Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik
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1802 — Boston und Karibik. Der Friede von Amiens hat die beiden Erbfeinde England und Frankreich keineswegs vers?hnt. Vizeadmiral Richard Bolitho, unterwegs in diplomatischer Mission, mu? erleben, da? er mit seinem leichten Linienschiff «Achates» mitten in einen unerkl?rten Krieg segelt. Politische Winkelz?ge, Piraterie, Rebellion und schlie?lich Brandstiftung machen aus Bolithos Einsatz einen Kampf gegen alle.
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Die See schien Achates ganz allein zu gehören. Keen nahm die Gelegenheit wahr, seine Leute zu testen und ihnen seine Ansprüche klar zu machen. Segel- und Artilleriedrill lösten einander ab. dazwischen folgten Schießübungen für die Marine-Infanterie, und immer wieder wurden erfahrene Offiziere und Maaten dabei durch frisch angeheuerte Kameraden ersetzt. Keen verschaffte sich wohl Respekt, wurde aber bei Beginn jedes neuen Exerzierens herzhaft verflucht.
Aber Bolitho wußte aus eigener bitterer Erfahrung, daß unter den beengten Verhältnissen an Bord nichts so schnell in Meuterei umschlug wie Langeweile.
Er saß gerade beim Frühstück — Brot und dünne Scheiben fettes Schweinefleisch — , als Keen sich bei ihm melden ließ. Bolitho bat ihn, Platz zu nehmen.»Kaffee, Val?«Keen setzte sich.
«Ich glaube, wir werden heimlich von einem fremden Schiff verfolgt, Sir.»
Bolitho ließ Gabel und Messer sinken. Keen war nicht der Typ, der zu Übertreibung oder Phantasie neigte.»Wie das?»
«Vor zwei Tagen sichtete mein bester Ausguckposten ein Segel, ziemlich weit in Luv. Zunächst maß ich dem nicht viel Bedeutung bei. Es konnte ein Handelsschiff sein, auf demselben Kurs wie wir.»
Er spürte Bolithos Neugier und fügte erläuternd hinzu:»Ich wollte niemanden unnötig beunruhigen. Aber Sie werden sich erinnern, daß wir gestern beigedreht lagen, während wir mit den Steuerbord-Zwölfpfündern ein Übungsschießen auf Treibholz veranstalteten. Währenddessen blieb das fremde Segel die ganze Zeit an der Kimm. In dem Augenblick, als wir wieder Fahrt aufnahmen, folgte es uns, allerdings in weitem Abstand. «Er wartete vergeblich auf Bolithos Kommentar und sagte deshalb abschließend:»Es ist immer noch da.»
Die Tür ging auf, Adam trat mit einer Seekarte unter dem Arm herein.
Bolitho begrüßte ihn lächelnd. Seit dem Tag des Ankerlichtens vor der Beaulieu-Mündung hatten sie nur wenige Worte über seine Adoption gewechselt. Aber sie waren sich irgendwie nähergekommen, auch ohne große Aussprache.
Er erinnerte sich, wie Belinda ihn zu diesem Schritt gedrängt und ermutigt hatte. Sie wußte seit den Tagen ihrer ersten Liebe, was Bo-litho für seinen Neffen empfand, was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Fast hörte er noch ihre Worte:»Wenn unser Kind geboren ist, dann soll Adam sich nicht zurückgesetzt oder benachteiligt fühlen. Tu' es um Adams, aber auch um meinetwillen.»
«Hast du das fremde Schiff gesehen, Adam?«fragte er.»Aye, Sir. Ich bin beim ersten Tageslicht aufgeentert. Es scheint sich um eine Fregatte zu handeln. Ich hatte das große Signalteleskop mit hinaufgenommen, obwohl es sehr dunstig war. Das Rigg läßt auf ein großes
Kriegsschiff fünfter Klasse schließen. Für einen Indienfahrer oder ein anderes westwärts segelndes Handelsschiff ist er zu schnell.»
Keen orakelte:»Wenn er weiter so hoch am Wind bleibt, kann ich nie zu ihm aufkreuzen.»
Bolitho schüttelte den Kopf.»Aber damit verliert er kostbare Zeit.»
Trotzdem beunruhigte ihn die Nachricht. Falls es sich um ein Kriegsschiff handelte, dann verkörperte es eine Drohung, ganz gleich, wie sein Auftrag lautete. Was mochte seine Absicht sein? Und welches seine Nationalität?
Die Mission der Achates galt als geheim, aber Bolitho kannte die Kriegsmarine und vor allem die Männer, die in ihr dienten. Adams neuer Name hatte Keen zwar überrascht, aber danach hatte sich die Neuigkeit in Sekundenschnelle im ganzen Schiff verbreitet. Eine so wichtige Information wie die über die San-Felipe-Mission konnte sich binnen kurzem in der Werft, in der Stadt, ja sogar bis jenseits des Kanals herumgesprochen haben.
«Halten Sie mich auf dem laufenden. Bei einer für uns günstigen Änderung der Windrichtung rücken wir ihm auf den Pelz. Andernfalls…«Er zuckte die Schultern.»Wir müssen eben abwarten, bis er seine Karten aufdeckt.»
Später machte Bolitho seinen gewohnten Spaziergang auf der Luvseite des Achterdecks und merkte, daß er schon wieder an die Einwohner von San Felipe dachte, während er auf- und abging. Würden sie ihre neue Nationalität hinnehmen? Und dann fiel ihm das fremde Schiff ein, das der Achates folgte wie ein Jäger auf der Pirsch. Wahrscheinlich ein Franzose, der sicherstellen sollte, daß die französischen Interessen gewahrt wurden, notfalls mit Waffengewalt.
Auf und ab marschierte Bolitho, wobei seine Füße wie von selbst Augbolzen und Taljen mieden.
Unter den Wachgängern und Seesoldaten waren ihm manche Gesichter schon vertraut. Engeren Kontakt verhinderte jedoch eine unsichtbare Trennwand, die Bolitho verabscheute. Keen dagegen konnte als Kommandant so oft mit seinen Leuten sprechen, wie es ihm behag-te. Schon manches Mal hatte Bolitho zu seiner Flagge hinaufgestarrt und sie für die Einsamkeit, die sie ihm brachte, verwünscht.
Er blieb beim Kompaß stehen und warf einen Blick darauf, obwohl er wußte, daß seit Tagen derselbe Kurs anlag. Er merkte, daß die Rudergänger seinem Blick auswichen, und daß Segelmeister [5] Knocker sich plötzlich ganz in den Bericht eines Kadetten vertiefte.
Hallowes, der Vierte Offizier, war Wachführer, und selbst er beugte sich mit betonter Konzentration über die Querreling und beobachtete das Exerzieren mit den Achtzehnpfündern.
Ein Bootsmannsgehilfe schlenderte das Seitendeck in Lee heran; irgend etwas an ihm erregte Bolithos Aufmerksamkeit, so daß er ihn schärfer ins Auge faßte.
Der Mann zögerte, schluckte krampfhaft und kam dann weiter auf ihn zu.
Bolitho sprach ihn an.»Kenne ich Sie nicht?«Und dann blitzte der Name plötzlich in seinem Gedächtnis auf.»Sie heißen Christy, nicht wahr?»
Mit einem breiten Grinsen nickte der Mann.»Aye, Sir, das stimmt. Ich war Großtoppgast auf der alten Lysander. Wir haben zusammen vor Abukir gekämpft, Sir.»
«Ich erinnere mich. Wir hätten Sie damals beinahe verloren, als uns die Großmaststenge weggeschossen wurde. «Bolitho nickte, ganz in seine Erinnerungen vertieft.
«War ein heißer Kampf, Sir«, sagte der Seemann.»Der schlimmste Tag meines Lebens.»
Bolitho entließ ihn lächelnd und nahm seinen Spaziergang wieder auf. Kopfschüttelnd hastete Christy weiter. Nach so langer Zeit erinnerte sich der Admiral noch an ihn, an ihn unter Hunderten von Männern.
Quantock, der Erste Offizier, der mit Bootsmann Rooke und dem Schiffszimmermann Grace seine morgendliche Ronde ging, blieb stehen und winkte Christy heran.
«Hat sich wohl an dich erinnert, der Admiral, wie?»
Grüßend tippte Christy an seine Stirn.»Aye, Sir, er wußte noch meinen Namen!»
«Also, dann steh nicht rum wie ein Mondkalb, sondern geh an deine Arbeit!»
Christy verzog sich nach achtern. Warum war der Erste so schlechter Laune?
Quantock hakte eine Liste ab, wie jeder gute Erste unaufhörlich mit seiner Bestandsaufnahme beschäftigt. Das Schiff war zwar überholt worden, aber trotzdem türmte sich die Arbeit wie ein Berg vor ihm auf: Segel mußten erneuert oder geflickt werden, Boote mußten repariert, Pumpen und Flaschenzüge gewartet werden.
Quantock ärgerte sich über sich selbst. Christy war ein guter Seemann und ein Freiwilliger dazu. Weshalb war diese plötzliche Feindseligkeit in ihm aufgeflammt?
Heimlich sah Quantock nach Luv hinüber, wo der Vizeadmiral immer noch auf und ab ging. Und überhaupt, was war denn an dem Mann so besonders?
Der Bootsmann, ein Riese mit gefurchtem und zernarbtem Gesicht, wartete geduldig, daß sein Vorgesetzter mit der Morgenronde weitermachte. Christy gehörte zu seinen Gehilfen, und der unprovozierte Anraunzer des Ersten hatte ihn geärgert. Doch Rooke — oder Big Harry, wie man ihn respektvoll nannte — erriet den Grund für Quantocks schlechte Laune. Er war ein guter Erster Offizier, aber nur, wenn man es vom Standpunkt des Kommandanten sah. Zu den Leuten war er scharf, und in Disziplinfragen ließ er nicht mit sich reden.
Kapitän Glazebrook, der nach langen Wochen im Fieber gestorben war, hatte wegen seiner Krankheit die Übersicht verloren. Quantock war wahrscheinlich nun der Meinung, daß ihm eine Beförderung gebühre, am besten gleich der Befehl über Achates. Rooke, der den Ersten nicht leiden konnte, verabscheute den Gedanken, daß dieser an Bord das Kommando haben könnte, wie eine Gotteslästerung.