The Stand. Das letze Gefecht
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Kurzbeschreibung
In einem entv?lkerten Amerika versucht eine Handvoll ?berlebender, die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mytische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, die Verk?rperung des absolut B?sen. In der W?ste von Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit. "The Stand", Stephen Kings Vision vom letzten Gefecht zwischen Gut und B?se, war bislang nur in einer stark gek?rzten Version zug?nglich.Die hier ver?ffentlichte Urfassung zeigt die Gr??e seines apokalyptischen Entwurfs.Manche nennen diesen Roman sein Meisterwerk!
Autorenportrait
Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren. Er war zun?chst als Englischlehrer t?tig, bevor ihm 1973 mit seinem ersten Roman 'Carrie' der Durchbruch gelang. Seither hat er mehr als 30 Romane geschrieben und ?ber 100 Kurzgeschichten verfasst und gilt als einer der erfolgreichsten Schriftsteller weltweit.
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»In Ordnung.«
Starkey ging zur Tür.
»Billy?« rief Len Creighton ihm nach.
Starkey drehte sich um.
Creighton stand starr wie ein Pfahl; auch ihm liefen Tränen über die Wangen. Er salutierte.
Starkey erwiderte den Gruß und ging zur Tür hinaus.
Der Fahrstuhl summte leistungsstark und zeigte das jeweilige Stockwerk an. Eine Sirene begann zu heulen - kläglich, als wüßte sie bereits, daß sie vor einer Situation warnte, die längst nicht mehr zu retten war -, als er den Fahrstuhl mit seinem Spezialschlüssel oben aufmachte, damit er den Fahrzeugpark betreten konnte. Starkey stellte sich vor, wie Len Creighton ihn auf einer Kette von Monitoren beobachtete: wie er sich erst einen Jeep aussuchte und dann über das ausgedehnte Wüstenareal des Testgeländes und durch das Tor mit dem Schild HOCHSICHERHEITSZONE - ZUTRITT NUR MIT SONDERERLAUBNIS fuhr. Die Wachkabinen sahen wie die Mauthäuschen auf den Autobahnen aus. Sie waren immer noch bemannt, aber die Soldaten hinter dem gelben Glas waren tot und mumifizierten in der trockenen Wüstenluft rasch. Die Kabinen waren kugelsicher, aber virensicher waren sie nicht gewesen. Glasige, eingesunkene Augen starrten Starkey beim Vorbeifahren an - sein Jeep war das einzige, das sich auf dem Wirrwarr der Feldwege zwischen den Baracken und flachen Gebäuden bewegte. Vor einem klobigen Blockhaus mit der Aufschrift KEIN ZUTRITT OHNE BEFUGNIS an der Tür hielt er an. Er verschaffte sich mit einem Schlüssel Zutritt und rief mit einem anderen den Fahrstuhl. Ein Wachsoldat, so tot wie ein Türnagel und so steif wie eine Fahnenstange, glotzte ihn aus der verglasten Sicherheitskabine links von den Fahrstuhltüren an. Als der Fahrstuhl kam und die Tür aufging, trat Starkey hastig ein. Er schien den Blick des toten Wachsoldaten auf sich zu spüren, das schwache Gewicht von zwei Augen, gleich staubigen Steinen.
Der Fahrstuhl sank so schnell, daß sich ihm der Magen umdrehte. Als der Lift zum Stillstand kam, ertönte eine leise Glocke. Die Tür ging auf; süßlicher Verwesungsgeruch traf ihn wie ein leichter Schlag. Allzu penetrant war er nicht, da die Luftreinigungsanlage noch funktionierte, aber nicht einmal die Lüftung konnte den Geruch völlig beseitigen. Wenn ein Mensch gestorben ist, dann will er, dass man es erfährt, dachte Starkey.
Fast ein Dutzend Leichen lagen vor der Fahrstuhltür. Starkey trippelte zwischen ihnen hindurch, da er nicht auf eine verwesende, wachsweiche Hand treten oder über ein ausgestrecktes Bein stolpern wollte. Dann müßte er vielleicht schreien, und das wollte er auf gar keinen Fall. In einer Gruft wollte man nicht schreien, weil einen das Geräusch vielleicht wahnsinnig machen konnte, und genau da befand er sich momentan - in einer Gruft. Sah vielleicht wie ein bestens ausgestattetes Forschungsprojekt aus, aber in Wahrheit war es eine Gruft.
Die Tür des Fahrstuhls glitt hinter ihm zu; der Lift fuhr summend automatisch wieder hoch. Starkey wußte, er würde nicht wieder automatisch herunterkommen, wenn nicht jemand anders den Schlüssel hineinsteckte; kaum waren die Anlagen der Station kontaminiert worden, hatte der Computer sämtliche Fahrstühle auf Sicherheitsprogramm geschaltet. Warum lagen diese armen Männer und Frauen hier? Sie hatten offenbar gedacht, die Computer würden das Umschalten auf Gefahrensituation versauen. Warum nicht? Das schien nicht einmal unlogisch. Immerhin war praktisch alles andere versaut worden.
Starkey schritt mit klickenden Absätzen den Flur Richtung Kantine entlang. Die Neonröhren oben in ihren langen Halterungen, die langen Eiswürfelbehältern glichen, warfen ein grelles, schattenloses Licht. Hier lagen weitere Leichen. Ein Mann und eine Frau, nackt und mit Löchern im Kopf. Sie haben gevögelt, dachte Starkey, dann hat er sie erschossen und anschließend sich selbst. Liebe unter Viren. Die Pistole, eine Armeewaffe Kaliber 45, hielt er noch in der Hand. Der Fliesenboden war mit Blut und einer grauen Masse bespritzt, die wie Weizenkleie aussah. Er verspürte den gräßlichen und glücklicherweise rasch überstandenen Impuls, sich zu bücken und die Brüste der toten Frau zu berühren, ob sie fest oder schlaff waren. Ein Stück weiter im Flur saß ein Mann mit dem Rücken an einer geschlossenen Tür; er hatte sich mit einem Schnürsenkel ein Schild um den Hals gehängt. Sein Kinn war auf die Brust gesunken und verdeckte das Geschriebene. Starkey schob die Finger unter das Kinn des Mannes und hob den Kopf. Als er das tat, kippten die Augäpfel des Toten mit einem fleischigen leisen Plopp in den Schädel hinein. Die Worte auf dem Schild waren mit einem roten Markierstift geschrieben.
JETZT WISST IHR, DASS ES FUNKTIONIERT, stand auf dem Schild: NOCH FRAGEN?
Starkey ließ das Kinn des Mannes los. Der Kopf blieb in dem starren Winkel, die leeren Augenhöhlen glotzten fasziniert nach oben. Starkey wich zurück. Er weinte wieder. Er vermutete, daß er weinte, weil er keine Fragen hatte.
Die Türen der Kantine waren offen. Davor befand sich eine große Pinnwand aus Kork. Starkey sah, daß am 20. Juni ein Bowlingturnier stattfinden sollte. Die Grimmigen Kugler gegen die ErstschlagTruppe für das Projekt Champion. Darüber hinaus suchte Anna Floss für den 9. Juli eine Mitfahrgelegenheit nach Denver. Sie würde sich an Fahrt und Unkosten beteiligen. Richard Betts wollte ein paar liebe Welpen abgeben, halb Collie und halb Bernhardiner. Daneben fanden wöchentliche Gottesdienste in der Kantine statt. Starkey las jede Notiz an der Pinnwand, dann trat er ein. Hier drinnen war der Geruch noch schlimmer - verdorbenes Essen und Leichen. Starkey sah sich voll dumpfem Entsetzen um. Ein paar schienen ihn anzustarren.
»Männer...«, sagte Starkey, doch dann verstummte er. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte.
Er ging langsam zu der Stelle, wo Frank D. Bruce mit dem Gesicht im Suppenteller lag. Er sah mehrere Augenblicke auf Frank D. Bruce hinab. Dann zog er den Kopf von Frank D. Bruce an den Haaren hoch. Der Suppenteller folgte, er klebte am Gesicht, weil die Suppe schon längst geronnen war, und Starkey schlug voller Entsetzen danach und brach ihn schließlich los. Der Teller polterte verkehrt herum auf den Boden. Der größte Teil der Suppe klebte imrner noch am Gesicht von Frank D. Bruce wie schimmlige Götterspeise. Starkey holte das Taschentuch heraus und wischte, soviel er konnte, ab. Die Augen von Frank D. Bruce schienen von Suppe zugeklebt zu sein, aber Starkey unterließ es, die Lider abzuwischen. Er hatte Angst, die Augen von Frank D. Bruce würden ebenso in den Schädel hineinfallen wie die des Mannes mit dem Schild. Noch mehr Angst hatte er davor, die von der Klebe befreiten Augen könnten wie Jalousien hochschnellen und flattern. Aber am allermeisten fürchtete er sich vor dem möglichen Ausdruck in den Augen von Frank D. Bruce.
»Gefreiter Bruce«, sagte Starkey leise, »rühren.«
Er legte das Taschentuch behutsam aufs Gesicht von Frank D. Bruce. Es blieb kleben. Starkey drehte sich um und verließ die Kantine mit langen, gleichmäßigen Schritten, wie auf dem Exerzierplatz.
Auf halbem Weg zum Fahrstuhl kam er an dem Mann mit dem Schild um den Hals vorbei. Starkey setzte sich neben ihn, löste den Haltegurt der Pistole im Halfter und schob sich den Lauf in den Mund.
Der Schuß war gedämpft und undramatisch. Keine der Leichen merkte auch nur im mindesten auf. Die Lüftung kümmerte sich um das Rauchwölkchen. In den Eingeweiden von Projekt Blau herrschte Schweigen. In der Kantine löste sich Starkeys Taschentuch vom Gesicht des Gefreiten Frank D. Bruce und schwebte zu Boden. Frank D. Bruce schien es nichts weiter auszumachen, aber Len Creighton sah immer öfter auf den Monitor, der Bruce zeigte, und fragte sich, warum zum Teufel Billy dem Mann nicht auch die Suppe aus den Augenbrauen hatte wischen können, so er schon einmal dabei war. Len würde bald, sehr bald, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten gegenüberstehen, aber die Suppe, die im Gesicht von Frank D. Bruce gerann, machte ihm mehr Kopfzerbrechen. Viel mehr.