Die letzte Diagnose
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ORBIT HOSPITAL ist ein Klinikum im All, das allen raumfahrenden Lebensformen der Galaxis medizinische Hilfe leistet. Es nimmt alle Gesch?pfe auf, ob sie ein Dutzend Gliedma?en haben oder gar keine, ob sie sich von Radioaktivit?t ern?hren oder Wasser atmen – von anderen exotischen Gewohnheiten und Bed?rfnissen ganz zu schweigen. Es ist ein ?kologisches Tollhaus und ein organisatorischer Irrwitz, aber es ist f?r alle da und es funktioniert. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes – lebensnotwendig.
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Prilicla deutete mit einem seiner vier Greiforgane auf den unteren Bildschirmabschnitt, wo sich eine Zusammenfassung der Behandlung befand. »Wie Sie sehen können, hat Doktor Telford damals eine hyperallergische Reaktion mit unbekannter Ursache diagnostiziert und jede weitere medikamentöse Behandlung untersagt. Die seelischen Probleme wurden statt dessen der Obhut einer Krankenschwester derselben Spezies anvertraut, die sich kurz vorm Ruhestand befand. Sie versuchte, dem Patienten mit beruhigenden Worten Trost zu spenden. Außerdem wurde dem weder kranken noch verletzten Kind gestattet, sich nach Belieben abzulenken, um sich über den Verlust ein wenig hinwegzutrösten, indem er andere Patienten besuchen und sich mit ihnen unterhalten durfte. Dazu gehörten auch einige weltraumerfahrene Offiziere des Monitorkorps, die viele spannende Geschichten zu erzählen hatten… «
»Diese Schwester ist immer sehr nett zu mir gewesen«, erwähnte Hewlitt, wobei seine Stimme durch die wiederkehrende Trauer, von der er viele Jahre nichts mehr verspürt hatte, sehr bedrückt klang. »Heute ist mir natürlich klar, daß einige dieser Geschichten höchstwahrscheinlich nicht immer ganz der Wahrheit entsprochen haben. Trotzdem funktionierte diese Behandlungsmethode irgendwie … Entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbrochen habe, Doktor Prilicla. Eigentlich wollte ich meine Erinnerungen für mich behalten.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Freund Hewlitt, zumal Ihre Erinnerungen an diese Zeit sehr wertvoll für uns sind«, ermunterte ihn Prilicla und fuhr nach einer kurzen Pause fort: »Es gibt hier einen Vermerk,daß der damalige Stabsarzt Telford aufgrund Ihrer atypischen Reaktion auf zwei einfache und bewährte Beruhigungsmittel vor einem absoluten Rätsel stand. Leider hatte er vor dem Eintreffen Ihrer Großmutter keine Gelegenheit mehr gehabt, die allergenen Substanzen festzustellen, von denen er annahm, daß sie diese Reaktion ausgelöst hatten. Außer seiner unbefriedigten Neugier gab es für Doktor Telford also keinen Anlaß, ein ansonsten gesundes Kind im Krankenhaus zu behalten.
Möchte sich jetzt jemand von Ihnen zu diesem Bericht äußern?« erkundigte sich Prilicla abschließend.
Zwar gab es einige Dinge, die Hewlitt gern dazu gesagt hätte, doch wußte er, daß diese Frage nicht direkt an ihn gerichtet war.
Pathologin Murchison meldete sich als erste zu Wort und sagte: »Auch wenn die Form, in der die Symptome mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit aufgetaucht und wieder abgeklungen sind, anormal erscheinen mag, so ist Telfords Diagnose bezüglich dessen, was eine schwere und dennoch in ihrem Verlauf untypische Allergie zu sein schien, unter den gegebenen Umständen vernünftig gewesen. Ebenso verhält es sich mit seiner Entscheidung, die medikamentöse Behandlung einzustellen, solange er nicht genau wußte, was vor sich ging. Im Grunde genommen war es nichts anderes als das, was auch die Ärzte auf der Erde und später im Orbit Hospital getan haben. Kurz gesagt: nichts … «
»Pathologin Murchison!« fuhr Naydrad aufgebracht dazwischen, deren Fell sich vor lauter Ungeduld stachelig aufrichtete. »Sie stellen das uns längst bekannte Problem lediglich noch mal auf eine andere Weise dar, ohne eine Lösung anzubieten.«
Murchison kannte ihre kelgianische Kollegin viel zu gut, als daß sie sich über deren Bemerkung geärgert hätte, und fuhr unbeirrt fort: »Das mag zwar sein, aber das, was ich klarzumachen versuche, ist, daß die allergischen Reaktionen in einem sehr jungen Alter aufgetreten sind und sich mit nur sehr geringfügigen Veränderungen hier auf der Erde und im Orbit Hospital wiederholt haben. Deshalb frage ich mich, ob der Patient bereits mit dieser Veranlagung geboren wurde und ob wir nach einer genetischenUnstimmigkeit suchen sollten. Es ist kein Fall bekannt, daß jemand auf die synthetisch hergestellte Nahrung, die von den außerplanetarischen Besuchern auf Etla am häufigsten zu sich genommen wird, allergisch reagiert hätte, und das gilt natürlich auch für Säuglings-Milchpräparate. Und es würde auch keine allergische Reaktion hervorrufen, wenn… Sind Sie als Baby eigentlich gestillt worden, Hewlitt?«
»Wenn ja, dann bin ich wohl noch zu klein gewesen, um mich daran erinnern zu können«, antwortete Hewlitt, nachdem er tatsächlich kurz versucht hatte, sich in die Zeit als Säugling zurückzuversetzen.
Murchison lächelte. »Schade, aber möglicherweise ist das auch gar nicht so wichtig. Wenn Sie allerdings gestillt und später mit synthetischer Nahrung entwöhnt worden sind, dann könnte das vielleicht erklären, warum die erste allergische Reaktion durch die Medikamente ausgelöst worden ist. Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Die Symptome traten zum ersten Mal einige Stunden nach dem Flugzeugunglück im Krankenhaus auf. Auch wenn Sie unverletzt geblieben sind, so ist doch anzunehmen, daß Sie infolge des Sturzes auf den weichen und durchnäßten Boden, der zweifellos durch die Zweige abgebremst worden ist, vorübergehend bewußtlos gewesen sind. Der Schockzustand, in dem Sie sich befunden haben, läßt zum Beispiel auf eine kurz zuvor erlittene Gehirnerschütterung schließen. Darüber hinaus ist es durchaus möglich, daß Sie sich kleinere Rißwunden oder Hautabschürfungen zugezogen haben, die unter den gegebenen Umständen als zu geringfügig angesehen worden sind, als daß sich die Rettungsleute die Mühe gemacht hätten, diese aufzuzeichnen. Jedenfalls hätte dadurch irgend etwas in Ihren Blutkreislauf gelangen können, das später die allergischen Reaktionen ausgelöst hat. Zum Beispiel etwas, das auf dem Baum oder am Boden lebt – eine Spore oder ein Insekt, vielleicht sogar ein kleines Tier, das Sie gebissen hat, oder eine giftige Substanz mit unbekannten Eigenschaften, die aus einem zerquetschten Blatt ausgetreten ist und durch einen Hautriß eindringen konnte. Deshalb schlage ich vor, daß wir die Absturzstelle genauer untersuchen. Falls solche Kleinstlebewesen oder Substanzen auf Etla in der Natur vorkommen, dann wird es sie dortauch heute noch geben.
Und Sie können ruhig damit aufhören, Ihr Fell in Knoten zu legen, Naydrad«, merkte sie eher beiläufig an. »Ich weiß selbst, daß die einheimischen Krankheitserreger von Etla kein Wesen befallen können, das sich auf einem anderen Planeten entwickelt hat. Und ich weiß auch, daß die Etlaner und Terrestrier fast identisch sind. Sie ähneln sich sogar so sehr, daß es Theorien über ein prähistorisches Kolonisationsprogramm gemeinsamer raumreisender Vorfahren gibt. Die Fortpflanzungsversuche einiger Angehöriger des Stützpunktpersonals, die sich aus emotionalen Gründen gezwungen sahen, die Kulturkontakte durch die Heirat etlanischer Männer oder Frauen auszuweiten, waren allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Falls es jedoch in der genetischen Struktur der beiden Spezies irgendwelche Überschneidungen gibt, auch wenn sie noch so gering sein sollten, dann müßten auch diese untersucht werden. Und wenn sich Patient Hewlitt streng überwachten Tests unterziehen und zur Minderung des Risikos nur geringe Mengen einheimischer etlanischer Medikamente einnehmen würde, könnten wir auf die berühmte Ausnahme stoßen, die die Regel bestätigt.«
»Keine Tests, Freundin Murchison«, widersprach Prilicla sofort, bevor Hewlitt die Gelegenheit hatte, dasselbe mit Kraftausdrücken zu sagen. »Keinerlei Medikamente, weder etlanische noch andere, bis wir eine klarere Vorstellung von dem haben, wonach wir suchen. Vielleicht haben Sie schon vergessen, daß Freund Hewlitt bereits als Vierjähriger mit etlanischer Vegetation in Berührung gekommen ist, als er, bevor er von demPenissithbaum stürzte, hochgiftiges Obst gegessen hat.«