Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik
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1795 — in der Biskaya: Kurz nach seiner Hochzeit mit Cheney mu? Richard Bolitho mit seiner «Hyperion» und einer noch unerprobten Mannschaft auslaufen, um die britische Blockade der Seeh?fe Frankreichs zu verst?rken. Ein grausames Verbrechen, dem Kapit?n Bolitho unt?tig zusehen mu?, macht ihn zum Todfeind des franz?sischen Admirals Lequiller; ?ber Tausende von Seemeilen jagt er ihn bis nach Westindien und wieder zur?ck in spanische Gew?sser, ehe er ihn endlich in der Biskaya stellen und in einem m?rderischen Seegefecht bezwingen kann.
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«Sie wollen also wissen, was ich von Ihrer Leistung halte, Mr. Inch?«Bolitho bemerkte Gossetts zur Maske erstarrtes Gesicht.»Gut: In Anbetracht der Tatsachen, daß nur die Hälfte der Toppsgasten sich in Todesangst an die Rahen geklammert hat und daß die Masten im Fünf-Minuten-Abstand fertig wurden, würde ich sagen, für den Anfang mag es hingehen. «Er runzelte die Stirn.»Können Sie dem zustimmen, Mr. Inch?»
Inch nickte ergeben.»Aye, Sir.»
Bolitho grinste.»Nun, das ist schon etwas, Mr. Inch.»
Gossett rief:»Klar zur Kursänderung, Sir.»
Die Landzunge und auch der größte Teil der Küste war bereits im grauen Dunst verschwunden; der Wind wehte so stetig wie zuvor, fegte die Schaumkronen von den Wellen und überschüttete das Luv-Schanzkleid mit Sprühwasser.
«Bringen Sie das Schiff einen Strich höher an den Wind, Mr. Gossett. In vier Stunden wollen wir abfallen und mit achterlichem Wind segeln. «Er sah Gossetts Gesicht und nickte gutgelaunt.»Wir werden bald wohl reffen müssen, aber ich nehme an, Sie wollen erst sehen, wie das Schiff unter Vollzeug läuft.»
Bolitho drehte sich zu Inch um.»Ich gehe in meine Kajüte. Ich bin sicher, daß Sie mich im Augenblick nicht brauchen, wie?«Er wendete sich ab und ging schnell auf die Kampanje zu, ehe sein Erster Offizier antworten konnte. Inch hatte den ersten Teil recht gut hinter sich gebracht, und es war nur fair, ihm in offenem Wasser freie Hand zu lassen, ohne daß sein Kommandant über jede seiner Maßnahmen und Entscheidungen wachte. Und Gossett würde schnell eingreifen, wenn sich etwas Ernsthaftes ereignen sollte.
Er bemerkte, daß einige unbeschäftigte Matrosen ihn beobachteten, als er sich unter der Kampanje bückte und schnell zu seiner Kajüte ging. Erste Eindrücke waren von entscheidender Bedeutung, und er mußte völlig unbesorgt erscheinen, obwohl er seine Ohren anstrengte, um auf das Knarren der Wanten und Stage zu lauschen, während das Schiff sich fast gegen den Wind seinen Weg durch die
Wogen bahnte. Gedämpft hörte er Tomlin bellen:»Nicht diese Hand! Deine rechte Hand, habe ich gesagt. Die, mit der du dir das Futter in den Mund stopfst!«Eine Pause.»Komm, laß es dir zeigen, du ungeschickter Tölpel!«Bolitho lächelte schief. Der arme Tom-lin, für ihn hatte es schon angefangen.
Für den Rest des Vormittags und weit bis in die Nachmittagswache hinein lief die Hyperion stetig in den Kanal hinaus, die Rahen durchgebogen von dem stürmischen Landwind, in dem sie stark krängte. Bolitho verbrachte mehr Zeit auf dem Achterdeck, als er zunächst beabsichtigt hatte, da eine kritische Situation nach der anderen ihn aus seiner Kabine rief. Inch war es gelungen, die Bramsegel zu setzen, und unter der hohen Pyramide der geblähten Segel lag das Schiff in einem fast ständig gleichbleibenden Winkel, so daß die Arbeit in den Masten den Männern auf der Leeseite noch gefährlicher erscheinen mußte als vorher. Von der schwindelerregenden Höhe aus gesehen, schien das Schiff geschrumpft zu sein, und unter ihnen befand sich nichts als die zornig schäumenden und Gischt sprühenden Bugwellen von dem stampfenden Rumpf. Ein Mann hatte sich an die Bramrahe des Vormastes geklammert und war nicht dazu zu bringen, sich von der Stelle zu rühren. Oder richtiger, er konnte es nicht, denn seine Todesangst war größer als die Furcht vor dem wütenden Bootsmannsmaaten, der vom Mast her fluchte und drohte und nur zu deutlich die Beschimpfungen seines ranggleichen Kameraden vom Hauptmast mitbekam, die der zum Entzücken seiner verwegen balancierende Toppsgasten über ihn ergoß.
Schließlich schickte Inch einen Midshipman nach oben, der schon mehrmals große Behendigkeit im Mast bewiesen hatte, um den unglücklichen Neuling herunterzuholen, und Bolitho kam gerade aus seiner Kabine, als die beiden, vor Erschöpfung keuchend, das Deck erreichten.
Leutnant Stepkyne brüllte wütend:»Dafür werde ich Sie auspeitschen lassen, Sie feiger Wicht!»
Bolitho rief:»Bringen Sie den Mann nach achtern. «Dann zu Inch:»Ich lasse nicht zu, daß ein Mann sinn- und zwecklos terrorisiert wird. Bestimmen Sie einen erfahrenen Mann, der sofort wieder mit ihm hinaufgeht.»
Als der Matrose unten an der Achterdecksleiter stand, fragte Bo-litho:»Wie heißen Sie?»
Mit heiserer Stimme antwortete der Mann:»Good, Sir.»
Stepkyne hatte ungeduldig an seinem Gürtel gezerrt und schnell eingeworfen:»Das ist ein Tölpel, Sir.»
Gelassen fuhr Bolitho fort:»Hören Sie zu, Good. Sie müssen sofort wieder hinauf in den Mast, verstehen Sie?»
Verstört sah der Mann zu der Rahe am Vormast hinauf. Sie war mehr als dreißig Meter über Deck.
Bolitho fuhr fort:»Es ist keine Schande, Angst zu haben, aber es ist gefährlich, sie zu zeigen. «Er beobachtete die widerstreitenden Gefühle auf dem Gesicht des Matrosen.»Und jetzt hinauf mit Ihnen.»
Der Mann ging, und Inch sagte bewundernd:»Also, das war wirklich was, Sir.»
Bolitho hatte sich abgewendet, als der verängstigte Matrose in die vibrierenden Wanten hinaufkletterte.»Man muß Menschen führen, Mr. Inch. Es zahlt sich niemals aus, sie zu quälen. «Und zu Stepkyne hatte er hinzugefügt:»Uns fehlen immer noch Leute, und wir brauchen jeden einsatzfähigen Mann, den wir finden können. Diesen Mann bis zur Bewußtlosigkeit auspeitschen zu lassen, wäre doch sinnlos. Meinen Sie nicht auch?«Stepkyne hatte die Hand an den Hut gelegt und war wieder nach vorn gegangen, um seine Leute zu überwachen. Zu Inch hatte Bolitho hinzugefügt:»Es gibt keinen leichten Weg, hat es nie gegeben.»
Um sechs Glasen war es wieder an der Zeit zu halsen, und die ganze Geschichte begann von neuem. Benommen und zerschrammt, mit blutenden Fingern und von der Anstrengung gezeichneten Gesichtern wurden die neuen Leute auf die Rahen hinaus geführt oder gezerrt, um Segel zu reffen, denn der Wind frischte mit jeder Minute mehr auf, und obwohl das Land nur zehn Meilen querab lag, war es in Dunst und Gischt verborgen.
Bolitho zwang sich, schweigend an Deck zu stehen, während er die krampfhaften Bemühungen beobachtete, mit denen seine Befehle befolgt wurden. Immer wieder mußte manchen der Leute gezeigt werden, was sie tun sollten, mußten ihnen Leinen und Brassen in die Hände gedrückt werden, während Tomlin und seine Gehilfen von einem Durcheinander zum nächsten hasteten.
Schließlich schien dann sogar Gossett zufrieden zu sein, und während sich die Matrosen an den Brassen abmühten, wendete die Hyperion den Bug nach Süden; der Wind fegte jetzt mit solcher Gewalt über das Achterdeck, daß zwei zusätzliche Rudergänger eingesetzt werden mußten.
Aber das Schiff schien es zu genießen; obwohl nur noch die Marssegel gesetzt waren, neigte es sich, stieß seinen Bug in weit ausholenden Stößen dem unsichtbaren Horizont entgegen, während Woge um Woge gegen seine bauchigen Flanken anlief und sich hoch über seinem schwankenden Deck in einem Schauer wirkungsloser Gischt brach.
Bolitho griff in das ausgespannte Netz und blickte nach achtern, obwohl er wußte, daß es dort nichts zu sehen gab. Doch irgendwo hinter ihnen lagen die rauhe Küste von Cornwall und sein Heimatort Falmouth, knapp zwanzig Meilen entfernt im Westen. Das große Haus unterhalb der massigen Pendennis Castle würde auf Cheneys Rückkehr warten. Auf die Geburt ihres ersten Kindes, das er nun lange Zeit nicht zu Gesicht bekommen würde.
Wieder zischte und dröhnte eine Woge über die Luvgangway, und er hörte Gossett murmeln:»Bald werden wir ein zweites Reff brauchen, meine ich.»
Pfeifen schrillten, als die Wache schließlich unter Deck entlassen wurde, und Bolitho sagte:»Halten Sie mich informiert. «Dann verließ er selbst das Deck.
Die große Achterkajüte wirkte warm und freundlich nach dem windgepeitschten Deck. Die Lampen schwangen im Takt hin und her und warfen fremdartige Schatten über die grünen Ledersessel und die Sitzbank unter den Heckfenstern, den alten, polierten Schreibtisch und den Tisch, die im Lampenlicht wie neue Kastanien schimmerten. Er stand vor den breiten Fenstern und starrte hinaus auf das wildbewegte Panorama hochgehender Wellen und gespenstischer Gebilde aus Gischt. Dann setzte er sich seufzend an den Schreibtisch und blickte auf den Stapel Papiere, den ihm sein Schreiber zur Durchsicht vorgelegt hatte. Doch diesmal empfand er einen Widerwillen dagegen, und der Gedanke beunruhigte ihn.