The Stand. Das letze Gefecht
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Kurzbeschreibung
In einem entv?lkerten Amerika versucht eine Handvoll ?berlebender, die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mytische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, die Verk?rperung des absolut B?sen. In der W?ste von Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit. "The Stand", Stephen Kings Vision vom letzten Gefecht zwischen Gut und B?se, war bislang nur in einer stark gek?rzten Version zug?nglich.Die hier ver?ffentlichte Urfassung zeigt die Gr??e seines apokalyptischen Entwurfs.Manche nennen diesen Roman sein Meisterwerk!
Autorenportrait
Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren. Er war zun?chst als Englischlehrer t?tig, bevor ihm 1973 mit seinem ersten Roman 'Carrie' der Durchbruch gelang. Seither hat er mehr als 30 Romane geschrieben und ?ber 100 Kurzgeschichten verfasst und gilt als einer der erfolgreichsten Schriftsteller weltweit.
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Er hatte die Lebensmittel, die er sich zurückgelegt hatte, zu schnell verschlungen. Das war ihm jetzt klar. Er hatte gedacht, daß jemand kommen würde. Er hatte nicht glauben können...
Er wollte Trask nicht essen. Die Vorstellung, Trask zu essen, war schrecklich. Gestern abend war es ihm gelungen, mit dem Pantoffel eine Kakerlake zu fangen, und er hatte sie lebendig gegessen; wie verrückt war sie in seinem Mund herumgewuselt, bis er sie halb durchgebissen hatte. Sie hatte nicht einmal schlecht geschmeckt, viel köstlicher als die Ratte. Nein, er wollte Trask nicht essen. Er wollte kein Kannibale sein. Es war wie mit der Ratte. Er wollte Trask in Reichweite haben... für alle Fälle. Nur für alle Fälle. Er hatte einmal gehört, daß ein Mensch es lange ohne Nahrung aushaken konnte, wenn er nur Wasser hatte.
( nicht viel Wasser aber darüber will ich jetzt nicht nachdenken nicht jetzt nein nicht jetzt)
Er wollte nicht sterben. Er wollte nicht verhungern. Er war zu sehr von Haß erfüllt.
Dieser Haß hatte sich in den letzten drei Tagen ganz allmählich in ihm aufgestaut und war mit dem Hunger gewachsen. Wenn sein Kaninchen, das schon so lange tot war, hätte denken können, hätte es ihn genauso gehaßt (er schlief jetzt viel, und dabei träumte er immer wieder von seinem Kaninchen mit aufgeblähtem Körper, mattem, verfilztem Fell, wimmelnden Maden in den Augen und, am schlimmsten, blutigen Pfoten: Wenn er aufwachte, betrachtete er seine eigenen Finger, von grausiger Faszination erfüllt). Lloyds Hass war um ein einfaches bildliches Konzept herum geronnen, und dieses Konzept war der SCHLÜSSEL.
Er war eingesperrt. Früher einmal war ihm das gerecht vorgekommen. Er war einer von den bösen Jungs. Kein wirklichböser Junge. Der wirklich böse Junge war Poke gewesen. Ohne Poke hätte er sich höchstens kleinen Scheißdreck geleistet. Trotzdem gebührte ihm natürlich eine Mitschuld. Der schöne George in Vegas und die drei Insassen des weißen Continental - da war er dabeigewesen, und wahrscheinlich traf ihn ein Teil der Schuld. Er schätzte, daß er seinen Sturz verdient hatte und eine gewisse Zeit absitzen mußte. Nicht, daß man sich dazu freiwillig meldete, aber wenn sie einen kalt erwischten, servierten sie einem die Chose, und man schluckte sie eben. Wie er seinem Anwalt gesagt hatte, seiner Meinung nach verdiente er schätzungsweise zwanzig für seinen Anteil an der »Amokfahrt durch drei Staaten«. Aber nicht den elektrischen Stuhl. Himmel, nein. Der Gedanke, daß Lloyd Henreid einen zappelnden Abgang machte, war... war verrückt. Aber sie hatten den SCHLÜSSEL, darum ging es. Sie konnten einen einsperren und mit einem machen, was sie wollten.
Während der letzten drei Tage hatte Lloyd vage die symbolhafte magische Bedeutung des SCHLÜSSELS begriffen. Der SCHLÜSSEL war die Belohnung dafür, daß man die Regeln beachtete. Beachtete man sie nicht, wurde man eingesperrt. Es war nicht anders als bei der Gehen-Sie-in-das-Gefängnis-Karte beim Monopoly. Gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie nicht 200 Dollar ein. Und mit dem SCHLÜSSEL waren Vorrechte verbunden. Sie konnten dir zehn Jahre deines Lebens stehlen, oder zwanzig, oder vierzig. Sie konnten Leute wie Mathers beauftragen, dich zusammenzuschlagen. Sie konnten dir sogar auf dem elektrischen Stuhl das Leben nehmen.
Aber den SCHLÜSSEL zu haben, gab ihnen nicht das Recht, wegzugehen und dich im Kittchen verhungern zu lassen. Es gab ihnen nicht das Recht, dich zu zwingen, eine tote Ratte zu essen oder zu versuchen, die trockene Füllung deiner Matratze zu verspeisen. Es gab ihnen nicht das Recht, dich in einer Lage zurückzulassen, wo du vielleicht den Mann aus der Zelle nebenan aufessen mußtest, um am Leben zu bleiben (das heißt, wenn du ihn zu packen kriegst - duu-dah, duu-dah).
Es gab gewisse Dinge, die machte man einfach nicht mit Menschen. Auch mit dem SCHLÜSSEL konnte man nur bis hierher gehen und nicht weiter. Sie hatten ihn hier zurückgelassen, damit er eines grausamen Todes starb, dabei hätten sie ihn rauslassen können. Er war kein tollwütiger Killer, der den ersten Menschen abservierte, den er sah, auch wenn die Zeitungen das behauptet hatten. Bevor er Poke kennengelernt hatte, hatte er nur kleine Sachen begangen. Deshalb haßte er, und der Haß befahl ihm zu leben... oder es wenigstens zu versuchen. Eine Zeitlang schien ihm, als wären der Haß und der Lebenswille etwas Nutzloses, weil alle, die den SCHLÜSSEL hatten, Opfer der Grippe geworden waren. An ihnen konnte er sich nicht mehr rächen. Dann, ganz allmählich, als der Hunger immer schlimmer wurde, überkam es ihn, daß die Grippe sie nicht umbringen würde. Sie würde nur Verlierer wie ihn umbringen. Sie würde Mathers umbringen, aber nicht diesen Scheißwärter, der Mathers auf ihn angesetzt hatte, denn der Wärter hatte den SCHLÜSSEL.
Sie würde den Gouverneur oder den Gefängnisdirektor nicht umbringen - der Wärter, der gesagt hatte, der Gefängnisdirektor sei krank, war offensichtlich ein dreckiger Lügner. Sie würde die Polizisten nicht umbringen, auch nicht die Sheriffs oder die FBI-Agenten. Die Grippe würde den Leuten, die den SCHLÜSSEL hatten, nichts anhaben. Aber Lloyd würde es ihnen zeigen. Wenn er hier lebend rauskam, würde er es ihnen sogar gewaltig zeigen.
Das Pritschenbein verfing sich wieder in Trasks Hosenaufschlag.
»Komm schon«, flüsterte Lloyd. »Komm. Komm rüber... schon... Camptown ladies sing this song... all du-dah day.«
Trasks Leichnam rutschte langsam, steif, über den Boden seiner Zelle. Geduldiger und geschickter als Lloyd Trask hatte noch nie ein Angler eine Makrele eingeholt. Einmal riß der Stoff von Trasks Hose, und Lloyd mußte an einer anderen Stelle einhaken. Aber schließlich war der Fuß nahe genug, daß Lloyd durch die Gitterstäbe greifen und ihn packen konnte... wenn er wollte.
»Ist nicht persönlich gemeint«, flüsterte er Trask zu. Er berührte Trasks Bein. Er streichelte es. »Ist nicht persönlich gemeint, ich werde dich nicht essen, alter Junge. Nur, wenn es sein muß.«
Er war sich nicht bewußt, daß ihm das Wasser im Mund zusammenlief.
Lloyd hörte jemanden im aschfahlen Widerschein der Dämmerung, zuerst war das Geräusch so weit entfernt und so seltsam - das Klirren von Metall auf Metall -, daß er glaubte, er würde es träumen. Wachen und Schlafen waren mittlerweile fast gleiche Zustände für ihn; er überschritt die Grenze zwischen ihnen, fast ohne es zu merken.
Aber dann kam die Stimme, und er fuhr kerzengerade von der Pritsche hoch, seine Augen glänzten riesig, weiß und unstet in dem abgemagerten Gesicht. Die Stimme drang von Gott weiß wie weit entfernt aus dem Verwaltungsflügel herunter und dann die Treppe herab durch die Flure, welche die Besuchszimmer mit dem zentralen Zellenblock verbanden, wo Lloyd war. Sie dröhnte heiter immer weiter durch die doppelt verriegelten Türen und drang schließlich an Lloyds Ohren:
»Hoooo-hoooo! Jemand da?«
Und seltsam, Lloyds erster Gedanke war: Nicht antworten. Vielleicht geht er wieder.
» Jemand da? Zum ersten, zum zweiten?... Okay, ich muß weiter, bin dabei, mir den Staub von Phoenix von den Stiefeln zu schütteln...«
Das riß Lloyd aus seiner Lethargie. Er katapultierte sich von der Pritsche, packte das Pritschenbein und schlug wie wild gegen die Gitterstäbe; die Vibrationen pflanzten sich durch das Metall fort und brachten die Knochen seiner geballten Faust zum Erzittern.
» Nein!« schrie er. » Nein! Gehen Sie nicht weg! Bitte gehen Sie nicht weg!«
Die Stimme (inzwischen näher) kam von der Treppe zwischen der Verwaltung und diesem Zellentrakt: »Wir haben dich zum Fressen gern, so lieben wir dich... und, oh, da hört sich jemand so... hungrig an.« Dem folgte ein träges Lachen.