The Stand. Das letze Gefecht
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Kurzbeschreibung
In einem entv?lkerten Amerika versucht eine Handvoll ?berlebender, die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mytische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, die Verk?rperung des absolut B?sen. In der W?ste von Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit. "The Stand", Stephen Kings Vision vom letzten Gefecht zwischen Gut und B?se, war bislang nur in einer stark gek?rzten Version zug?nglich.Die hier ver?ffentlichte Urfassung zeigt die Gr??e seines apokalyptischen Entwurfs.Manche nennen diesen Roman sein Meisterwerk!
Autorenportrait
Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren. Er war zun?chst als Englischlehrer t?tig, bevor ihm 1973 mit seinem ersten Roman 'Carrie' der Durchbruch gelang. Seither hat er mehr als 30 Romane geschrieben und ?ber 100 Kurzgeschichten verfasst und gilt als einer der erfolgreichsten Schriftsteller weltweit.
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Er stöhnte und holte das Feuerzeug wieder aus der Tasche. Diesmal war es noch schlimmer. Die Leiche, die er mit dem Fuß angestoßen hatte, war die eines alten Mannes im blauen Anzug. Die Schirmmütze aus schwarzer Seide war ihm vom kahlen Schädel auf den Schoß gerutscht. Am Aufschlag trug er einen sechszackigen silbernen Stern. Hinter ihm lag noch ein halbes Dutzend Leichen: zwei Frauen, ein Mann in mittlerem Alter, eine Frau von vielleicht Ende Siebzig und zwei halbwüchsige Jungen.
Das Feuerzeug wurde so heiß, daß er es nicht mehr halten konnte. Er machte es aus und ließ es in die Hosentasche gleiten, wo es wie warme Kohle an seinem Bein glomm. Diese Leute waren ebensowenig wie der Soldat von Capt ain Trips dahingerafft worden. Larry hatte das Blut gesehen, die zerrissene Kleidung, die zersplitterten Fliesen, die Einschußlöcher. Sie waren niedergeschossen worden. Larry erinnerte sich an die Gerüchte, dass die Ausfallstraßen von Manhattan Island von Soldaten abgesperrt worden seien. Er hatte nicht gewußt, ob er das glauben sollte; er hatte im Laufe des allgemeinen Zusammenbruchs in der letzten Woche so viele Gerüchte gehört.
Die Situation hier war leicht zu rekonstruieren. Sie waren im Tunnel erwischt worden, aber nicht so krank gewesen, daß sie nicht mehr gehen konnten. Sie waren aus den Fahrzeugen ausgestiegen und zu Fuß in Richtung Jersey gegangen, auf dem Gehweg, genau wie er. Ein Militärkommando hatte gewartet, eine Maschinengewehrstellung, irgendwas in der Art.
Schwitzend stand Larry da und versuchte, einen Entschluß zu fassen. Die undurchdringliche Dunkelheit bot die perfekte Bühne, auf der seine Gedanken ihre Phantasien inszenieren konnten. Er sah: grimmig blickende Soldaten in virensicheren Anzügen hinter einem Maschinengewehr mit Infrarot -Zieleinrichtungen sitzen, deren Aufgabe es war, jeden zu erschießen, der versuchte, durch den Tunnel zu gelangen; einen einzelnen Soldaten als Selbstmordkommando, der mit einer Infrarotbrille vor den Augen und einem Messer zwischen den Zähnen auf ihn zukroch; zwei Soldaten, die stumm einen Mörser mit einer Giftgasgranate luden. Und doch konnte er sich nicht zur Umkehr entschließen: Er war ganz sicher, daß seine Vorstellungen Hirngespinste waren, und der Gedanke, wieder zurückzugehen, war unerträglich. Bestimmt waren die Soldaten jetzt fort. Der tote Soldat, über den er gestiegen war, schien das zu bestätigen...
Aber was ihm wirklich Sorgen machte, schätzte er, waren die Leichen direkt vor ihm. Sie lagen fast zwei Meter hoch übereinander. Er konnte nicht einfach über sie hinwegsteigen wie über den toten Soldaten. Und wenn er vom Fußgängerweg sprang, um ihnen auszuweichen, riskierte er, sich Bein oder Knöchel zu brechen. Wenn er weiterwollte, mußte er... nun, über sie steigen. Hinter ihm bewegte sich etwas in der Dunkelheit.
Larry fuhr herum und empfand schon allein durch diesen Knirschlaut wieder Angst... ein Schritt.
»Wer ist da?« rief er und schlang das Gewehr von der Schulter. Als das Geräusch verstummte, hörte er leises Atmen - oder glaubte es zu hören. Er starrte glubschäugig in die Dunkelheit, seine Nackenhaare sträubten sich. Er hielt den Atem an. Kein Laut. Er glaubte schon an eine Sinnestäuschung, aber dann hörte er es wieder... ein leiser, schleichender Schritt.
Er fummelte panisch nach dem Feuerzeug. Der Gedanke, daß es ihn zum Ziel machen könnte, kam ihm erst gar nicht. Als er es aus der Tasche zog, verfing sich das Rädchen am Saum, und das Feuerzeug glitt ihm aus der Hand. Er hörte ein Klick, als es gegen das Geländer prallte, dann ein leises Plong, als es auf Kühlerhaube oder Kofferraum eines Autos aufschlug.
Wieder hörte er die leisen, gleitenden Schritte, diesmal etwas näher, aber es war unmöglich zu sagen, wie nahe. Jemand kam und wollte ihn umbringen, und sein panischer Verstand gaukelte ihm das Bild des Soldaten mit dem Messer in der Kehle vor, der in der Dunkelheit langsam auf ihn zuschlich...
Wieder ein leiser, knirschender Schritt.
Larry besann sich auf die Flinte. Er riß den Kolben an die Schulter und feuerte. Die Explosionen waren in dem geschlossenen Raum ohrenbetäubend laut; er schrie auf bei dem Geräusch, aber der Schrei ging im Dröhnen unter. Während das Feuer aus der doppelläufigen 30er hervorschoß, sah er die Fliesen an den Wänden und die einzelnen Fahrzeuge in der Wagenschlange wie eine Serie von Schwarzweiß-Blitzlichtbildern. Querschläger heulten wie Banshees. Der Kolben schlug ihm immer wieder gegen die Schulter, bis sie ganz taub war, bis er merkte, daß der Rückstoß ihn auf den Füßen gedreht hatte und er über die Fahrbahn schoß anstatt über den Fußgängerweg. Trotzdem konnte er nicht aufhören. Sein Finger hatte die Funktion des Gehirns übernommen und verkrampfte sich automatisch, bis Larry nur noch das trockene und ohnmächtige Klicken des Schlagbolzens hörte.
Das Echo rollte davon. Grelle, dreifach belichtete Nachbrenner schwebten vor seinen Augen. Er nahm schwach Korditgestank und das Wimmern wahr, das er tief in der Brust erzeugte. Er wirbelte herum, die Flinte noch in der Hand, und jetzt sah er im Geiste nicht mehr die Soldaten in ihren sterilen Andromeda-Anzügen auf der Kinoleinwand seines Verstandes, sondern die Morlocks aus der Illustrierte-Klassiker-Version von H. G. Wells' Zeitmaschine, bucklige und blinde Geschöpfe, die aus den Löchern in der Erde krochen, wo in den Eingeweiden der Erde unablässig Maschinen liefen.
Dann arbeitete er sich über die weiche und doch starre Barrikade der Leichen hinweg, stolperte, stürzte beinahe, packte das Geländer, hastete weiter. Sein Fuß trat in etwas gräßlich Schleimiges; gasiger Fäulnisgeruch stieg auf, den er kaum bemerkte. Keuchend eilte er weiter.
Plötzlich hörte er hinter sich einen lauten Schrei in der Dunkelheit und blieb wie angewurzelt stehen. Es war ein verzweifelter, kläglicher Laut, hart an der Grenze zum Wahnsinn: » Larry! O Larry, um Gottes willen...«
Es war Rita Blakemoor.
Er drehte sich um. Jetzt hörte er ein Schluchzen, ein wildes Schluchzen, das neue Echos erzeugte. Einen Moment war er wütend entschlossen, trotzdem weiterzugehen und sie zurückzulassen. Sie würde den Weg nach draußen schon finden, warum sollte er sich erneut mit ihr belasten? Aber dann riß er sich zusammen und schrie:
»Rita! Bleib, wo du bist. Kannst du mich hören?«
Das Schluchzen hielt an.
Er stolperte über den Leichenhaufen zurück und versuchte, die Luft anzuhalten, das Gesicht zu einer Grimasse des Ekels verzerrt. Dann lief er auf sie zu, wußte aber wegen des verzerrenden Echos nicht, wie weit er noch laufen mußte. Schließlich wäre er fast über sie gefallen.
» Larry...« Sie warf sich gegen ihn und klammerte sich mit der Kraft eines Würgers an seinen Hals. Er spürte, wie ihr Herz unter der Bluse mit halsbrecherischer Geschwindigkeit raste.
»Larry Larry laß mich hier nicht allein laß mich hier nicht in der Dunkelheit allein...«
»Nein.« Er hielt sie fest. »Habe ich dich verletzt? Bist... bist du getroffen ?«
»Nein... ich habe den Luftzug gespürt... eine sauste so nahe vorbei, daß ich den Luftzug gespürt habe... und die Splitter... ich glaube, von den Fliesen... in meinem Gesicht... haben mir das Gesicht...«
»Herrgott, Rita, das wußte ich nicht. Ich wäre fast ausgeflippt. Die Dunkelheit. Und ich habe mein Feuerzeug verloren... Du hättest rufen sollen. Ich hätte dich töten können.« Jetzt wurde ihm erst klar, daß das stimmte. » Ich hätte dich töten können«, wiederholte er wie eine fassungslose Offenbarung.
»Ich war nicht sicher, ob du es bist. Als du die Einfahrt runtergegangen bist, bin ich in ein Mietshaus. Du bist zurückgekommen und hast gerufen, und ich hätte beinahe... aber ich konnte nicht... als es zu regnen angefangen hatte, sind zwei Männer gekommen... ich glaube, sie haben nach uns gesucht... oder nach mir. Also bin ich geblieben, wo ich war, und als sie weg waren, dachte ich mir, vielleicht sind sie gar nicht weg, vielleicht verstecken sie sich und warten auf mich, darum habe ich mich nicht getraut, wieder rauszugehen, bis ich dachte, du wärst bestimmt schon auf der anderen Seite und ich würde dich nie wiedersehen... also habe ich... ich... Larry, du verläßt mich nicht, ja? Du gehst nicht weg?«