Strandwolfe: Richard Bolithos gefahrvoller Heimaturlaub
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Dezember 1773: Nach vierzehn strapazi?sen Monaten auf See an Bord der Gorgon kehrt Midshipman Richard Bolitho zur?ck nach England. W?hrend das Linienschiff in Plymouth im Dock zur dringend notwendigen ?berholung liegt, will er Weihnachten bei seinen Eltern in Falmouth verbringen. Doch daraus wird nichts, denn an der K?ste Cornwalls treiben ?belste Strandr?uber, die gezielt Schiffsstrandungen herbeif?hren, ihr Unwesen. F?r Richard Bolitho hei?t es, deren t?dlichem Spuk ein Ende zu setzen…
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Hugh Bolitho ging langsam zwischen seinen Leuten hindurch und stieg auf das feindliche Schiff über. Er ließ sich Zeit, hielt Ausschau nach etwaigen Funken des Widerstandes. Bolitho und Dancer folgten ihm mit gezogenem Degen und waren sich dabei des bedrückenden Schwe igens bewußt. Sogar das Schreien der Verwundeten war verstummt. Dies waren keine disziplinierten Seeleute. Sie hatten keine Flagge, keine Ideale, die sie beflügelten. In diesem Augenblick wußten sie, daß es für sie kein Entrinnen mehr gab, und ihre persönliche Sicherheit wurde ihnen das wichtigste. Vielleicht konnte eine Aussage gegen die Männer, die sie bisher ihre Freunde genannt hatten, sie vor dem Galgen retten, ihnen zu einer Gefängnisstrafe verhelfen. Einige hofften wohl auch, durch geschicktes Lügen freizukommen. Sicher würden sie das mit derselben Kaltblütigkeit tun, mit der sie ihre früheren Grausamkeiten begangen hatten.
Bolitho stand neben seinem Bruder an Deck der Virago und musterte die verängstigten Gesichter. Er spürte, daß ihre Wut in Furcht umgeschlagen war, so, wie der Gischt bereits das Blut von Deck gewaschen hatte.
Sir Henry Vyvyan würde möglicherweise auch jetzt noch irgendwelche Privilegien geltend machen, dachte er. An Hughs vollständigem Sieg war trotzdem nicht zu zweifeln. Sie hatten das Schiff, die Ladung und so viele Gefangene, daß die Küste viele Jahre lang vor Strandwölfen sicher sein würde.»Wo ist Sir Henry?»
Ein kleiner Mann in blauem Rock mit Goldknöpfen, offensichtlich der Kapitän der Virago, schob sich nach vorn. Seine Stirn blutete aus mehreren Schnittwunden.»Es war nicht meine Schuld, Sir!»
Er wollte nach Hugh Bolithos Ärmel greifen, aber der Degen fuhr wie eine Schlange dazwischen.
So trat er wieder zurück, während Bolitho und die anderen ihm zum Achterdeck folgten, das die volle Wucht des stürzenden Mastes hatte aushallen müssen.
Sir Henry Vyvyan lag eingeklemmt unter einer schweren Spiere, sein Gesicht schmerzverzerrt. Doch noch atmete er, und als die Seeleute der Avenger ihn umstanden, öffnete er sein eines Auge und sagte mühsam:»Zu spät, Hugh. Du kommst um das Vergnügen, mich baumeln zu sehen.»
Hugh Bolitho senkte seinen Degen zum erstenmal, so daß dessen Spitze nur wenige Zoll vor Vyvyans Brust das Deck berührte. Dann erwiderte er ruhig:»Ich hätte Ihnen ein besseres Ende gewünscht, Sir Henry.»
Vyvyans Auge richtete sich auf die blitzende Klinge, und er sagte, schon vom Tode gezeichnet:»Ich mir auch. «Dann stöhnte er auf und starb.
Hughs Degen verschwand in der Scheide, die Bewegung hatte etwas Endgültiges an sich.
«Kappt diese Trümmer!«Seine Stimme klang völlig unbewegt.»Und bestellt Mr. Gloag, wir müssen die Virago in Schlepp nehmen, bis ein Behelfsmast aufgeriggt werden kann. «Danach erst sah er seinen Bruder und Dancer an.»Gut gemacht!«Er warf einen Blick auf die britische Flagge, die gerade an der Gaffel der Virago gehißt wurde — dieselbe, die über seinem eigenen Schiff wehte, wenn auch zerfetzt von Wind und Geschützfeuer.»Das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich jemals bekommen habe!«Dancer grinste.»Und in Falmouth wird vielleicht doch noch etwas übriggeblieben sein, womit wir feiern können, was meinst du, Dick?»
Bevor sie auf die Avenger zurückkehrten, warf Bolitho einen letzten Blick zum Achterdeck der Virago. Sein Bruder stand noch immer neben der eingeklemmten Gestalt im langen grünen Umhang.
Vielleicht hatte er sogar jetzt noch das Gefühl, daß Sir Henry Vyvyan ihm zuvorgekommen war?