugleich auszudrücken schien, dann erst antwortete er: »Jetzt fällt mir nur ein weiterer Grund ein, weshalb Ihnen dieser Monitorarzt damals nicht geglaubt hat. Anscheinend haben Sie eben nicht zugehört. Dieser Baum trägt nämlich erst Früchte, wenn er eine Größe von fünfzehn bis zwanzig Metern erreicht hat, und das Obst hängt nur an den obersten Zweigen. Falls der Baum, auf dem Sie sich als vierjähriger Junge befunden haben, über eine Schlucht hinausragte, und wenn Sie wirklich von einem der obersten Äste runtergefallen sind, dann hätten Sie sich Dir kleines Genick brechen müssen. Statt dessen sind Sie aber ohne einen Kratzer davongekommen.
Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß der Sturz durch die unteren Zweige abgebremst wurde oder daß Sie in einen dichten Busch gefallen sind, bevor Sie am Rande der Schlucht aufschlugen und hinunterrollten. Es sind schon viel seltsamere Unfälle als dieser passiert, was auch erklären würde, weshalb eine intelligente und offensichtlich ausgeglichene Person wie Sie an dieser unglaublichen Geschichte festhält. Nach Ihren eigenen Erzählungen haben Sie ja von den Früchten gegessen, und deshalb hörenSie jetzt gut zu, was der Computer dazu zu sagen hat, Patient Hewlitt.«
In der Stille klang die ruhige und unpersönliche Stimme des Bibliothekscomputers sehr klar und beinahe etwas zu laut.
»… während die Frucht heranreift«, erläuterte die Stimme, »saugt der schwammige Inhalt den ganzen Saft auf und wächst dann so lange heran, bis er den Fruchtkörper ausfüllt, dessen gestreifte Schale vor dem Herabfallen vom Baum zäh und dehnbar wird. Wenn die mit dem dickflüssigen, schwammigen Inhalt gefüllte Frucht auf den Boden fällt, springt oder rollt sie ein paar Meter weiter, bis chemische Sensoren in der Außenhaut einen geeigneten Boden für die Keimung anzeigen, woraufhin sich die Schale an der Stelle zersetzt, die den Boden berührt, um den flüssigen Inhalt freizugeben und auszusäen. Danach setzt ein langsamer Fäulnisprozeß der Frucht ein. Dies hat zum einen den Zweck, daß das verfaulende, schwammige Fruchtfleisch am Anfang das Wachstum der Samen fördert, während zum anderen der Saft das umliegende Erdreich durchdringt und konkurrierenden Pflanzenwuchs hemmt oder abtötet.
Vorsicht! Die Frucht des Penissithbaums ist hochgiftig, sowohl für alle uns bekannten warmblütigen Sauerstoffatmer sämtlicher physiologischer Klassifikationen als auch für alle auf Etla existierenden einheimischen Lebensformen. Es wurde untersucht, ob die Inhaltsstoffe, in geringen Mengen dosiert, von medizinischem Nutzen sein könnten, jedoch ohne Erfolg. Würden von einem Wesen mit der durchschnittlichen Körpermasse eines erwachsenen Orligianers, Kelgianers oder Terrestriers nur zwei Milliliter des Fruchtsaftes eingenommen werden, würde das sofort zu dessen Bewußtlosigkeit und innerhalb einer Standardstunde zum Exitus führen. Dieselbe Wirkung würden drei Milliliter bei einem Hudlarer oder einem Tralthaner auslösen. Dieser Vorgang ist unumkehrbar, da kein Gegenmittel bekannt ist… «
»Danke, Bibliothek«, sagte Braithwaite mit ruhiger Stimme und ausdruckslosem Gesicht, allerdings schlug er so heftig auf den Ausschaltknopf des Kommunikators, als wäre dieser sein Todfeind. Danach blickte der Lieutenant Hewlitt eine ganze Weile an, ohne auch nurein einziges Mal zu blinzeln. Nach Hewlitts fester Überzeugung würde gleich genau das passieren, was ihm auf seinem langen Leidensweg schon so oft widerfahren war; daß ihm nämlich ein Arzt sagen würde, er bilde sich das alles nur ein. Um so erstaunter war er, daß sich die Stimme des Psychologen eher neugierig als ungläubig anhörte, als Braithwaite in ruhigem Ton sagte:
»Nur wenige Tropfen dieses Penissithsafts töten einen voll ausgewachsenen Menschen, und Sie sind ein vierjähriges Kind gewesen, das den Inhalt einer ganzen Frucht ausgesaugt hat. Können Sie sich das erklären, Patient Hewlitt?«
»Sie wissen ganz genau, daß ich das nicht kann.«
»Nun, ich kann es mir auch nicht erklären«, meinte der Lieutenant.
Hewlitt atmete tief ein und langsam wieder aus, bevor er sich zu sprechen traute. »Ich habe jetzt über vier Stunden mit Ihnen geredet, Lieutenant. Bestimmt ist das lange genug für Sie, um feststellen zu können, ob ich ein Hypochonder bin oder nicht. Bitte sagen Sie es mir ganz offen und ehrlich und ohne falsche Rücksichtnahme.«
»Nun, zumindest will ich es versuchen«, antwortete der Psychologe und seufzte schwer. »Sie sind kein einfacher Fall. Es gibt Episoden in Ihrer Kindheit, die im späteren Leben zu schwerwiegenden seelischen Störungen geführt haben könnten, doch habe ich bis jetzt keine Anzeichen einer anhaltenden psychischen Schädigung entdecken können… Ihre Persönlichkeit ist in sich ausgewogen, Ihre Intelligenz ist überdurchschnittlich hoch, und Sie scheinen Ihre anfängliche Fremdenfeindlichkeit einigermaßen überwunden zu haben. Abgesehen davon, daß Sie überempfindlich sind und ständig in die Defensive gehen, weil Ihnen bis jetzt niemand geglaubt hat, daß Ihnen etwas fehlt… «