Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta
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1803 — im Mittelmeer. Mit seiner Unerschrockenheit schafft sich Vizeadmiral Richard Bolitho viele Feinde: den Kapit?n des Australienfahrers, von dem er eine mi?handelte Gefangene entf?hrt; den franz?sischen Admiral, der den Seekrieg zu einer privaten Vendetta macht; und seinen besten Freund, der in Malta ?ber ihn richten soll. Dazu kommt noch eine schwere Verwundung, die er geheimhalten mu?… Das sind dunkle Wolken ?ber Bolithos Kurs, und zum ersten Mal denkt er an Kapitulation. Bis ihm sein Neffe Adam in der letzten gro?en Schlacht ein ersch?tterndes Beispiel an Mut und Opferbereitschaft gibt.
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Er fragt sich, ob ich genug vom Land habe, dachte Bolitho.»Und ein recht kleines Geschwader wird es werden, Val«, sagte er.»Vier Linienschiffe, die Fregatte Barracouta und die kleine Brigg Rapid.»
Keen grinste.»Nicht zu vergessen die Supreme, Sir.»
Bolitho lächelte wehmütig.»Kaum mehr als ein Kutter, zu dem der grandiose Name schlecht paßt. «Er nahm die drei anderen Linienschiffe in Augenschein. Nur einen Bekannten hatte er auf ihnen: Kapitän Francis Inch. Er fuhr herum, und seine Stimme klang beschwörend.»Was ist aus uns geworden, Val? Wissen Sie noch, wir >Happy Few
«Daran denke ich oft«, meinte Keen.»Wir >wenigen Auserwählten<. «Bolithos Stimmung beunruhigte ihn. Den Grund hatte er zumindest teilweise erfahren: Bolithos schöne Frau sah seine Karriere in Gefahr, obwohl für die meisten Seeleute ein Vizeadmiral, ob adlig oder nicht, gleich nach dem Allmächtigen kam. Belinda wollte, daß er Fal-mouth verließ, um sich in London, wo er bemerkt und befördert werden würde, ein prächtiges Haus zu kaufen.
Aber Falmouth verlassen? Keen war schon zu Bolithos Hochzeit dort gewesen und kannte das Haus unterhalb von Pendennis Castle besser als die meisten anderen. Die Bo-lithos hatten immer dort gewohnt; es gehörte zu ihnen wie die See.
Bolitho schaute hinüber zu seiner einzige Fregatte Barra-couta. Lapish, ihr junger Kommandant, war erst vor drei Jahren aufgerückt und bisher noch nicht zum Vollkapitän ernannt worden. Der Anblick der verankerten Fregatte, deren Rahen und Decks vor Matrosen wimmelten, weckte in ihm die Erinnerung an den Augenblick, als er zum ersten Mal scharfe Worte an Belinda gerichtet hatte. Von Nelson hatte sie gesprochen, was praktisch jeder in London tat, aber nicht von seinem Mut und seinen Siegen, sondern von seiner unerhörten und unakzeptablen Affäre mit» dieser Frau».
«Du bist ranggleich mit Nelson«, hatte Belinda gesagt.»Aber ihm gibt man eine Flotte und dir nur ein Geschwader!»
«Eine Flotte bekommt man nicht durch Günstlingswirtschaft!«hatte Bolitho versetzt.
Seltsamerweise standen Nelson trotz seines Ruhms und seiner Stellung nur zwei Fregatten zur Verfügung. Der kleine Admiral hatte seine Flagge auf der alten, geachteten Victory gesetzt und war ins Mittelmeer gesegelt, um die Franzosen in Toulon zu blockieren, damit sie dort ebenso eingeschlossen blieben wie in ihren Häfen am Ärmelkanal und Atlantik.
Belinda war bei seinem scharfen Ton zurückgewichen. Sie hatten einander angestarrt wie Fremde.
«Ich rede und handle so, weil du mir wichtig bist«, hatte sie leise geantwortet.
«Weil du meinst, daß du es besser weißt als ich!«hatte er erwidert.»Wir sind hier zu Hause, nicht in London!»
Nun, da er die Schiffe betrachtete und an die Toten dachte, die er gekannt hatte, fragte er sich, was ihn in Wirklichkeit so aufgebracht hatte, daß er zu früh an Bord gegangen war.
«So viele Männer, manche kaum mehr als kleine Jungen«, sagte er leise.»Farquhar, Keverne, Veitch. «Er wandte den Blick ab.»Erinnern Sie sich noch an den kleinen Neale? Und die anderen — wo sind sie? Tot, verstümmelt, oder sie fristen ihr Leben in pockenverseuchten Spitälern. Und wofür?»
Keen hatte ihn noch nie so erlebt.»Damit wir die Franzmänner besiegen, Sir.»
Bolitho packte ihn am Arm.»Gewiß! Aber noch viele gute Männer werden für die Selbstgefälligkeit und Dummheit anderer bezahlen müssen. «Er bezähmte sich und sagte gelassener:»Ich gehe jetzt meine Depeschen lesen. Speisen Sie heute abend mit mir, Val.»
Keen tippte bestätigend an seinen Hut und sah Bolitho nach. Als sein Blick dabei auf Stayt fiel, den neuen Flaggleutnant, fragte er sich, wie dieser wohl Bolithos Neffen oder den früheren Adjutanten Browne ersetzen würde.
Keen schritt zur Querreling und stützte sich darauf. Bald würde das Schiff wieder lebendig sein, ein gutfunktionierendes Wesen, angetrieben von seinen drei Segelpyramiden. Er schaute auf zu Bolithos Flagge am Vormast. Unter keinem Mann diente er lieber, keinen respektierte, verehrte er mehr. Jeden Tag, seit er als Midshipman Bolithos Schiff betreten hatte, war seine Zuneigung gewachsen. Trotz Tod und Gefahr in der Südsee, wo Bolitho beinahe dem Fieber erlegen war, hatte er noch die Kraft gefunden, ihn über seinen Verlust hinwegzutrösten. Keen dachte an die liebliche Malua, die dieses Fieber nicht überlebt hatte. Anders als die meisten Seeoffiziere war er danach unverheiratet geblie — ben, hatte ihren Tod nie ganz verschmerzt.
Er musterte sein Schiff und war mit dem, was in so kurzer Zeit erreicht worden war, recht zufrieden. Wieder entsann er sich der pausenlosen Breitseiten, des Gemetzels auf und unter Deck während ihres letzten Gefechts. Er berührte seine linke Schulter, wo ihn ein Splitter getroffen und zu Boden geschleudert hatte. Manchmal schmerzte die Stelle noch. Doch er lebte, das war entscheidend. Er sah auf zu den Männern hoch über Deck, die mit Spleißen und anderen Arbeiten beschäftigt waren.
Zu seinem Glück hatte er einige der älteren, erfahrenen Männer von Achates behalten: Big Harry Rooke, den Bootsmann; den Zimmermann Grace, der bei der Reparatur in Plymouth Gold wert gewesen war. Selbst Black Joe Lantry, der furchteinflößende Schiffsprofos, war auf die Argonaute gekommen. Doch fehlten noch Matrosen. Keen rieb sich das Kinn, wie Bolitho es tat, wenn er über ein Problem nachsann. Der Hafenadmiral und ein Amtsrichter taten ihr Bestes, aber Keen wollte erstklassige Seeleute, keine Verbrecher. Bei diesem Gedanken schaute er hinüber zu den beiden Truppentransportern, die Sträflinge in die neue Kolonie Australien bringen sollten. War das die rechte Art, ein Territorium zu bevölkern?
Paget, der Erste Offizier, kam übers Deck und grüßte.»Bitte um Genehmigung, die Männer während der Nachmittagswache an der unteren Batterie üben zu lassen.»
Keen sah ihn nach achtern zur Poop schielen und lächelte.»Keine Angst, Mr. Paget, unser Admiral weiß ordentliche Schießkunst sehr zu schätzen. Und ich auch.»
Paget entfernte sich. Ein guter Offizier und etwas älter als die anderen, hatte er während des Friedens von Amiens bei der Handelsmarine gedient. Eigentlich stand ihm nun ein Kommando zu, wenn auch nur ein kleines Schiff. Der neue Kommandant der kleinen Supreme, Hallowes, war bis vor dem Gefecht Keens Vierter Offizier gewesen. Keen sah sie noch vor sich: Adam Bolitho und Hallowes bei ihrer tollkühnen Attacke über das Heck der Argonaute. Mit einer Handvoll Männer hatten sie Sprengladungen am Großmast angebracht und ihn gefällt. Der Feind hatte fast sofort die Flagge gestrichen. Warum also nicht auch Paget? Sein Zeugnis war gut, und er schien ihm tüchtig genug.
Keen begann mit gesenktem Kopf auf- und abzugehen, vergaß für den Augenblick das Rasseln der Flaschenzüge und die heiseren Rufe seiner Decksoffiziere, die das Einnehmen von Proviant beaufsichtigten. Fest stand nur, dachte er, daß dies ein härterer Krieg werden würde. Das Gefühl, nach einem so kurzen Frieden betrogen, ja verraten worden zu sein, mußte Jähzorn wecken.
Er freute sich auf das Wiedersehen mit Inch, der bei Bolithos Anblick über sein ganzes langes Pferdegesicht strahlen würde. Ernüchternd war der Gedanke, daß Inch und er die einzigen Vollkapitäne des ganzen Geschwaders waren. Inchs Zweidecker Helicon mußte nun jeden Augenblick von der Nore hier eintreffen. Danach ging es unter neuer Order hinaus auf See, wo jedes gesichtete Schiff wahrscheinlich ein Feind war. Nach Gibraltar zuerst — und dann?
Während Keen gedankenversunken an Deck auf- und abging, machte Bolitho sich mit seinem noch fremden Quartier vertraut. Der alte Degen hing an seinem Halter über der prächtigen neuen Waffe, für die in Falmouth gesammelt worden war. Er konnte sich noch deutlich an den Tag erinnern, als ihm sein Vater die alte Klinge im grauen Haus der Bolithos geschenkt hatte. Die Schande seines älteren Bruders Hugh, der zu den aufständischen amerikanischen Kolonisten desertiert war, hatte der Alte nie verwunden. Eigentlich hätte Hugh den Degen bekommen sollen. Nun würde Adam ihn eines Tages tragen.