Die letzte Diagnose
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ORBIT HOSPITAL ist ein Klinikum im All, das allen raumfahrenden Lebensformen der Galaxis medizinische Hilfe leistet. Es nimmt alle Gesch?pfe auf, ob sie ein Dutzend Gliedma?en haben oder gar keine, ob sie sich von Radioaktivit?t ern?hren oder Wasser atmen – von anderen exotischen Gewohnheiten und Bed?rfnissen ganz zu schweigen. Es ist ein ?kologisches Tollhaus und ein organisatorischer Irrwitz, aber es ist f?r alle da und es funktioniert. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes – lebensnotwendig.
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»Ich danke Ihnen«, meinte Medalont vielleicht etwas vorschnell und sagte dann zu den anderen: »Nun, wer von Ihnen möchte es als erster versuchen?«Unweigerlich war es der größte Anwesende, nämlich der Tralthaner, der nach vorn trampelte und direkt neben dem Bett stehenblieb. Eins der vier Augen, die aus dem kuppelförmigen und völlig unbeweglichen Kopf herausragten, bog sich nach unten, um Hewlitts Gesicht zu betrachten, ein anderes war auf Medalont gerichtet und die anderen beiden blickten irgendwo nach hinten. Zwei der vier Tentakel, die aus den gewaltigen Schultern herauswuchsen, näherten sich bis auf einige Zentimeter bedrohlich seiner Brust. In einem hielt der Tralthaner einen Scanner, und als er zu sprechen begann, hatte Hewlitt keinen blassen Schimmer, woher die überraschend leise Stimme kam.
»Bitte machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er, während Hewlitt vergeblich versuchte, sich mit dem Rücken voran im Bett zu vergraben. »Es handelt sich um eine rein mündliche Untersuchung, oder anders ausgedrückt: Es kommt zu keinem körperlichen Eingriff. Sollten Sie allerdings eine meiner Fragen als einen Eingriff in Ihre Privatsphäre betrachten, erwarte ich von Ihnen natürlich keine Antwort. Ich will mich später einmal auf dem Fachgebiet der Gehirnchirurgie spezialisieren und werde mich deshalb bei der Untersuchung mit dem Scanner auf diesen Bereich konzentrieren. Ich würde gerne mit dem hinteren Teil des Gehirns beginnen, wo die Nervenbahnen im oberen Halswirbel enden.
Könnten Sie sich dazu bitte aufrecht hinsetzen und die Stirn auf die mittleren Gelenke ihrer angezogenen Gehgliedmaßen legen. Ich glaube, der nichtmedizinische Ausdruck dafür lautet Knie. Stimmt das?«
»Ja«, antworteten Hewlitt und Medalont gleichzeitig.
»Danke«, sagte der Tralthaner, und während er mit einem Auge immer noch den Chefarzt ansah, fuhr er fort: »Die terrestrische Klassifikation DBDG hat Glück, daß die Länge der Nervenverbindungen zwischen den visuellen, auralen, olfaktorischen und taktilen Sinnesorganen und dem Gehirn um einiges kürzer sind als bei den meisten anderen intelligenten Lebensformen, zu der auch meine Spezies zählt. Der Vorteil der schnelleren Reaktionszeit während der Entwicklungsstufe des Präsapiensmenschen führte zweifellos zu seiner Dominanz auf der Erde. Aber das Gehirn ist sodicht gepackt, daß die kartographische Erfassung der Nervenbahnen schwierig ist, was im Falle eines chirurgischen Eingriffs eine äußerst präzise Arbeit erforderlich macht. Wenn Sie den Ober- und Unterkiefer öffnen und schließen, Patient Hewlitt, tritt dann durch die Kompressionswirkung eine Belastungserscheinung am Hirnstamm auf?«
»Nein«, antworteten Hewlitt und der Chefarzt erneut im Chor.
Medalont machte den Eindruck, als würde er die Frage für ziemlich dumm halten, denn er sagte: »Das reicht. Wer ist als nächstes dran?«
Die Kreatur, die vortrat, hatte einen schmalen, röhrenförmigen Körper mit braun-schwarzen Streifen, der von sechs langen, sehr dünnen Gliedmaßen getragen wurde. Zwei Flügelpaare sprossen aus beiden Seiten des Körpers, aber sie waren so eng angelegt, daß Hewlitt nicht sicher war, welche vorherrschende Farbe sie hatten, und zwei lange, pelzige Fühler ragten oben aus dem insektenartigen Kopf heraus. Das Wesen richtete sich beinahe senkrecht auf, während es seine mittleren Gliedmaßen auf der Bettkante plazierte und mit riesigen, lidlosen Augen auf ihn herabsah.
Einer plötzlichen Regung folgend, wollte er nach dem Wesen schlagen, wie er es mit allen großen Insekten tat, die ihm zu nahe kamen, aber er besann sich eines Besseren. Bei einer solch zerbrechlichen Kreatur würde bestimmt schon ein kleiner Klaps ernste Verletzungen verursachen, so daß er keine Angst vor ihr zu haben brauchte. Abgesehen davon hatte er noch nie .nach einem Schmetterling geschlagen, wenngleich er einem solch großen Exemplar wie diesem hier auch noch nie zuvor begegnet war.
»Ich bin Forgianerin, Patient Hewlitt«, sagte das Wesen und nahm einen Scanner aus der Ausrüstungstasche, die an seinem Körper festgeschnallt war. »Da ich zur Zeit die einzige Vertreterin meiner Spezies in diesem Krankenhaus bin, und wir kein Volk sind, das viel herumreist, hoffe ich, daß Sie durch die erste Begegnung mit einer Forgianerin seelisch nicht zu sehr belastet werden. Mein Interesse gilt der Allgemeinchirurgie fremder Spezies, und deshalb werde ich Sie, natürlich nur mit ihrer Erlaubnis, vom Kopf bis zu den nicht als Greiforgane dienenden Zehen Ihrer Füße untersuchen…«Ein großer Schmetterling mit einer tadellosen Art im Umgang mit Patienten, staunte Hewlitt in Gedanken.
»… Sie sind nicht der erste DBDG-Terrestrier, den ich untersuche und über den ich für meine späteren Studien Aufzeichnungen mache«, fuhr die Forgianerin fort. »Aber die anderen waren, wie es bei Patienten in einem Krankenhaus nun mal üblich ist, krank oder verletzt. Sie hingegen sind offenbar ein perfektes Untersuchungsexemplar und als solches für mich insbesondere für Vergleichszwecke interessant. Ich beginne jetzt damit, den Puls an der Schläfe, an der Halsschlagader sowie am Handgelenk zu messen. Wenn man bei einem Notfall keinen Scanner zur Verfügung hat, muß man diese Methode nämlich auch so beherrschen können.«
Der Kopf des Schmetterlings kippte nach vorn und neigte sich dann so zur Seite, daß einer der Fühler sowohl Hewlitts Schläfe als auch Hals berührte, und zwar so zart, daß er es mit geschlossenen Augen nicht einmal gemerkt hätte.
»Bei dem Gerät, das ich benutze, wird es nicht nötig sein, daß Sie sich ganz frei machen, insbesondere nicht im Genitalbereich«, erklärte ihm die Forgianerin. »Aufgrund meiner Studien der Verhaltensweisen Ihrer Spezies weiß ich, daß es bei Terrestriern ein Nacktheitstabu gibt, und sie sehr empfindlich reagieren können, wenn sie ihren Intimbereich offen zeigen sollen. Glauben Sie mir, ich habe nicht die Absicht, Sie in Verlegenheit zu bringen, Patient Hewlitt, ob Sie nun männlich oder weiblich sind… «
»Du meine Güte, man sieht doch auf den ersten Blick, daß das ein männlicher Terrestrier ist!« fuhr eine Kelgianerin dazwischen. »Man braucht sich doch nur diese flachen und verkümmerten Brustdrüsen anzusehen. Selbst durch das Nachtgewand hindurch kann man die Konturen seiner Brust erkennen, oder besser gesagt: Man kann sie eben nicht erkennen. Bei Frauen sind sie vollständig entwickelt und verleihen der DBDG-Frau das für sie typische oberlastige Erscheinungsbild …«
Die Kelgianerin hielt abrupt inne, weil Medalont eine Zange hob und zweimal laut damit klickte. »Das reicht!« fuhr er entschieden dazwischen. »Jetzt ist wirklich nicht der Zeitpunkt für interne Auseinandersetzungen,zumal der Patient alles mithören kann und vielleicht seine eigenen Schlüsse bezüglich Ihrer medizinischen Kenntnisse zieht.«
Als nächstes trat die Kelgianerin vor, die für die Unterbrechung verantwortlich war. Sie stand auf den drei hinteren, raupenartigen Beinpaaren und schlängelte sich wie ein pelziges Fragezeichen über das Bett; bekanntermaßen verhielten sich kelgianische Wesen auch Patienten gegenüber alles andere als rücksichtsvoll.
»Die Untersuchung, die ich durchführen werde, wird ähnlich wie die meiner forgianischen Kollegin verlaufen«, sagte sie. »Darüber hinaus möchte ich Ihnen allerdings einige Fragen stellen. Meine erste Frage lautet: Was hat ein anscheinend gesunder Patient wie Sie in einem Krankenhaus zu suchen? Dem Krankenbericht des Chefarztes zufolge sind Sie in klinischer Hinsicht gesund, wenn man davon absieht, daß bei Ihnen ohne erkennbaren Grund lebensbedrohliche Herzbeschwerden aufgetreten sind. Was fehlt Ihnen, Patient Hewlitt? Besser gesagt: Was glauben Sie selbst, was Ihnen fehlen könnte?«