The Stand. Das letze Gefecht
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Kurzbeschreibung
In einem entv?lkerten Amerika versucht eine Handvoll ?berlebender, die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mytische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, die Verk?rperung des absolut B?sen. In der W?ste von Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit. "The Stand", Stephen Kings Vision vom letzten Gefecht zwischen Gut und B?se, war bislang nur in einer stark gek?rzten Version zug?nglich.Die hier ver?ffentlichte Urfassung zeigt die Gr??e seines apokalyptischen Entwurfs.Manche nennen diesen Roman sein Meisterwerk!
Autorenportrait
Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren. Er war zun?chst als Englischlehrer t?tig, bevor ihm 1973 mit seinem ersten Roman 'Carrie' der Durchbruch gelang. Seither hat er mehr als 30 Romane geschrieben und ?ber 100 Kurzgeschichten verfasst und gilt als einer der erfolgreichsten Schriftsteller weltweit.
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»Wie ist er?«
»Es geht um einen Mann«, sagte Bateman leise. »Jedenfalls glaube ich, daß es ein Mann ist. Er steht auf dem Dach eines hohen Gebäudes, möglicherweise auf einer Klippe. Was auch immer, es ist so hoch, daß es Hunderte Meter tiefer im Nebel verschwindet. Es ist kurz vor Sonnenuntergang, aber er sieht in die andere Richtung, nach Osten. Manchmal hat er Jeans und Jeansjacke an, aber häufiger eine Kutte mit Kapuze. Sein Gesicht kann ich nie sehen, aber seine Augen. Er hat rote Augen. Und ich habe das Gefühl, dass er nach mir sucht - und daß er mich früher oder später finden wird oder ich zu ihm gehen muß... und das wird mein Tod sein. Daher versuche ich zu schreien...« Er verstummte mit einem knappen, verlegenen Achselzucken.
»Dann wachen Sie auf?«
»Ja.« Sie sahen Kojak zu, der zurückkam; Bateman tätschelte ihn, während Kojak die Schnauze in die Aluminiumschale steckte und die letzten Kuchenkrümel herausholte.
»Nun, ich schätze, es ist nur ein Traum«, sagte Bateman. Er stand auf und verzog das Gesicht, als seine Knie knackten. »Ein Psychologe, der das Ganze analysiert, würde vielleicht sagen, der Traum drücke meine unterbewußte Angst vor einem Führer aus, der die ganze Scheiße wieder von vorne anfängt. Vielleicht eine Angst vor der Technologie allgemein. Denn ich glaube, alle neuen Gesellschaften, die sich bilden, zumindest in der westlichen Zivilisation, werden Technologie als Eckstein haben. Das ist ein Jammer, und es muß nicht sein, aber es wird sein, weil wir süchtig sind. Sie werden sich nicht an die Ecke erinnern - oder erinnern wollen -, in die wir uns selbst gedrängt haben. Die verdreckten Flüsse, das Ozonloch, die Atombombe, die Luftverschmutzung. Sie werden sich nur daran erinnern, daß sie es früher einmal ohne nennenswerte Anstrengung nachts warm haben konnten. Sie sehen, zusätzlich zu meinen anderen Unzulänglichkeiten bin ich auch noch Euddit. Aber dieser Traum... der beschäftigt mich, Stu.«
Stu sagte nichts.
»Ich mache mich jetzt auf den Heimweg«, sagte Bateman brüsk.
»Ich bin schon halb betrunken, und ich glaube, es gibt heute nachmittag Gewitter.« Er ging zum hinteren Teil der Lichtung und stöberte dort herum. Wenig später kam er mit einer Schubkarre zurück. Er drehte den Klavierhocker ganz herunter, legte ihn hinein, danach die Staffelei, die Kühlbox und zu guter Letzt sein mittelmäßiges Bild oben auf den wackeligen Stapel.
»Haben Sie das alles hierhergekarrt?« fragte Stu.
»Bis ich etwas gesehen habe, das ich malen wollte. Ich gehe jeden Tag in eine andere Richtung. Gutes Training. Wenn Sie nach Osten gehen, warum kommen Sie nicht mit mir nach Woodville und übernachten in meinem Haus? Wir können uns beim Schieben ablösen, und ich habe drüben im Bach noch ein Sechserpack Bier stehen. Damit dürften wir standesgemäß nach Hause kommen.«
»Einverstanden«, sagte Stu.
»Gut. Ich werde unterwegs wahrscheinlich die ganze Zeit reden. Sie befinden sich in der Gewalt des Geschwätzigen Professors, TexasOst. Wenn ich Sie langweile, sagen Sie mir einfach, ich soll die Klappe halten. Wird mich nicht kränken.«
»Ich höre gern zu«, sagte Stu.
»Dann sind Sie einer von Gottes Auserwählten. Gehen wir.«
Sie gingen die 302 entlang, und während der eine die Karre schob, trank der andere Bier. Ganz gleich, wer gerade was tat, Bateman redete, ein endloser Monolog, der ohne Pause von einem Thema zum anderen sprang. Kojak sprang neben ihnen her. Stu hörte eine Weile zu, dann schweiften seine Gedanken eine Weile ab, und dann hörte er wieder zu. Er war beunruhigt von Batemans Vision von Hunderten menschlicher Enklaven, manche militaristisch, die in einem Land lebten, in dem Tausende Weltvernichtungswaffen herumlagen wie Bauklötze eines Kindes. Aber seltsamerweise mußte er immer wieder an Glen Batemans Traum denken, den Mann ohne Gesicht auf einem hohen Gebäude - oder am Rand einer Klippe -, den Mann mit den roten Augen, der, der sinkenden Sonne den Rücken zugewandt, ruhelos nach Osten sah.
Kurz vor Mitternacht wachte er schweißgebadet auf und fürchtete, er hätte geschrien. Aber Glen Bateman im Nebenzimmer atmete langsam, ruhig und ungestört, und auf dem Flur sah er Kojak mit dem Kopf auf den Pfoten schlafen. Alles erstrahlte so hell im Mondschein, daß es surrealistisch anmutete.
Als er aufwachte, hatte Stu sich auf den Ellenbogen aufgerichtet, und jetzt ließ er sich wieder auf das feuchte Laken sinken und hielt einen Arm vor die Augen; er wollte sich nicht an den Traum erinnern, konnte es aber nicht verhindern.
Er war wieder in Stovington gewesen. Eider war tot. Alle waren tot. Das Gebäude war eine hallende Gruft. Er war als einziger am Leben, und er konnte den Ausgang nicht finden. Zuerst versuchte er, seine Panik zu unterdrücken. Gehen, nicht laufen, sagte er sich immer wieder, aber zuletzt lief er doch. Seine Schritte wurden immer schneller, und der Zwang, über die Schulter zurückzuschauen und sich zu vergewissern, daß nur das Echo ihn verfolgte, wurde unerträglich.
Er kam an verschlossenen Bürotüren vorbei, auf deren Milchglasscheiben Namen in schwarzer Schrift standen. An einem umgestürzten Rollwägelchen vorbei. An der Leiche einer Schwester vorbei, deren Rock bis über die Schenkel hochgerutscht war und deren schwarzes, verzerrtes Gesicht zu den Neonleuchten aufsah, die wie umgekehrte Eiswürfelschalen an der Decke hingen.
Schließlich fing er an zu rennen.
Schneller, schneller glitten die Türen an ihm vorbei und weg, seine Füße stampften auf das Linoleum. Verschwimmende orangefarbene Pfeile an der weißen Wand. Schilder. Zuerst erschienen sie ganz normal: RADIOLOGIE und KORRIDOR B ZU DEN LABORS und KEIN ZUTRITT OHNE GÜLTIGEN AUSWEIS. Und dann war er plötzlich in einem anderen Teil der Anlage, einem Teil, den er noch nie gesehen hatte und auch nie hätte sehen sollen. Die Farbe an diesen Wänden blätterte schon ab. Manche Neonlampen waren aus; andere summten wie gefangene Fliegen. Viele Milchglasscheiben an den Bürotüren waren eingeschlagen, und durch die gezackten Löcher sah er Trümmer und zusammengekrümmte Leichen. Er sah Blut. Diese Leute waren nicht an der Grippe gestorben. Sie waren ermordet worden. Ihre Leichen wiesen Stiche und Schußwunden und schlimme Verletzungen auf, die nur von stumpfen Gegenständen herrühren konnten. Ihre Augen waren aus den Höhlen gequollen.
Er lief eine Rolltreppe hinunter, die außer Betrieb war, und in einen langen, dunklen Tunnel mit gekachelten Wänden. Am anderen Ende lagen weitere Büroräume, aber jetzt waren die Türen tiefschwarz gestrichen. Die Pfeile waren hellrot. Die Neonlampen summten und flackerten. Auf den Schildern stand: KOBALTBEHÄLTER und LASER-ARSENAL und SIDEWINDERRAKETEN und SEUCHENRAUM. Und dann sah er schluchzend vor Erleichterung einen Pfeil, der um eine rechtwinklige Ecke wies, und darüber das gesegnete Wort: AUSGANG.
Er ging um die Ecke, die Tür stand offen. Draußen die angenehm duftende Nacht. Er wollte auf die Tür zustürzen und hinaus, aber ein Mann in Jeans und grober Jacke trat davor und versperrte ihm den Weg. Stu blieb rutschend stehen, ein Schrei blieb ihm im Hals stecken. Als der Mann unter das trübe Licht der flackernden Neonlampen trat, sah Stu dort, wo sein Gesicht hätte sein müssen, nur einen kalten schwarzen Schatten, eine Schwärze, aus der zwei seelenlose rote Augen hervorstarrten. Keine Seele, aber Humor. Das war es; eine Art tanzende, irre Heiterkeit.
Der dunkle Mann streckte die Hände aus, und Stu sah, daß Blut von ihnen herabtropfte.
»Himmel und Erde«, flüsterte der dunkle Mann aus dem leeren Loch, wo sein Gesicht hätte sein müssen. »Der ganze Himmel und die ganze Erde.«
Dann war Stu aufgewacht.
Jetzt winselte und knurrte Kojak leise im Flur. Er zuckte im Schlaf sogar mit den Pfoten, und Stu nahm an, daß sogar Hunde träumten. Träumen war ganz normal, auch gelegentliche Alpträume.
Aber es dauerte lange, bis er wieder einschlafen konnte.