Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio
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Richard Bolitho ist Leutnant geworden und l?uft 1774 als Dritter Offizier auf der Fregatte 'Destiny' nach Rio de Janeiro aus. Ihr Auftrag ist die Suche nach einem verschwundenen Goldtransporter, denn die Admiralit?t in London bef?rchtet, da? mit diesem Gold der Aufstand in den jungen amerikanischen Kolonien unterst?tzt wird. Am schweren Borddienst unter einem harten Kommandanten, am j?hen Tod guter Freunde, aber auch an einer ersten Liebe reift Richard Bolitho zu dem Mann heran, der den sp?teren Seehelden schon ahnen l??t. Dieser Roman steht chronologisch an vierter Stelle der inzwischen auf dreiundzwanzig Titel angewachsenen marinehistorischen Romanserie um den Seehelden Richard Bolitho.
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Bolitho überlief ein neuer Schauer, als er an seine erste Begegnung mit dem Kommandanten dachte:»Loyalität für mich, das Schiff und seine Britannische Majestät, in dieser Reihenfolge.»
Die Destiny hob ihren bebenden Klüverbaum wie eine Lanze und schien einen Augenblick bewegungslos über dem nächsten Wellental zu schweben, bevor sie hinabfiel und mit ihrem Bug den nächsten Wasserberg teilte, wodurch eine Flut von Gischt über der Back zusammenschlug.
Aus dem Augenwinkel sah Bolitho, daß etwas von oben herunterfiel. Es schlug an Deck auf und explodierte mit lautem Knall.
Rhodes duckte sich, als eine Kugel gefährlich nahe an seinem Gesicht vorbeipfiff. Er schnappte nach Luft.»Da hat doch so ein verdammter Ochse seine Muskete fallen lassen!»
Erschreckte Stimmen und wilde Flüche klangen vom Batteriedeck hoch, und Leutnant Colpoys rannte zum Hüttenaufgang, um sich den Sünder zu kaufen.
Das alles ereignete sich in schneller Folge. Die Explosion lenkte die Aufmerksamkeit der Offiziere und Seeleute nur wenige Augenblicke ab, während sich die Destiny unbeirrt den nächsten Wellenbergen entgegenwarf.
Palliser sagte ärgerlich:»Ruhe da, verdammt noch mal!»
Bolitho wandte sich um und erstarrte, als aus der Finsternis, vor dem Winde herlaufend, das andere Schiff auftauchte, und zwar nicht in sicherem Abstand an Steuerbord, sondern ganz nahe an Backbord, wie ein Phantom über ihrer Reling.
«Ruder hart Steuerbord!«Dumaresqs mächtige Stimme brachte die verschreckten Leute wieder zu Besinnung.»An die Schoten, Halsen und Brassen! Soldaten auf dem Achterdeck — Achtung!»
Sich aufbäumend und wieder tief eintauchend, mit donnernd schlagenden Segeln, drehte die Destiny von dem auf sie zukommenden Schiff weg. Geschützbedienungen, die noch vor wenigen Minuten ihre Waffen für das bevorstehende Gefecht klariert hatten, stürzten nach der ersten Überraschung auf die andere Seite, um ihren Kameraden zu helfen, deren Zwölfpfünder noch festgezurrt hinter dichtverschlossenen Stückpforten standen.
Ein Brecher ergoß sich über das Achterdeck und durchnäßte alle dort Stehenden bis auf die Haut. Die Ordnung war jedoch schnell wiederhergestellt, und Bolitho sah Matrosen, die sich so stark in die Brassen legten, daß sie mit ihren Rücken fast das Deck berührten.
Er brüllte:»Achtung, Leute!«, und griff nach seinem Säbel, während Rhodes und seine Midshipmen zum Vorschiff rannten.»Sie steuern direkt auf uns zu!»
Ein Schuß warf sein Echo über das Getöse von See und Wind, doch ob er versehentlich oder gezielt abgefeuert worden war, interessierte Bolitho jetzt nicht.
Er spürte Jury an seiner Seite.
«Was sollen wir tun, Sir?»
Es klang verängstigt. Mit gutem Recht, dachte Bolitho. Merrett hatte sich an die Netze geklammert, als wolle er sie nie wieder loslassen. Bolitho kostete es große Anstrengung, seine jagenden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. Er mußte handeln. Niemand war da, der ihm Ratschläge oder Befehle gab. Jedermann auf dem Achterdeck war voll von seinen eigenen Aufgaben in Anspruch genommen.
Er brachte es fertig zu sagen:»Bleiben Sie bei mir!«Dann rief er einem vorbeirennenden Mann zu:»Sie da, holen Sie die Leute von der Steuerbord-Batterie nach oben, wir müssen Enterer zurückschlagen!»
Während Männer fluchend und schreiend in alle Richtungen rannten, hörte Bolitho die Stimme Dumaresqs. Er stand auf der entgegengesetzten Seite des Achterdecks, aber es hörte sich an, als spräche er direkt an Bolithos Ohr.
«Klar zum Entern, Mr. Bolitho!«Er wandte sich um, als Palliser weitere Leute an die Fallen, Geitaue und Gordings schickte, um durch Abdrehen die Gewalt des Zusammenstoßes zu mildern.»Er darf uns nicht entwischen!»
Bolitho starrte ihn entschlossen an.»Aye, Sir!«Er war gerade dabei, seinen Säbel zu ziehen, als das andere Schiff mit einem splitternden Dröhnen breitseits gegen ihre Bordwand stieß. Wenn Dumaresq nicht so schnell gehandelt hätte, wäre es mit dem Bug in sie hineingefahren und hätte sie wie mit einer gewaltigen Axt in zwe i Teile gespalten.
Schreie verwandelten sich in Hilferufe, als eine wild durcheinandergeratene Masse von Tauwerk und gebrochenen Spieren auf Deck und zwischen die beiden Schiffsrümpfe prasselte. Männer wurden von den Füßen gerissen, als die See die Schiffe anhob und noch einmal ge-geneinanderwarf, wobei ein weiteres Gewirr von Takelagenteilen und Blöcken von oben kam. Einige Männer lagen darunter, aber Bolitho zog Jury am Arm und schrie:»Komm mit!«Er schwang seinen Säbel und schaute krampfhaft nicht auf das Wasser nieder, das zwischen den beiden Schiffen hochbrodelte. Ein Fehltritt, und alles war vorbei. Er sah Little ein Enterbeil schwingen und Stockdale, der sein Entermesser wie einen Dolch vor die breite Brust hielt.
Bolitho biß die Zähne zusammen und machte einen Satz in die Wanten des anderen Schiffes. Seine Füße traten ins Leere, als sie nach einem Halt suchten. Sein Säbel war seiner Hand, die ein Stag gefaßt hatte, entglitten und schaukelte am Riemen bedrohlich von seinem Handgelenk, während er keuchend um Halt kämpfte. Andere Männer, die ebenfalls den Sprung gewagt hatten, tauchten neben ihm auf, doch einer hatte es nicht geschafft und war zwischen die beiden Schiffsrümpfe gefallen. Es würgte Bolitho im Hals, als der Schrei des Mannes plötzlich abbrach wie eine Tür, die zugeschlagen wurde.
Als er auf das fremde Deck hinuntersprang, hörte er andere Stimmen und sah vage Gestalten sich durch heruntergefallene Takelage arbeiten, während achtern eine Pistole knallte.
Er griff nach seinem Säbel und schrie:»Werft die Waffen weg! Im Namen des Königs!»
Das wilde Geschrei, das seiner kläglichen Aufforderung folgte, war fast schlimmer als die Gefahr, in der er sich befand. Vielleicht hatte er geglaubt, Spanier oder Franzosen vor sich zu haben. Aber die Stimmen, die seinem hocherhobenen Säbel entgegenbrüllten, waren so englisch wie seine eigene.
Eine Stenge fiel krachend aufs Deck, zerschmetterte eine der Gestalten zu Brei und trennte die Gegner einen Augenblick. Mit einem letzten Zittern lösten sich die beiden Schiffe voneinander. In diesem Augenblick, als eine Säbelklinge aus dem Dunkel auf ihn zustieß, erkannte Bolitho, daß die Destiny fort war und er nun um sein Leben kämpfen mußte.
V Klinge gegen Klinge
Das kleine Enterkommando der Destiny rückte, sich gegenseitig im Dunkeln rufend und Flüche mit den Gegnern tauschend, von allen Seiten zusammen. Dabei wurde das Deck ständig von Brechern überspült und jede Bewegung durch herabgefallene Takelageteile und wild durcheinanderliegendes Tauwerk erschwert. Auch hingen Wrackteile über die Bordwand ins Wasser und zogen das Schiff wie Seeanker in die Wellentäler hinab.
Bolitho hieb nach irgendeinem Gegenüber, wobei seine Klinge auf harten Stahl traf, während er gleichzeitig einen anderen Angriff abwehrte. Bolitho war ein guter Fechter, aber sein leichter Marinesäbel war eine ärmliche Waffe gegen ein hartgeschmiedetes Enterbeil. Um ihn herum brüllten und keuchten ineinanderverschlungene Männer, die sich mit Dolchen, Entermessern oder anderen Waffen fanatisch bekämpften.
Little schrie:»Nach achtern, Männer, nach achtern!«Er bahnte sich einen Weg durch das trümmerübersäte Deck, schlug im Lauf einen Gegner mit seinem Enterbeil nieder und zog die Hälfte seiner Leute hinter sich her.
In Bolithos Nähe rutschte ein Mann aus und rollte sich im Fallen herum, um sein Gesicht vor dem Mann, der mit erhobenem Entermesser über ihm stand, zu schützen. Bolitho hörte das Sausen des Stahls und den ekelerregenden, dumpfen Ton, mit dem er Knochen spaltete. Als er sich umwandte, sah er, daß es Stockdale war, der die Klinge seines langen Entermessers herausriß und den toten Gegner ohne Umstände über Bord stieß.
Es war ein wildes Durcheinander, ein entfesselter Alptraum fern aller Wirklichkeit. Bolitho wehrte einen weiteren Gegner ab, der sich wie ein Kletteraffe an einem Stag hatte heruntergleiten lassen. Er duckte sich, als er den Mann über seinem Kopf spürte, und hörte ihn ausatmen, als er seinen Schwung abbremste. Bolitho stieß ihm den Griff seines Säbels in die Magengrube, und als er sich wegduckte, schlug er ihm den Säbel mit aller Kraft über den Nacken. Dabei fühlte er einen Schmerz im Arm, als ob er selber niedergehauen worden wäre.