Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik
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1795 — in der Biskaya: Kurz nach seiner Hochzeit mit Cheney mu? Richard Bolitho mit seiner «Hyperion» und einer noch unerprobten Mannschaft auslaufen, um die britische Blockade der Seeh?fe Frankreichs zu verst?rken. Ein grausames Verbrechen, dem Kapit?n Bolitho unt?tig zusehen mu?, macht ihn zum Todfeind des franz?sischen Admirals Lequiller; ?ber Tausende von Seemeilen jagt er ihn bis nach Westindien und wieder zur?ck in spanische Gew?sser, ehe er ihn endlich in der Biskaya stellen und in einem m?rderischen Seegefecht bezwingen kann.
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Bolitho blickte auf.»Und die Schaluppen, Sir?«Wieder ein angedeutetes Kopfschütteln von Kapitän Winstanley, aber Bolithos Ärger über Pelham-Martins unbekümmertes Beiseiteschieben seiner Gedanken ließ ihn jede Vorsicht vergessen.
«Die Schaluppen?«Pelham-Martin nickte ernst.»Sie haben Ihre Berichte in der Tat gelesen, Bolitho. «Das Lächeln verschwand.»Ich habe sie nach Vigo geschickt, um — nun — um zusätzliche Vorräte zu holen.»
Bolitho blickte beiseite. Das war unglaublich! Vigo an der Nordwestküste Spaniens lag über vierhundert Meilen entfernt. Von der Gironde-Mündung noch weiter entfernt als selbst Plymouth!
Die Hand des Kommodore begann, einen lautlosen Wirbel auf der Tischkante zu schlagen. Wie zwei glatte rosa Krabben. Er fragte ruhig:»Sie scheinen das zu mißbilligen?»
Bolithos Stimme blieb beherrscht.»Die Fregatte Ithuriel steht ganz allein zu dicht unter Land, Sir. Und die beiden anderen Fregatten sind zu weit entfernt im Süden, um sie zu unterstützen, wenn sie angegriffen wird.»
Pelham-Martin musterte ihn ein paar Sekunden.»Der Kommandant der Ithuriel hat Befehl, meinen Befehl, verstehen Sie, zum Geschwader zurückzukehren, sobald er Anzeichen feindlicher Aktivität wahrnimmt. «Ein leichtes Lächeln erschien wieder.»Soviel ich weiß, sind Sie Kommandant einer Fregatte gewesen. Sicher werden Sie dem Kommandanten der Ithuriel die Möglichkeit nicht streitig machen wollen, zu beweisen, was er wert ist, oder?»
Bolitho entgegnete nüchtern:»Er hätte überhaupt keine Chance,
Sir.»
Kapitän Winstanley regte sich in seinem Sessel.»Was Captain Bolitho sagen will, ist.»
Pelham-Martin hob eine Hand.»Ich weiß, was er sagen will, Winstanley! Für ihn ist Blockadedienst nichts, meine Güte, nein, er will geradewegs auf die Küste lossegeln, um irgendein erbärmliches Schiff aufzubringen. Wegen des Prisengeldes, zweifellos.»
«Nein, Sir!«Bolitho packte die Armlehnen seines Sessels. Er hatte einen schlechten Anfang gemacht. Seine Sorgen wegen Inch und Stepkyne, sein beinahe erfolgter Sturz ins Wasser unter den Augen des Geschwaders hatten seine normale Zurückhaltung im Umgang mit Vorgesetzten beeinträchtigt.»Aber ich glaube, so lange wir nicht genau wissen, gegen wen und was sich unsere Blockade richtet, können wir niemals Schritte gegen irgendeine List unternehmen, zu der die Franzosen greifen.»
Der Kommodore fixierte ihn.»Meine Befehle lauten, in diesem Gebiet zu kreuzen und es zu überwachen. Und genau das tue ich. Also wirklich, Bolitho, ich weiß nicht, was Ihnen an Bord des Flaggschiffs von Vizeadmiral Cavendish gesagt wurde, aber ich kann Ihnen versichern, daß wir uns der Aufgabe, die uns hier anvertraut wurde, wohl bewußt sind.»
«Ich war nicht an Bord des Flaggschiffs, Sir. «Bolitho bemerkte das kurze Aufflackern der Überraschung in den Augen des Kommodore, ehe der Vorhang wieder fiel. Ruhig fügte er hinzu:»Meine
Befehle wurden mir an Bord geschickt. «Das war eine Lüge, aber nur eine halbe.
Doch die Wirkung zeigte sich augenblicklich, und sie war mehr als überraschend. Pelham-Martin zog eine goldene Uhr aus der Tasche seiner eng anliegenden Weste und sagte:»Tun Sie mir den Gefallen und gehen Sie an Deck, Winstanley. Vergewissern Sie sich, daß alle meine Depeschen zur Vectis hinübergeschickt worden sind, ehe sie das Geschwader verlassen hat, ja?«Sobald sich die Tür hinter dem Flaggkapitän geschlossen hatte, fuhr er ruhig fort:»Es tut mir leid, wenn es den Eindruck machte, daß ich nicht gewillt wäre, mir Ihre Einschätzung unserer Situation anzuhören, Bolitho. «Er lächelte und nahm eine Karaffe aus dem silbernen Weinbehälter.»Ein Schluck Brandy? Ich habe ihn vor einer Woche einem französischen Küstenfahrer abgenommen. «Er wartete nicht auf Antwort, sondern schenkte freigiebig in Gläser ein, die verborgen unter der Tischplatte gestanden hatten.»Tatsache ist, daß ich nicht immer mit Sir Manley einer Meinung bin, verstehen Sie?«Er beobachtete Bolitho über den Rand seines Glases hinweg.»Es ist eine Familienangelegenheit, inzwischen eine tiefwurzelnde Auseinandersetzung von einigem Gewicht. «Er schwenkte sein Glas.»Auch in Ihrer Familie nichts Unbekanntes, glaube ich.»
Bolitho spürte den Brandy auf seinen Lippen brennen. Es schien, daß die Erinnerung an seinen Bruder, die Schande für den Namen seiner Familie, niemals in Vergessenheit geraten sollte. Jetzt benutzte Pelham-Martin sie zum Vergleich mit einer dummen Fehde, welche die Feigheit seines eigenen Bruders ausgelöst hatte. Oder was es sonst gewesen sein mochte, was den Oberst veranlaßt hatte, sich zu ergeben, ohne erst die Schiffe zu warnen, die gekommen waren, um ihn und seine Soldaten zu retten.
Der Kommodore nickte ernst.»Selbstverständlich hat mein Bruder sein Land nicht im Stich gelassen, aber das Endergebnis war das gleiche. Er versuchte, seine Leute vor einem sinnlosen Tod zu bewahren. «Er seufzte tief auf.»Aber die Geschichte urteilt nur über Ergebnisse, nicht über Absichten.»
Bolitho erwiderte nüchtern:»Ich bin sicher, daß weder der Vizeadmiral noch Sie deswegen den Einsatz der Flotte gefährden würden.»
«Ganz richtig. «Pelham-Martin lächelte wieder.»Aber als sein
Untergebener muß ich doppelt vorsichtig sein, verstehen Sie?«Sein Ton wurde härter.»Und deshalb befolge ich meine Befehle, sonst nichts. «Er machte eine Pause, ehe er hinzufügte:»Und das werden auch Sie tun.»
Das Gespräch war zu Ende, doch als Bolitho aufstand, sagte Pelham-Martin leichthin:»Auf jeden Fall wird dieser langweilige Dienst Ihnen reichlich Gelegenheit geben, Ihre Leute zu drillen, damit sie in Form kommen. «Er schüttelte den Kopf.»Die Seemannschaft war, um es höflich zu sagen, wirklich sehr kümmerlich.»
Bolitho verließ die Kabine und atmete draußen sehr langsam aus. So sollte es also werden: nach außen hin alles vollkommen in Ordnung, aber sobald es um Initiative und Feindberührung ging, sollten ihnen die Hände fest gebunden sein.
Auf dem Achterdeck empfing ihn Winstanley mit einem erleichterten Lächeln.»Es tut mir leid wegen der Warnung, Bolitho. Ich hätte es Ihnen früher sagen sollen. Der Kommodore hat es gern, wenn seine Offiziere einen in der Krone haben, ehe er seine Gespräche mit ihnen beginnt. Eine häßliche Gewohnheit, die mehr als einem eine schnelle Heimreise eingebracht hat. «Er grinste.»Mir natürlich nicht. Er braucht einen alten Fuchs, der ihm sein Schiff führt. «Er packte Bolithos Arm.»Genau wie er Sie noch brauchen wird, ehe wir hier fertig sind, mein Freund.»
Bolitho lächelte.»Leider brauche ich nicht erst etwas zu trinken, um ihn zu reizen.»
Winstanley folgte ihm zur Achterdecksreling, und gemeinsam blickten sie zur Hyperion hinüber, die in der steilen Dünung stark rollte.
Winstanley sagte:»Ich stimme mit Ihnen in allem überein, was Sie über die Fregatten gesagt haben. Ich habe ihm meine Ansicht wiederholt dargelegt, aber er glaubt immer noch, daß die wirkliche Bedrohung aus dem Süden kommt. «Er schüttelte den Kopf.»Wenn er sich irrt, wird er es mit mehr zu tun bekommen als nur einem wütenden Admiral. «Grimmig fügte er hinzu:»Und das gilt auch für uns.»
Der Wind hatte während der Unterredung nachgelassen, und Bo-litho hatte kaum Schwierigkeiten, in sein Boot zu steigen. Während der Rückfahrt zu seinem Schiff dachte Bolitho über jedes Wort nach, daß Pelham-Martin gesagt hatte, und auch über das, was er nicht ausgesprochen hatte.
Als er durch die Schanzpforte kletterte, fand er Inch vor, der auf ihn wartete; überrascht stellte er fest, daß seine Überlegungen über die Strategie des Kommodore das kleine Drama zwischen Inch und Stepkyne aus seinen Gedanken völlig verdrängt hatte.
Knapp sagte er:»Lassen Sie das Boot einsetzen, und machen Sie das Schiff klar zur Fahrtaufnahme, Mr. Inch. «Er schnallte seinen Säbel ab und reichte ihn Petch, seinem Diener. Gedämpft fügte er hinzu:»Ich würde Ihnen empfehlen, auf dem Oberdeck selbst die Runde zu machen, wenn Sie dazu Zeit haben. «Er hielt Inchs Blick fest.»Es ist besser, sich gleich zu überzeugen, als sich später zu entschuldigen.»