Die letzte Diagnose
Die letzte Diagnose читать книгу онлайн
ORBIT HOSPITAL ist ein Klinikum im All, das allen raumfahrenden Lebensformen der Galaxis medizinische Hilfe leistet. Es nimmt alle Gesch?pfe auf, ob sie ein Dutzend Gliedma?en haben oder gar keine, ob sie sich von Radioaktivit?t ern?hren oder Wasser atmen – von anderen exotischen Gewohnheiten und Bed?rfnissen ganz zu schweigen. Es ist ein ?kologisches Tollhaus und ein organisatorischer Irrwitz, aber es ist f?r alle da und es funktioniert. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes – lebensnotwendig.
Внимание! Книга может содержать контент только для совершеннолетних. Для несовершеннолетних чтение данного контента СТРОГО ЗАПРЕЩЕНО! Если в книге присутствует наличие пропаганды ЛГБТ и другого, запрещенного контента - просьба написать на почту [email protected] для удаления материала
Doch nur wenige Minuten später fragte sie: »Sind Sie sich wirklich sicher, daß Sie uns alles erzählt haben? Oder gab es noch irgendwelche andere Begebenheiten, die Ihnen als Kind oder Erwachsener widerfahren sind und die Ihnen als viel zu belanglos erschienen sind, um sie zu erwähnen D wie zum Beispiel die Geschichte mit Ihren Zähnen? Sind Sie zu Hause oder in Ihrem Arbeitsumfeld mit kranken Leuten in Kontakt gekommen? Aus irgendeinem Grund enthält Ihre Krankenakte überhaupt keine Angaben über Ihren Beruf oder über ein Gewerbe, dem Sie nachgehen. Sind Sie mit Tieren in Berührung gekommen – ich meine, abgesehen von Ihrer Katze -, die vielleicht krank oder erst kurz zuvor von einer Krankheit genesen waren? Oder gab es irgendwelche anderen Tiere, die mit Ihnen… «
»Meinen Sie vielleicht meine Schafe?« unterbrach Hewlitt die Pathologin.
»Kann sein, ich habe keine Ahnung. Erzählen Sie mir davon«, forderte Murchison ihn auf.
»Nun, ich habe eine ganze Menge Schafe.«
»Ach, sind Sie etwa ein Schafhirte?« erkundigte sich die Pathologin erstaunt. »Ich hätte nie gedacht, daß es heutzutage noch Schafhirten gibt. Erzählen Sie weiter.«»Ich bin zwar selbst kein Schafhirte, aber die gibt es immer noch«, stellte Hewlitt klar. »Schafehüten ist eine seltene, stark spezialisierte und zu dem sehr gut bezahlte Arbeit, besonders wenn man für mich arbeitet. Ich habe das Familienunternehmen von meinen Großeltern geerbt, da mein Vater ihr einziges Kind war. Als er bei dem Flugzeugunglück ums Leben kam, war ich somit der einzige Nachkomme. Mein Beruf ist in der Krankenakte nicht erwähnt worden, weil auf der Erde ohnehin fast jeder weiß, wer ich bin oder was ich tue. Mann kennt mich dort unter dem Namen ›Hewlitt der Schneider‹.«
»Ich fürchte, ich müßte jetzt beeindruckt sein«, reagierte Murchison auf ihre typisch unterkühlte Weise. »Aber Sie müssen schon entschuldigen, denn ich wurde nicht auf der Erde geboren.«
»Da dies bei weit über neunzig Prozent der Föderationsmitglieder der Fall ist, bin ich auch keineswegs beleidigt«, stellte Hewlitt klar. »Jedenfalls handelt es sich dabei um eine relativ kleine, aber sehr exklusive Firma, die den Mond und die Erde mit handgearbeiteten, maßgeschneiderten Kleidungsstücken sowie mit handgewebtem oder gesponnenem Tweed und edlen Kammgarnmaterialien beliefert. In der heutigen Zeit billiger Synthetikstoffe gibt es immer mehr Leute, die bereit sind und über das nötige Geld verfügen, unsere Preise zu bezahlen. Einige versuchen sogar, durch Bestechungsgelder auf unsere Warteliste zu gelangen. Aber trotz der schwindelerregenden Preise, die wir berechnen, ist die Gewinnspanne nicht einmal besonders hoch. Wir müssen Schaf- und andere Wolltierherden unterhalten, die als gesetzlich geschützte Arten gelten. Die Tiere müssen regelmäßig geschoren werden, damit wir unseren Rohstoff für die Webereien bekommen. Sie glauben ja gar nicht, welch enorme Kosten der hohe Haltungsstandard und die Gesundheitspflege unserer Tiere verursachen.
Meine Arbeit erfordert regelmäßige Kontrollbesuche bei unseren Herden, wobei ich natürlich auch einige Tiere vor dem Scheren zur Überprüfung der Wollqualität anfassen muß. Selbstverständlich achten wir penibel darauf, daß sie nicht krank werden oder sich irgendwelcheansteckenden Krankheiten einfangen. Tja, das war schon alles. Tut mir leid, diese Informationen sind wohl auch nicht besonders nützlich für Sie, oder?«
»Wahrscheinlich sind sie wirklich nicht sonderlich nützlich, aber zumindest sehr interessant«, meinte Murchison. »Trotzdem sollten wir diesen Umstand bei unseren Untersuchungen nicht aus den Augen verlieren.«
»Und ich bin natürlich auch kein richtiger Schneider«, beendete Hewlitt seine Ausführungen, »sondern nur das stets tadellos gekleidete Aushängeschild des Unternehmens, wenn ich nicht gerade ein Krankenhaushemd trage.«
Murchison nickte lächelnd. »Wir haben uns schon alle gefragt, weshalb ein offenbar nicht gerade schwerkranker Patient wie Sie ins Orbit Hospital überwiesen worden ist. Könnte es sein, daß einer Ihrer wohlhabenden und einflußreichen Kunden etwas damit zu tun hat? Vielleicht handelt es sich ja zufälligerweise um einen einflußreichen Arzt, der unbedingt auf Ihre Warteliste wollte.«
»Aber bestimmt nicht einflußreich genug, um extra ein Ambulanzschiff wie die Rhabwar für meinen Fall einsetzen zu lassen«, wandte Hewlitt ein. »Warum hält man mich für so ungeheuer wichtig?«
Da Murchisons Gesicht plötzlich wie versteinert war, wußte er, daß sie auf diese Frage nicht antworten wollte. Statt dessen lächelte sie erneut und sagte mit fester Stimme: »Keine weiteren Fragen mehr, Patient Hewlitt. Wenn Ihnen danach ist, können Sie ja Schäfchen zählen, aber schlafen Sie jetzt endlich.«
Die Pathologin beobachtete ihn, bis er die Augen geschlossen hatte, dann hörte er, wie sie das leise und in regelmäßigen Zeitabständen auftretende Tippen auf der Computertastatur wieder aufnahm. In der Dunkelheit hinter den geschlossenen Lidern wurde die trügerische Stille des im Hyperflug befindlichen Schiffes von einem kaum wahrnehmbaren metallischen Knirschen untermalt, das nur gelegentlich durch die entfernten und gedämpften Stimmen der Besatzung unterbrochen wurde, die durch den Verbindungsschacht hindurch bis zu ihm herüberdrangen… Laute, die erunter normalen Umständen niemals wahrgenommen hätte. Nach seinem Dafürhalten lag er eine Ewigkeit wach da, wobei er sich in dem äußerst komfortablen Bett, das er zunehmend als unbequem empfand, hin und her wälzte und versuchte, an nichts zu denken, bis er es schließlich nicht mehr aushielt und die Augen öffnete.
»Ich kann einfach nicht schlafen«, seufzte er.
»Das ist auch das, was mir Ihr Überwachungsmonitor in den letzten zwei Stunden angezeigt hat«, meinte Murchison, die ihre Gereiztheit mit einem Lächeln zu überspielen versuchte. »Trotzdem ist es immer wieder schön, wenn man eine mündliche Bestätigung erhält. Was soll ich denn nur mit Ihnen machen?«
Hewlitt wußte zu unterscheiden, ob eine Frage rhetorisch gemeint war oder nicht, und zog es vor zu schweigen.
»Leider hat man Ihnen die Einnahme jeglicher Medikamente untersagt, und dazu gehören natürlich auch Sedativa«, fuhr sie fort. »Auf der Rhabwar gibt es auch keinen Unterhaltungssender, der Sie schläfrig machen könnte, denn die Patienten auf dem Unfalldeck sind normalerweise nicht in der Verfassung, sich womöglich lustige Quizshows anzusehen. Danalta löst mich in einer Stunde ab. Falls Sie den Rest der Nacht nicht damit verbringen wollen, ihn bei seinen Verwandlungskünsten zu bewundern,, was übrigens kein schöner Anblick ist, dann kann ich Ihnen als Alternative das Logbuch der Rhabwar empfehlen, in dem sämtliche Einsätze eingetragen sind – das entspricht bei uns noch am ehesten einer Bordunterhaltung.
Wenn Sie möchten, kann ich es auf dem Hauptmonitor mit einer nichtmedizinischen Zusammenfassung abspielen. Einiges von dem Material wird Ihnen für die morgige Lagebesprechung auf Etla nützliche Hintergrundinformation liefern.«
»Und kann ich dann besser einschlafen?« erkundigte sich Hewlitt.
»Das bezweifle ich allerdings sehr«, antwortete Murchison. »Stellen Sie die Rückenlehne so ein, daß Sie den ganzen Bildschirm sehen können undsich nicht den Hals verrenken müssen. In Ordnung? Nun geht's los… «