Der Wiedersacher
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Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.
"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost
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»Großer Gott!« stammelte Johannes. »Jesus Christus, was tun wir nur? Was. .. was geschieht hier nur?«
Brenner sah auf und blickte in das schreckensbleiche Gesicht des jungen Jesuiten. Johannes lehnte schweratmend an der Tür, wie um sie mit seinem Körpergewicht zu blockieren. Daß die papierdünne Spanplatte einer Pistolenkugel ungefähr so viel Widerstand entgegensetzen würde wie der Anzug, den er trug, schien er sich nicht vor Augen zu halten. Aber wahrscheinlich war das auch egal. Es spielte keine Rolle, ob jemand Johannes durch die Tür hindurch erschoß oder hereinkam, um es zu tun. Brenner begriff plötzlich, daß die vage Furcht, die er die ganze Zeit über gehabt hatte, nur zu berechtigt gewesen war. Salids Nähe allein reichte, um sie zum Tode zu verurteilen. Trotzdem sagte er müde:
»Gehen Sie von derTür weg.«
Johannes sah ihn eine halbe Sekunde lang verständnislos an, aber dann fuhr er erschrocken zusammen und trat hastig zwei Schritte weit ins Zimmer hinein. In seinen Augen flackerte noch immer die gleiche, kaum mit Worten zu beschreibende Furcht, die Brenner schon einmal darin gesehen hatte. Aber es war mit dieser Furcht wie mit seinem eigenen Schwindelgefühl: Er war nicht sicher, ob es wirklich die Angst vor dem Tod war, die er in Johannes' Blick las, oder vielleicht etwas viel Schlimmeres.
»Sie … sie haben auf Sie geschossen! « stammelte Johannes. »Großer Gott, beinahe … beinahe hätten sie Sie umgebracht! « »Falsch«, antwortete Brenner ruhig. »Sie haben auf uns geschossen, Johannes.« Er richtete sich behutsam auf und wartete auf einen neuerlichen Schwindelanfall, während er die Beine vom Bett schwang. Dann fügte er hinzu: »Und keineswegs aus Versehen.«
»Nicht aus …« Johannes riß ungläubig die Augen auf. »Wie meinen Sie das?«
Wenn man bedachte, daß Johannes gerade eben noch viel schneller und besser reagiert hatte als er selbst, dachte Brenner, stellte er sich jetzt ziemlich begriffsstutzig an. Vielleicht wollte er die Wahrheit nicht sehen. Er stand auf, ging an Johannes vorbei und streckte die Hand nach der Türklinke aus, hatte aber nicht den Mut, sie herunterzudrücken.
»Diese Männer sind nicht hier, um irgend jemanden zu verhaften«, sagte er. »Muß ich noch deutlicher werden?«
Bevor Johannes antworten konnte, wurde die Tür aufgerissen, und Salid stürmte herein. Er blutete aus einem fast finger
langen Riß auf der Stirn und hatte einige üble Prellungen im Gesicht, schien aber nicht ernsthaft verletzt zu sein. Er hatte seine Pistole wieder aufgehoben und in den Gürtel geschoben. In den Händen hielt er die MPi, die der Mann fallengelassen hatte, der auf Brenner geschossen hatte. Er schloß die Tür nicht hinter sich, so daß Brenner den Korridor bis zur Treppe hin deutlich überblicken konnte. Auf dem Boden lagen drei reglose Gestalten. Sämtliche Türen standen offen; wahrscheinlich hatte Salid die dahinterliegenden Zimmer kontrolliert, ehe er zurückkam.
»Das war knapp«, sagte er. »Ist einer von euch verletzt?« Brenner und Johannes schüttelten gleichzeitig die Köpfe, und Johannes fragte: »Was ist mit den Polizisten?«
»Das waren keine Polizisten«, antwortete Salid.
»Sie haben sie umgebracht«, behauptete Johannes. Seltsam aber Brenner hatte das ganz sichere Gefühl, daß die Empörung in seiner Stimme nur gespielt war; bestenfalls Gewohnheit.
»Den einen, der zuerst geschossen hat«, antwortete Salid zögernd. »Jedenfalls nehme ich es an. Die beiden anderen sind bewußtlos. Wir haben nicht viel Zeit.« Er sah sich hastig im Zimmer um. Obwohl er von allen hier vermutlich am besten wußte, wie aussichtslos ihre Situation war, war seinem Gesicht nicht die geringste Regung anzusehen.
»Worauf warten wir dann noch?« fragte Johannes. »Wir müssen hier raus! «
»Eine gute Idee, Hochwürden«, antwortete Salid spöttisch. »Wenn Sie uns jetzt auch noch verraten, wie …« Er machte eine Kopfbewegung zum Fenster hin. »Da draußen wimmelt es garantiert von Scharfschützen. «
Ein sonderbares Geräusch, das von draußen hereindrang und rasch an Lautstärke zunahm, hinderte ihn daran, weiterzureden. Brenner drehte sich stirnrunzelnd herum, sah einen Moment zum Fenster und ging dann an Johannes vorbei. Das Geräusch schwoll rasch weiter an und wurde jetzt so laut, daß es selbst hier drinnen fast jede Unterhaltung unmöglich machte, und Brenner erkannte es, noch ehe er die Gardinen zurückzog und den kantigen Schatten sah, der sich vor die Wolken geschoben hatte. Ein Helikopter. Sie fuhren schweres Geschütz auf. Offenbar war die Polizei – oder wer immer es war entschlossen, Salid kein weiteres Mal entkommen zu lassen.
»Gehen Sie vom Fenster weg! « schrie Salid über das Heulen des Hubschraubers hinweg. Brenner wollte dem Befehl nachkommen, aber in diesem Moment flammte unter dem Rumpf des Helikopters ein greller Scheinwerferstrahl auf, der jedoch nicht auf das Fenster zielte. Als Brenner sich ein Stück weit vorbeugte und das Gesicht gegen das Glas preßte, konnte er erkennen, daß er auf den Hauseingang gerichtet war.
»Aufbrechen!« befahl Heidmann.
Einer der drei Polizisten machte Anstalten, Heidmanns Beispiel zu folgen und sich gegen dieTür zu werfen, aber die beiden anderen hatten aus seinem Fehler gelernt; während der eine seinen Kollegen zurückhielt, visierte der zweite aus kaum einem Meter Abstand das Schloß an und drückte dreimal rasch hintereinander ab. Die Kugeln ließen Funken und rauchende Holzsplitter aus derTür fliegen. Wie durch ein kleines Wunder hielt sie selbst diesem Angriff stand, aber ein abschließender Fußtritt des Polizeibeamten sprengte sie endgültig auf. Sie flog krachend gegen die Wand und gab den Blick auf das Innere des Gebäudes frei.
Die Dunkelheit dahinter war fast vollkommen, aber was Heidmann nicht sah, das verriet ihm sein Gehör, und seine Phantasie erschuf die dazu passenden Bilder – lebhafter und sehr viel eindringlicher, als ihm lieb war. Aus dem oberen Stockwerk des Hotels drangen noch immer Schüsse, Schreie und der unverkennbare Lärm eines Kampfes, aber da waren noch andere Geräusche – Geräusche, die näher waren und nicht eindeutig zu identifizieren, aber dafür um so unheimlicher. Heidmann hörte ein seidiges Rascheln und Schleifen, ein Geräusch wie von Millionen winziger Knochensplitter, die auf eine Tischplatte aus Marmor fielen. Ein Wispern und Flüstern wie von fernen Stimmen im Wind und etwas, das wie ein Stöhnen klang. Nichts davon war laut. Die Geräusche hätten im Höllenlärm des Kampfes, der ein Stockwerk über ihnen tobte, einfach untergehen müssen, und trotzdem hörte er sie ganz deutlich; beinahe deutlicher als die Schüsse und Schreie von oben.
Einer der uniformierten Beamten wollte das Haus betreten, aber Heidmann hielt ihn mit einer hastigen Geste zurück. »Warten Sie! « sagte er. Zugleich bewegte er sich behutsam einen Schritt vor, ließ sich neben dem zersplittertenTürrahmen in die Hocke sinken und suchte die Dunkelheit jenseits des Durchgangs mit Blicken zu durchdringen. Er sah kaum etwas; nur Schatten und Umrisse, die vielleicht gar nicht da waren, aber es war der gleiche, unheimliche Effekt wie gerade draußen auf der Straße: Die Schwärze selbst schien lebendig geworden zu sein. Der Boden, die Wände, die Decke, ja, selbst die Dunkelheit dazwischen bewegten sich.
Was war los mit ihm? So sehr der unheimliche Effekt Heidmann auch erschreckte, war er sich doch die ganze Zeit über der Tatsache bewußt, daß er ihn nicht wirklich sah. Seine Nerven spielten ihm einen Streich. Aber das hätten sie nicht gedurft. Heidmann war im Laufe seiner fünfundzwanzig Dienstjahre mehr als einmal in Lebensgefahr gewesen – oder hatte es zumindest geglaubt – , oft genug jedenfalls, um Angst und Nervosität in allen Spielarten zu kennen. Etwas wie dies hatte er nie erlebt. Er war niemals in Panik geraten. Jetzt stand er kurz davor, und das nur, weil er ein paar Schatten sah, die er nicht deutlich erkennen konnte.
Die Schüsse aus dem Obergeschoß hielten immer noch an. Dort oben mußte eine regelrechte Schlacht im Gange sein. Heidmann begriff plötzlich, daß er schon zwei oder drei Sekunden reglos hier saß und in die Dunkelheit hineinstarrte und daß nicht nur die drei Männer in seiner Begleitung, sondern auch die drüben im Wagen sein Benehmen deutlich beobachten konnten. Er richtete sich wieder auf, streckte den Arm mit der Waffe in die Dunkelheit wie ein Blinder seinen Taststock und trat einen Schritt weit in den Flur hinein. Unter seinen Füßen knisterte es; ein Gefühl, als liefe er auf Erbsen