Der Wiedersacher
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Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.
"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost
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»Was ist los?« fragte er.
Salid brachte ihn mit einer nur angedeuteten Geste zum Verstummen, verharrte drei, vier weitere Sekunden lang reglos an der Tür und schloß sie dann wieder. Rasch drehte er sich herum, eilte zum Fenster und zog die Gardinen einen Spaltbreit auseinander.
»Was haben Sie?« fragte Brenner erneut. »Ist irgend etwas nicht in Ordnung?«
Salid lugte angespannt auf die Straße hinaus, und obwohl Brenner sein Gesicht deutlich im Profil erkennen konnte, war ihm keine Regung anzumerken. Nach einigen weiteren Augenblicken trat Salid wieder vom Fenster zurück.
»Nichts«, sagte er. »Ich habe mich wo hl getäuscht. Es ist alles ruhig.«
Aber das war nur das, was er sagte. Sein Gesichtsausdruck und seine Gesten bewiesen das genaue Gegenteil. Er schüttelte heftig den Kopf, legte den Zeigefinger über die Lippen und wies mit der anderen Hand über die Schulter zurück auf das Fenster. Brenner setzte dazu an, eine verwirrte Frage zu stellen, aber Salid brachte ihn mit einem hastigen Wink zum Schweigen und fuhr laut fort:
»Ich bin nervös. Offenbar sehe ich bereits Gespenster. Aber das ist ja kein Wunder.« Gleichzeitig ging er zumTisch, zog ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber aus der Tasche und begann mit hastigen, ineinanderfließenden Großbuchstaben darauf zu schreiben.
SIE SIND DA. EIN WAGEN AUF DER STRASSE. VIELLEICHT MEHR.
Brenner sog erschrocken die Luft zwischen den Zähnen ein, was Salid zu einem neuerlichen, erschrockenen Gestikulieren veranlaßte. »Wir sollten ein paar Stunden schlafen«, sagte er. »Sobald es hell wird, besorge ich uns einen Wagen, und wir verlassen die Stadt.«
Gleichzeitig schrieb er:
ES KANN SEIN, DASS WIR ABGEHÖRT WERDEN. SEID VORSICHTIG!
»Und wohin?« fragte Brenner. Die Worte überraschten ihn fast selbst, und sie veranlaßten auch Salid zu einem erstaunten Stirnrunzeln. Brenner hätte selbst nicht sagen können, warum er das gesagt hatte. Er spielte Salids Spiel mit, aber daß er es tat – daß er es überhaupt konnte – , überraschte ihn von allen hier vielleicht am meisten.
»Darüber denke ich nach, sobald wir aus der Stadt heraus sind«, sagte Salid und schrieb gleichzeitig:
ZWEI ODER DREI SIND AUF DEM DACH. KOMMT MIT! LEISE!
»Legt euch hin und schlaft«, fuhr er fort. »Ich passe eine Stunde auf und wecke dann den ersten.« Er richtete sich wieder auf, ging langsam zur Tür und gab Johannes und Brenner mit Gesten zu verstehen, daß sie ihm folgen sollten. Während er die Klinke herunterdrückte, sagte er:
»Ich gehe noch einmal hinunter. Vielleicht kann ich unserer Zimmerwirtin noch eine Tasse Kaffee abschwatzen. Laßt niemanden herein. Ich klopfe dreimal. «
Er öffnete die Tür, trat auf den Korridor hinaus und zog gleichzeitig seine Waffe. Plötzlich war er ein völlig anderer Mensch, und die Veränderung geschah so schnell und war so radikal, daß sie Brenner fast mehr erschreckte als das, was er
gerade gesagt und geschrieben hatte. Er konnte sein Gesicht nicht einmal sehen, aber Salid, der gerade noch in dem zu kleinen Anzug und mit übermüdetem Gesicht einfach nur bemitleidenswert ausgesehen hatte, war plötzlich der Mann, als den ihn die ganze Welt kannte und fürchtete. Er duckte sich leicht und drehte sich dabei in einem Halbkreis nach links und rechts und wieder zurück, und jede noch so winzige Bewegung strahlte eine Kraft und Schnelligkeit aus, die Brenner erschauern ließ. Es war nichts, was wirklich zu sehen gewesen wäre, aber dafür um so deutlicher zu spüren. Brenner wußte plötzlich einfach, daß er niemals einem Menschen gegenübergestanden hatte, der gefährlicher gewesen wäre als dieser Palästinenser, und er mußte mit einem Male wieder an ihre Flucht aus dem Krankenhaus denken. Er hatte miterlebt, wie Salid zu kämpfen verstand, aber sein noch getrübtes Sehvermögen, vielleicht auch der Schock, hatten dafür gesorgt, daß er gar nicht wirklich begriffen hatte, was geschah. Erst jetzt, im nachhinein, wurde ihm klar, wie nahe die beiden Pfleger und der Arzt dem Tod gewesen waren. Plötzlich, und vielleicht zum erstenmal wirklich, hatte er Angst vor Salid.
Salid hob die linke Hand, legte den Daumen über die Lippen und bedeutete ihnen mit der anderen, nachzukommen. Johannes stand gehorsam auf, aber Brenner zögerte. Seine Gedanken rasten. Wenn er überhaupt noch eine Chance hatte, irgendwie halbwegs unbeschadet aus dieser Geschichte herauszukommen, dann jetzt. Salid würde nicht auf ihn schießen. Er konnte hierbleiben und ihn und diesen verrückten Priester einfach ihrem Schicksal überlassen; oder er konnte mitgehen und mit ziemlicher Sicherheit erschossen werden, wenn sie versuchten, aus dem Hotel zu fliehen. Es war gar keine Entscheidung. Es war so klar, daß er sich fragte, warum er auch nur eine Sekunde darüber nachdachte. Er mußte hierbleiben, wenn er am Leben bleiben wollte.
Seine Knie zitterten noch immer – jetzt allerdings wohl mehr vor Furcht – , aber sie hatten trotzdem die Kraft, seinen Körper zu tragen, und sein Herz hämmerte so laut, daß er glaubte, man müsse es durch das ganze Haus hören, als er dieTür erreichte. Salid war zwei, drei Schritte weit auf den Korridor hinausgetreten und wieder stehengeblieben, und die schlechte Beleuchtung sorgte dafür, daß er nun vollends zu einem drohenden tiefenlosen Schatten geworden war. Er hatte die linke Hand auf das Treppengeländer gelegt und lauschte mit schräggehaltenem Kopf ins Erdgeschoß hinab; die Pistole in seiner Rechten deutete auf das Ende des Korridors und dieTreppe, die hinauf ins Dachgeschoß führte.
»KeinenTon mehr jetzt«, flüsterte Salid. »Wenn wir draußen sind, lauft ihr mir nach. Ganz egal, was passiert, rennt einfach.« Johannes nickte nervös. So deutlich, wie Brenner die Gefahr spürte, die Salid umgab, konnte er die Furcht spüren, die Johannes ausstrahlte; und er spürte auch, daß es eine gänzlich andere Art von Angst war als die, die er empfand. Er hatte Angst um sein Leben, Angst davor, verletzt oder getötet zu werden, und all das empfand Johannes sicherlich auch. Aber da war noch mehr. Da war eine Furcht vor etwas, dessen wahres Ausmaß Brenner nicht einmal erahnte. Ob der Priester nun verrückt war oder nicht, er glaubte das, was er gerade erzählt hatte.
Salid hob den Fuß, um ihn auf die oberste Treppenstufe zu setzen, und im gleichen Sekundenbruchteil erscholl aus dem Erdgeschoß ein gedämpfter, abrupt wieder abbrechender Schrei. Salid erstarrte mitten in der Bewegung. Seine rechte Hand mit der Pistole schwenkte herum und in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war, und im gleichen Sekundenbruchteil, in dem sie nicht mehr auf das hintere Ende des Korridors zielte, flog dort eineTür auf, und ein geduckter Schatten sprang auf den Flur hinaus. Ein einzelner, peitschender Schuß fiel.
Salid ließ sich nach hinten fallen, hielt sic h aber weiter mit der linken Hand amTreppengeländer fest und nutzte die Hebelwirkung, um aus seinem Sturz einen komplizierten Drehschwung zu machen, bei dem seine Waffe sich wieder der Dunkelheit am Ende des Flures zuwandte. Er schoß, prallte schwer auf den Rücken und feuerte noch einmal, während er bereits herumrollte und den Schwung seiner eigenen Bewegung nutzte, um wieder auf die Füße zu kommen.
Noch während er aufsprang, feuerte er ein zweites Mal. Die Gestalt, die aus der Tür herausgesprungen war, wurde zurückund in die Höhe gerissen und prallte hilflos gegen die Wand, und noch während sie nach vorne kippte und schließlich zu Boden fiel, erschienen ein zweiter und dritter Schatten unter derTüröffnung.
Salid schrie irgend etwas, aber die Worte gingen im hämmernden Stakkato einer MPi-Salve unter. Alles geschah gleichzeitig, praktisch im selben Bruchteil einer Sekunde, aber zugleich schien die Zeit auch stehenzubleiben, als hätte sie sich auf magischem Wege geteilt, so daß Brenner auf der einen Seite überhaupt keine Zeit fand, auch nur richtig zu begreifen, was geschah, geschweige denn, irgendwie darauf zu reagieren, gleichzeitig aber auch mit brutaler Klarheit sah, was geschehen würde. Die MPi-Salve stanzte eine schnurgerade Reihe ovaler, rauchender Löcher in den Holzfußboden, verfehlte Salid um eine knappe Handbreite und raste mit phantastischer Geschwindigkeit weiter, Flammen und Rauch und Millionen winziger qualmender Holzsplitter wie eine bizarre Kielspur hinter sich herziehend. Sie lief mit tödlicher Präzision auf Brenner zu.