Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio
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Richard Bolitho ist Leutnant geworden und l?uft 1774 als Dritter Offizier auf der Fregatte 'Destiny' nach Rio de Janeiro aus. Ihr Auftrag ist die Suche nach einem verschwundenen Goldtransporter, denn die Admiralit?t in London bef?rchtet, da? mit diesem Gold der Aufstand in den jungen amerikanischen Kolonien unterst?tzt wird. Am schweren Borddienst unter einem harten Kommandanten, am j?hen Tod guter Freunde, aber auch an einer ersten Liebe reift Richard Bolitho zu dem Mann heran, der den sp?teren Seehelden schon ahnen l??t. Dieser Roman steht chronologisch an vierter Stelle der inzwischen auf dreiundzwanzig Titel angewachsenen marinehistorischen Romanserie um den Seehelden Richard Bolitho.
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Little sprach leise, aber eindringlich auf zwei neue Leute ein, wobei seine großen Hände wie Spaten durch die Luft fuhren, um seine Erklärungen zu verdeutlichen. Er bemerkte Bolitho und stöhnte:»Großer Gott, Sir, die sind wie Holzklötze!»
Bolitho beobachtete seine beiden Kadetten und überlegte, wie er die Mauer durchbrechen könne, die zwischen ihm und den beiden stand. Er hatte erst am Tag zuvor kurz mit ihnen gesprochen. Die Destiny war ihr erstes Bordkommando, was auch — mit zwei Ausnahmen — für die übrigen Kadetten galt. Peter Merrett war so klein, daß man ihn kaum zwischen den Taurollen und den hin und her eilenden Seeleuten wiederfand. Er war zwölf Jahre alt, Sohn eines prominenten Anwalts aus Exeter, der wiederum einen Admiral zum Bruder hatte: eine furchteinflößende Kombination. Eines schönen Tages — wenn er ihn erlebte — konnte der kleine Merrett sie zu seinem Vorteil nutzen, wahrscheinlich auf Kosten anderer. Aber jetzt, wie er so zitternd vor Kälte und ziemlich verängstigt dastand, sah er nur wie ein Häufchen Unglück aus. Der andere hieß Jan Jury, war vierzehn Jahre alt und kam aus Weymouth. Sein Vater, ein verdienter Seeoffizier, war bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen. Den Verwandten des toten Kapitäns mußte die Marine als der geeignete Platz für den jungen Jury erschienen sein. Jedenfalls waren sie damit alle Sorgen um ihn los. Bolitho nickte ihm zu.
Jury war groß für sein Alter, hatte ein freundliches Gesicht, einen blonden Haarschopf, und konnte seine Aufregung kaum beherrschen. Er sprach auch als erster.»Wissen wir eigentlich, wohin die Fahrt geht, Sir?»
Bolitho sah ihn ernst an. Nur vier Jahre trennten sie. Jury ähnelte zwar nicht seinem toten Freund, doch er hatte die gleiche Haarfarbe.
Er tadelte sich selber für seine Gedanken und antwortete:»Das werden wir früh genug erfahren. «Seine Worte kamen schärfer heraus, als er beabsichtigt hatte, darum fügte er hinzu:»Es ist ein gut gehütetes Geheimnis, jedenfalls soweit es mich betrifft.»
Jury beobachtete ihn neugierig. Bolitho wußte, was er dachte, kannte die vielen Fragen, die er gern gestellt hätte, um diese neue, so vieles von ihm fordernde Welt zu entdecken. Genauso war er selber einmal gewesen.
Bolitho sagte:»Ich möchte, daß Sie im Großmast aufentern, Mr. Jury, und die Arbeit der Leute oben beaufsichtigen. Sie, Mr. Merrett, bleiben bei mir, um Meldungen nach vorn oder achtern zu überbringen, wenn nötig.»
Er lächelte, als ihre Blicke über die Wanten zum drohenden Gewirr der Takelage emporwanderten, zur riesigen Großrah und den kleineren Rahen darüber, die nach jeder Seite wie Bogenenden weit über Bord ragten.
Die beiden älteren Offiziersanwärter, die Fähnriche Henderson und Cowdroy, hatten ihre Posten achtern am Besanmast, während die restlichen beiden zu Rhodes am Fockmast gehörten.
Stockdale stand wie zufällig in Bolithos Nähe und schnaufte:»Guten Morgen auch, Sir!»
Bolitho läche lte ihn an.»Nichts bereut, Stockdale?»
Der riesige Mann schüttelte den Kopf.»Nein, Sir. Brauchte 'ne Veränderung. Wird mir guttun.»
Little grinste über das Rohr eines Zwölfpfünders hinweg.»Ich wette, er könnte die Großbrasse allein bedienen!»
Einige Matrosen tuschelten miteinander und zeigten, als das Tageslicht zunahm, auf Gebäude an Land.
Vom Achterdeck kam prompt die Rüge:»Mr. Bolitho, sorgen Sie bitte für Ordnung bei Ihren Leuten! Das sieht mehr nach einer Hammelherde aus als nach einer Kriegsschiffsbesatzung!»
Bolitho grinste.»Aye, aye, Sir!«Und für Little fügte er hinzu:»Schreiben Sie jeden Mann auf, der…»
Er konnte den Satz nicht beenden, denn Kapitun Dumaresqs Hut tauchte am achteren Niedergang auf und darunter seine massige Gestalt, die sich mit offensichtlichem Gleichmut auf die Luvseite des Achterdecks begab.
Bolitho gab den beiden Kadetten noch einmal leise Instruktionen.»Hört zu, ihr beiden: Geschwindigkeit ist wichtig, aber nur insoweit, als Befehle trotzdem korrekt ausgeführt werden. Hetzen Sie die Leute nicht unnötig, die meisten von ihnen sind alte Hasen und schon seit Jahren auf See. Beobachten Sie, lernen Sie, aber packen Sie zu, wenn einer der neuen Leute Mist macht.»
Beide nickten eifrig, als hätten sie eben fundamentale Weisheiten vernommen.
«Vorn alles klar, Sir!»
Das war Timbrell, der Oberbootsmann. Er schien überall zugleich zu sein. Mal war er hier, um die Finger eines Mannes richtig um eine Brasse zu legen und sie davor zu bewahren, daß sie in einen Block gerieten und zerquetscht wurden; mal war er da, um seinen Rohrstock auf die Schultern eines anderen niedersausen zu lassen, der sich blöde anstellte. Die Wirkung war meist ein kurzer Aufschrei des Betroffenen und schadenfrohes Grinsen der anderen.
Bolitho hörte den Kommandanten etwas sagen; Sekunden später stieg die rote Nationalflagge zur Mastspitze empor und stand so steif im Wind wie eine bemalte Metallplatte.
Wieder Timbrells Stimme:»Anker ist kurzstag, Sir!«Er beugte sich über die Backsreling vorn und beobachtete aufmerksam die Strömung unter dem Bugspriet.
«Am Ankerspill — Achtung!»
Bolitho warf noch einen schnellen Blick nach achtern: auf den
Kommandostand, auf Gulliver mit seinen drei Rudergängern am großen Doppelrad; auf Colpoys mit seinen Seesoldaten an den Kreuzbrassen, den Fähnrich der Wache und Henderson, den Signalfähnrich, der immer noch zur wild killenden Flagge emporschaute, weil er fürchtete, daß sie sich in ihrer Leine vertörnen könnte. Im Augenblick war ihm das wichtiger als sein Leben.
An der Querreling stand Palliser mit einem Steuermannsmaaten und — etwas abseits — der Kommandant auf fest verwurzelten, stämmigen Beinen, die Hände unter den Rockschößen, mit einem Blick seinen gesamten Befehlsbereich umfassend. Zu seinem Erstaunen sah Bo-litho, daß Dumaresq unterm Rock eine scharlachrote Weste trug.
«Vorsegel los!»
Die Männer auf der Back vorn erwachten zum Leben. Ein verträumter Neuling wäre fast von ihnen niedergetrampelt worden, als die großen Leinwandflächen der vorderen Stagsegel in plötzlicher Freiheit flatterten und schlugen.
Palliser warf dem Kommandanten einen Blick zu und erntete ein fast unmerkliches Nicken. Darauf hob der Erste Offizier das Megaphon und rief:»Enter auf! Marssegel los!»
Die Webeleinen über beiden Laufbrücken hingen plötzlich voller Matrosen, die wie Affen zu ihren Rahen aufenterten, während die fixesten Burschen noch höher hinaufkletterten, um etwas später, wenn das Schiff in Fahrt war, dort ihren Teil der Arbeit zu leisten.
Bolitho verbarg seine Besorgnis unter einem Lächeln, als Jury hinter den sicher zupackenden und wieselschnellen Matrosen aufenterte.
Neben ihm krächzte Merrett:»Mir wird übel, Sir.»
Slade, der älteste Steuermannsmaat, der gerade vorbeieilte, knurrte:»Dann schluck's runter! Wenn du hier spuckst, Bürschchen, lege ich dich übers Kanonenrohr und verpasse dir sechs Schläge, damit du's lernst!«Er eilte weiter, gab Befehle, schubste Männer auf ihre Station und hatte den kleinen Kadetten schon wieder vergessen.
Merrett schluchzte:»Mir ist wirklich furchtbar schlecht!»
Bolitho sagte:»Gehen Sie nach Lee hinüber.»
Er schaute nach Pallisers Megaphon aus und dann hinauf zu seinen Männern auf den Rahen und in die wogende Leinwand des Großmarssegels, in die der Wind schon hier und da hineingefaßt hatte und die sich nun vollends zu befreien suchte.
«An die Brassen! Alle Mann — Achtung!«»Anker ist los, Sir!»
Wie ein befreites Tier schüttelte sich die Destiny und trieb zunächst achteraus, bis die wild schlagenden Vorsegel dichtgeholt, die Marsegel angebraßt waren und sich mit Wind füllten. Da gehorchte das Schiff endlich dem hart gelegten Ruder und nahm Fahrt voraus auf.
Bolitho erschrak, als ein Mann auf der Großrah ausrutschte, aber seine Kameraden packten ihn und zogen ihn in Sicherheit.
Das Schiff drehte weiter, bis die Küste wie in einem wilden Reigen am Bugspriet und der grazilen Galionsfigur vorbeizutanzen schien.