Fieber an Bord: Fregattenkapitan Bolitho in Polynesien
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1789 — Auf Befehl des Gouverneurs der jungen britischen Kolonie Neus?dwales l?uft Kapit?n Richard Bolitho mit seiner Fregatte Tempest in den S?dpazifik aus. Ganz auf sich allein gestellt, soll er mit seinem Schiff in Polynesien patrouillieren und die bedrohten Versorgungsrouten zwischen den einsamen Handelsposten sichern. Doch in dem scheinbaren Inselparadies grassieren Fieberseuchen, unter der Mannschaft kommt es zu einer Meuterei, und von Piraten aufgewiegelte Eingeborene bilden eine weitere Bedrohung. Richard Bolitho ist in jeder Hinsicht gefordert …
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Der Vogel fiel sauber beim ersten Schuß. Es war ein Tölpel, fast von der Größe einer Ente.
Sie standen oder kauerten um den Vogel herum, bis Bolitho sagte:»Wir werden ihn aufteilen. Aber das Blut müssen die Schwächsten bekommen.»
Zuerst angeekelt, nahmen die Männer ihre kleinen Portionen entgegen und verschlangen sie dann plötzlich verzweifelt. Das Blut wurde vorsichtig durch das schwankende Boot gebracht und Evans, dem verletzten Matrosen Colter und schließlich Penneck gegeben.
Unmittelbar vor Sonnenuntergang und dem Einbruch einer weiteren bitteren Nacht sichteten sie in Nordost einige schnelle Kanus. Wie hetzende Hunde, dachte Bolitho. Treiben ihre Beute bis zur Erschöpfung, bis sie sie ungefährdet umbringen konnten. Vielleicht glaubten sie von ihnen, sie gehörten zu Tukes Leuten und suchten schreckliche Rache zu üben. Oder sie konnten auch in Tukes
Auftrag handeln, der sie durch Drohungen oder versprochene Belohnungen für sich gewonnen hatte. Aus den letzten Leinwandfetzen hatte Miller einen Treibanker konstruiert, und Bolitho entschied, allen die Möglichkeit einer kurzen Ruhepause zu geben, die nicht durch das Knarren und Klappern der Riemen gestört wurde. Das Boot rollte durch eine Reihe von Wellentälern. Bolitho saß auf der Achterducht, neben sich Viola, der er seinen Uniformrock umgelegt hatte. Er drückte sie mit einem Arm an sich, um sie vor den stoßenden Bewegungen des Bootes zu schützen.
Einmal sagte sie:»Ich schlafe nicht. Ich sehe die Sterne an. «Er drückte sie fest an sich; er brauchte sie, er fürchtete für sie.
Dann sagte sie:»Hör auf, dir Vorwürfe zu machen, Richard. Ich wollte bei dir sein. Nichts hat sich geändert. «Als er ihr endlich antworten konnte, war sie eingeschlafen. Sobald die Morgendämmerung sich wieder über den Himmel ausbreitete, sahen sie noch weniger Inseln als zuvor, und der Ozean erschien viel größer und unüberwindlicher. Sie stellten fest, daß Evans in der Nacht gestorben war.
Bolitho richtete sein kleines Fernrohr auf die nächste Insel. Sie war sehr grün, zeigte aber keine Spur von Strand. Doch mochte sie ihnen die letzte Chance bieten. Er blickte auf den toten Evans hinab, der wie schlafend auf den Bodenbrettern des Bootes lag. Hier konnten sie ihn begraben. Dadurch konnten sie verhindern, daß er eine Beute der Haifische wurde, und ihnen allen blieb dieser Anblick erspart. Sie wurden diesmal nicht angegriffen, als sie das Ufer erreichten. Quares Kundschafter fanden ein paar alte Feuerstellen, doch sie sahen aus, als ob sie seit Jahren nicht mehr benutzt worden wären. Es war so schwierig, das Boot an Land zu bringen, ohne daß es gegen die Felsen geworfen wurde, daß vielleicht deshalb die Eingeborenen dieser Insel fernblieben, weil das Risiko für ihre gebrechlichen Kanus zu groß war.
Sie fanden einen Tümpel mit Süßwasser. Es stammte von einem Regenguß und reichte kaum aus, um Frazers
Kochtopf zu füllen. Aber einige Stücke ihres schwindenden Vorrats an Salzfleisch, ein paar Handvoll kleiner Austern, die Pyper zwischen den Felsen entdeckt hatte, und Schiffszwieback waren die Zutaten für ihre erste warme Mahlzeit, die Allday und Miller zubereiteten. Trockenes Holz war reichlich vorhanden, und mit Alldays Zunderbüchse und einem kleinen Vergrößerungsglas, das sie bei dem toten Evans gefunden hatten, gelang es schnell, ein Feuer zu entfachen.
Der kleine Waliser wurde auf einem Abhang unter ein paar
Bäumen begraben und der niedrige Grabhügel mit flachen
Steinen bedeckt. Es war eine seltsame Ruhestätte für den
Maler der Tempest, dachte Bolitho. Er saß mit dem Rücken an eine Palme gelehnt und schrieb gewissenhaft in ein kleines Notizbuch, das jetzt sein Logbuch war. Er fragte sich, wie er die Insel bezeichnen sollte, obwohl kaum jemand seine Aufzeichnungen lesen würde.
Viola lag im Schatten neben ihm und hatte sich das Gesicht mit ihrem Hut bedeckt.
«Nenne sie doch Evans-Insel, Richard.»
Er lächelte.»Ja. Schließlich ist er der einzige, der hierbleibt.»
Keens Stimme kam von den Felsen herüber, wo das Boot bewacht wurde.»Wir haben wieder Kanus gesichtet, Sir. «Bolitho schob das kleine Notizbuch unter sein Hemd.»Gut. Löscht das Feuer und ruft die Leute zusammen. Im Boot sind wir sicherer als hier.»
In grimmigem Schweigen ruderten sie von dem einzigen Ort fort, der sie freundlich empfangen hatte. Durch die warme Mahlzeit und die Ruhepause gestärkt, lenkten sie das Boot wieder nach Norden und überließen Evans seiner letzten
Ruhe.
Wie ein sterbender Wasserkäfer schwankte der Kutter mit teilweise eingezogenen, bewegungslosen Riemen auf der ungebrochenen Fläche der Wogen, die sich so weit erstreckte, wie das Auge reichte.
Bolitho dachte daran, etwas in sein kleines Buch einzutragen, aber er wußte, daß es ihm jedesmal schwerer fiel, sich auf die unnützen, leeren Worte zu konzentrieren.
Die Ruderer hingen über ihren Riemen, die Gesichter auf die Arme gepreßt, die anderen kauerten entweder an den Bordwänden und versuchten dort, Schatten oder Schlaf zu finden, oder schliefen wie Tote, wo sie saßen. Viola Raymond saß an seiner Seite etwas unterhalb von ihm. Sie trug seinen Uniformrock. Ihr zerrissenes, fleckiges Kleid hatte sie ausgezogen, um es im Meerwasser zu waschen. Als er auf sie hinunterblickte und ihr rotgoldenes Haar sah, das sie im Nacken zusammengebunden hatte, dachte er, daß sie ein Kapitän sein könnte.
Sie schien seinen Blick zu fühlen, denn sie streckte die Hand aus, um ihn zu berühren. Aber sie blickte nicht auf. Wie ihre Gefährten fand sie das blendende Licht zu unerträglich, zu kräfteverzehrend für den bescheidenen Rest Energie, den sie noch besaß.
«Wie lange willst du sie noch ausruhen lassen?«Ihre Stimme war gedämpft, aber es spielte jetzt keine Rolle mehr. Keine Augen belauerten sie, wenn sie zusammen waren, und wenn sie sich berührten oder an den Händen hielten, wurde das hingenommen. Sie war ein Teil der Stärke aller, wie sie ein Teil seiner Stärke war. Er kniff die Augen zusammen und schätzte den Sonnenstand.»Nicht mehr lange. Wir kommen jeden Tag weniger schnell vorwärts.»
Er wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Bei der Bewegung lief ihm der Schweiß über Brust und Oberschenkel. Es war vier qualvolle Tage her, seit sie die kleine Insel verlassen hatten, auf der Evans begraben lag: Tage und Nächte unerbittlicher, kräfteverzehrender Arbeit. Rudern und Wasserschöpfen. Versuchen, für ein paar Minuten Schlaf zu finden, und dann von neuem anfangen. Er dachte über ihre gegenwärtige Situation nach. Vor acht Tagen hatten sie die Pier verlassen. Es war nahezu unmöglich, an die quälenden Meilen, die sie langsam hinter sich gebracht hatten, auch nur zu denken. Ihr Wasservorrat war auf eine Gallone geschrumpft, falls es noch so viel war. Von dem Salzfleisch war noch knapp eine Handvoll steinharter Brocken vorhanden. Den größten Teil des Weins hatte er in kleinen Schlucken ausgegeben, und vor zwei
Tagen hatten sie das Glück gehabt, einen Tölpel zu erlegen. Wie schon vorher war der Vogel geteilt worden, und das Blut bekamen die, die am schlechtesten dran waren. Zu ihnen gehörte jetzt auch ein Matrose namens Robinson, der sowohl unter der Sonne als auch unter Durst sehr litt, und Penneck, dessen Speerwunde bedrohlich entzündet war. Der Kalfaterer des Schiffs war der einzige, der nur selten schwieg. Tag und Nacht stöhnte und schluchzte er, betastete den Verband um seinen Hals und verfiel gelegentlich in einen Zustand halber Bewußtlosigkeit, in dem er aber weiter stöhnte.
Bolitho verstärkte seinen Druck auf ihre Finger. Seine Augen schmerzten, und er dachte an ihren Mann und seine gefühllose Gleichgültigkeit, seine Weigerung, an irgend etwas anderes als sich selbst zu denken.»Wie fühlst du dich?«Er wartete, weil er wußte, daß sie sich ihre Antwort überlegte, und fügte hinzu:»Sei aber ehrlich. «Sie erwiderte den Druck seiner Hand.»Ganz erträglich, Cap-tain. «Sie beschattete ihre Augen und sah zu ihm auf.»Quäle dich nicht so. Wir werden ankommen. Du wirst es sehen.»
