The Stand. Das letze Gefecht
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Kurzbeschreibung
In einem entv?lkerten Amerika versucht eine Handvoll ?berlebender, die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mytische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, die Verk?rperung des absolut B?sen. In der W?ste von Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit. "The Stand", Stephen Kings Vision vom letzten Gefecht zwischen Gut und B?se, war bislang nur in einer stark gek?rzten Version zug?nglich.Die hier ver?ffentlichte Urfassung zeigt die Gr??e seines apokalyptischen Entwurfs.Manche nennen diesen Roman sein Meisterwerk!
Autorenportrait
Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren. Er war zun?chst als Englischlehrer t?tig, bevor ihm 1973 mit seinem ersten Roman 'Carrie' der Durchbruch gelang. Seither hat er mehr als 30 Romane geschrieben und ?ber 100 Kurzgeschichten verfasst und gilt als einer der erfolgreichsten Schriftsteller weltweit.
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Randall Flagg, der dunkle Mann, ging auf der US 51 nach Süden und lauschte den nächtlichen Geräuschen, die von beiden Seiten dieser schmalen Straße, die ihn früher oder später aus Idaho hinaus nach Nevada führen würde, auf ihn eindrangen. Von Nevada aus konnte er dann gehen, wohin er wollte. Von New Orleans nach Nogales, von Portland, Oregon, nach Portland, Maine; es war sein Land, und niemand kannte es besser und liebte es mehr als er. Er wußte, wohin die Straßen führten, und wanderte nachts. Jetzt, eine Stunde vor Tagesanbruch, war er irgendwo zwischen Grasmere und Riddle, westlich von Twin Falls und immer noch nördlich der Duck Valley Reservation, die sich über zwei Staaten erstreckt. War es nicht herrlich?
Er ging rasch, seine abgelaufenen Absätze klopften auf dem Straßenbelag, und wenn am Horizont Autoscheinwerfer auftauchten, zog er sich immer zurück, über die weiche Böschung ins hohe Gras, wo die Nachtinsekten zu Hause waren... und das Auto fuhr an ihm vorbei; der Fahrer spürte vielleicht einen kalten Hauch, als wäre er durch ein Luftloch gefahren, und seine schlafende Frau und die Kinder bewegten sich unruhig, als habe ein böser Traum sie alle gleichzeitig berührt.
Er ging nach Süden, nach Süden auf der US 51; die abgelaufenen Absätze seiner spitzen Cowboystiefel klopften auf das Pflaster: ein großer Mann unbestimmten Alters in verblichenen Nietenjeans und einer Jacke aus grobem Baumwollstoff. In seinen Taschen steckten fünfzig verschiedene Exemplare gegensätzlicher Literatur, Flugschriften für jede Gelegenheit, Rhetorik für jeden Anlaß. Wenn dieser Mann einem ein Traktat reichte, nahm man es, ganz gleich, um welches Thema es sich dabei handelte: Die Gefahren von Atomkraftwerken, die Rolle der internationalen jüdischen Verschwörung beim Sturz befreundeter Regierungen, die CIA Contra-Kokain -Connection, die Farmarbeitergewerkschaft, die Zeugen Jehovas ( Wenn Sie diese zehn Fragen mit »ja« beantworten können, ist Ihre Seele G E R E T T E T !), die Blacks for Militant Equality, der Kodex des Klan. Er hatte sie alle, und noch mehr dazu. Auf jeder Seite der Jacke trug er einen Button. Auf der rechten ein gelbes lächelndes Gesicht. Auf der linken ein Schwein mit einer Polizeimütze. Darunter stand mit bluttriefender Schrift: HEUTE SCHWEIN - MORGEN SCHINKEN.
Er bewegte sich weiter, ohne stehenzubleiben, ohne langsamer zu werden, aber empfänglich für die Geräusche der Nacht. Die Möglichkeiten der Nacht ließen seine Augen wie im Wahn glänzen. Er trug einen alten, schäbigen Pfadfinder-Rucksack auf dem Rücken. In seinem Gesicht lag düstere Ausgelassenheit, und vielleicht auch in seinem Herzen. Es war das Gesicht eines haßerfüllt glücklichen Menschen, ein Gesicht, das eine entsetzliche, angenehme Wärme ausstrahlte, ein Gesicht, das Wassergläser in den Händen müder Truck-Stop-Kellnerinnen zerplatzen ließ, das kleine Kinder dazu veranlaßte, mit ihren Dreirädern in Bretterzäune zu fahren, um dann mit Splittern in den Knien jammernd zu ihren Müttern zu laufen. Es war ein Gesicht, das garantiert jede harmlose Biertischdiskussion über Sportergebnisse in eine blutige Schlägerei verwandelt hätte.
Er ging nach Süden, irgendwo auf der 51 zwischen Grasmere und Riddle, jetzt näher an Nevada. Bald würde er sein Lager aufschlagen, den Tag über schlafen und aufwachen, wenn sich der Abend herabsenkte. Während sein Abendessen auf dem rauchlosen Lagerfeuer kochte, würde er lesen, ganz gleich, was; Worte aus einem zerfledderten Porno ohne Umschlag, oder vielleicht Mein Kampfoder einen Comic von R. Crumb, vielleicht auch aus einer reaktionären Zeitung der America Firsters oder der Sons of the Patriots. Wenn es um Gedrucktes ging, gab Flagg keinem den Vorzug.
Nach dem Essen würde er weiterziehen, nach Süden auf diesem herrlichen zweispurigen Highway, der diese gottverlassene Wildnis durchschnitt, und er würde sich umschauen und riechen und lauschen, während das Klima immer trockener wurde, bis die Vegetation nur noch aus Salbei und Steppengras bestand, würde die Berge sehen, die wie Saurierknochen aus der Erde ragten. Morgen früh in der Dämmerung oder einen Tag später würde er in Nevada sein und zuerst Owyhee erreichen und dann Mountain City, und in Mountain City lebte ein Mann namens Christopher Bradenton, der dafür sorgen würde, daß er ein Auto bekam und Papiere, die beide clean waren, und dann würde sich ihm das Land in all seinen strahlenden Möglichkeiten erschließen, ein Körper, dessen Haut von einem wunderbaren, Kapillargefäßen gleichen Straßennetz durchzogen war, welches ihn, das dunkle Fleckchen fremder Materie, irgendwo hinbringen würde, oder überallhin - Herz, Leber, Augen, Gehirn. Er war eine Embolie, die nach einer Stelle suchte, wo sie passieren konnte, ein Knochensplitter auf der Suche nach einem weichen Organ zum Durchbohren, eine einsame Krebszelle, die nach einer Gefährtin suchte - dann würden sie einen Hausstand gründen und sich einen niedlichen kleinen bösartigen Tumor großziehen.
Er stapfte weiter und ließ die Arme an den Seiten schwingen. Er war bekannt, gut bekannt, an diesen verborgenen Straßen, auf denen die Armen und Verrückten reisen, die Berufsrevolutionäre und jene, die so gut hassen gelernt haben, daß sich der Haß in ihren Gesichtern zeigt wie Hasenscharten und die nirgends willkommen sind, außer bei ihresgleichen, die sie in billige Räume mit Parolen und Postern an den Wänden einlassen, in Keller, in denen abgesägte Rohre in gepolsterten Schraubstöcken eingeklemmt sind und mit Sprengstoff gefüllt werden, in Hinterzimmer, in denen wahnwitzige Pläne ausgeheckt werden: ein Kabinettmitglied zu ermorden, das Kind eines Würdenträgers zu entführen oder mit Handgranaten und Maschinengewehren in eine Aufsichtsratssitzung der Standard Oil einzudringen und im Namen des Volkes zu morden. Er war dort bekannt, und selbst der Verrückteste unter ihnen konnte ihm nur von der Seite in das dunkle, grinsende Gesicht sehen. Die Frauen, die er mit ins Bett nahm, nahmen ihn mit starren Gliedmaßen in sich auf, auch wenn Geschlechtsverkehr für sie etwas so Nebensächliches war, wie einen Snack aus dem Kühlschrank zu holen. Sie empfingen ihn wie einen Widder mit goldenen Hörnern oder einen schwarzen Hund - und wenn es vorüber war, war ihnen kalt, so kalt, es schien unmöglich, daß ihnen jemals wieder warm werden würde. Wenn er in einer Versammlung erschien, hörte das hysterische Schreien auf - die Verleumdungen, die Beschuldigungen, die Anklagen, die ideologische Rhetorik. Einen Augenblick lang herrschte Totenstille, und alle sahen ihn an und wandten sich ab, als wäre er mit einem schrecklichen alten Instrument der Zerstörung hereingekommen, tausendmal schlimmer als der Plastiksprengstoff, der in den Kellern abtrünniger Chemiestudenten hergestellt wurde, oder die Waffen, die auf dem schwarzen Markt von einem geldgierigen Magazinverwalter der Armee verkauft wurden. Es schien, als wäre er mit einem Instrument zu ihnen gekommen, das, rostig von Blut und seit Jahrhunderten in unzählige Schreie eingehüllt war, jetzt aber in ihre Versammlung getragen wurde wie ein Geschenk der Hölle, ein Geburtstagskuchen mit Kerzen aus Nitroglyzerin. Und wenn die Gespräche wieder auflebten, dann rational und diszipliniert - so rational und diszipliniert, wie es unter Fanatikern möglich ist -, und man wurde sich einig.
Er ging weiter, seine Füße fühlten sich wohl in den Stiefeln, die genau an den richtigen Stellen Risse hatten. Seine Füße und diese Stiefel waren alte Freunde. Christopher Bradenton in Mountain City kannte ihn als Richard Fry. Bradenton half politisch Verfolgten, in den Untergrund zu gehen, und organisierte Reisen. Ein halbes Dutzend verschiedene Organisationen, von den Weathermen bis zur Guevara-Brigade, sorgten dafür, daß Bradenton Geld hatte. Er war Dichter und lehrte gelegentlich an der Freien Universität oder reiste in die westlichen Staaten Utah, Nevada und Arizona, wo er vor Schulklassen Vorträge hielt und die Schüler und Schülerinnen der Mittelschicht (hoffte er) mit der Nachricht verblüffte, daß Dichtung lebte - sie war zwar bettlägerig, aber nichtsdestotrotz bösartig aktiv. Er war jetzt Ende Fünfzig, aber Bradenton war vor über zwanzig Jahren von einer Hochschule in Kalifornien entlassen worden, weil er sich zu eng mit der SDS eingelassen hatte. 1968 war er bei der »Great Chicago Pig Convention« aufgeflogen und hatte mit einer radikalen Gruppe nach der anderen Verbindung aufgenommen, zuerst hatte er die Besessenheit dieser Gruppen akzeptiert, dann war er ganz von ihnen aufgesogen worden.