The Stand. Das letze Gefecht
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Kurzbeschreibung
In einem entv?lkerten Amerika versucht eine Handvoll ?berlebender, die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mytische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, die Verk?rperung des absolut B?sen. In der W?ste von Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit. "The Stand", Stephen Kings Vision vom letzten Gefecht zwischen Gut und B?se, war bislang nur in einer stark gek?rzten Version zug?nglich.Die hier ver?ffentlichte Urfassung zeigt die Gr??e seines apokalyptischen Entwurfs.Manche nennen diesen Roman sein Meisterwerk!
Autorenportrait
Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren. Er war zun?chst als Englischlehrer t?tig, bevor ihm 1973 mit seinem ersten Roman 'Carrie' der Durchbruch gelang. Seither hat er mehr als 30 Romane geschrieben und ?ber 100 Kurzgeschichten verfasst und gilt als einer der erfolgreichsten Schriftsteller weltweit.
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Aber Harold mähte nicht nur; er rannte. Der hintere Rasen der Lauders fiel sanft zu einer malerischen, verfallenen Steinmauer hin ab, in der Mitte stand ein achteckiges Gartenhaus. Sie und Amy hatten dort ihre »Teeparties« abgehalten, als sie noch kleine Mädchen waren, fiel Frannie mit einem unerwartet schmerzlichen Anflug von Nostalgie ein - damals, als sie noch über das Ende von Charlotte's Web weinen oder verliebt über Chuckie Mayo seufzen konnten, den süßesten Jungen der Schule. Der Rasen der Lauders war so grün und friedlich, daß er irgendwie englisch wirkte, aber jetzt war ein Derwisch in blauer Badehose in diese ländliche Idylle eingedrungen. Sie konnte Harold in einer Weise keuchen hören, die beängstigend war, während er die nordöstliche Ecke bearbeitete, wo der Garten durch eine Reihe von Maulbeerbäumen vom Grundstück der Wilsons getrennt war. Über den T-Griff des Rasenmähers gebeugt, lief Harold den Rasen hinunter. Die Klingen sirrten. Eine grüne Grasfontäne spritzte empor und überzog Harolds Beine. Er hatte den Rasen etwa halb gemäht, übrig blieb ein verschwindendes Viereck mit dem Gartenhaus in der Mitte. Er fuhr am Fuße des Hügels um die Ecke, wurde einen Augenblick von dem Gartenhaus verdeckt und kam wieder zum Vorschein, über die Maschine gebeugt wie ein Formel-Eins-Rennfahrer. Als er halb oben war, sah er sie. Im gleichen Augenblick sagte Frannie schüchtern: »Harold?« Und sie sah, daß er weinte.
»Heh?« sagte - oder vielmehr quiekte - Harold. Sie hatte ihn aus seiner privaten Welt geschreckt und fürchtete, daß er nach der Anstrengung und dem plötzlichen Schreck einen Herzinfarkt bekommen könnte.
Dann lief er zum Haus, seine Füße kickten das Gras hoch, und sie nahm nebenbei dessen frischen Geruch in der Sommerluft wahr. Sie ging ihm einen Schritt nach. »Harold, was ist denn?«
Dann sprang er die Stufen zur Veranda hoch. Die Hintertür ging auf, Harold lief ins Haus, und die Tür schlug krachend hinter ihm zu. In der Stille, die sich danach herniedersenkte, hörte sie den schrillen Schrei einer Elster, und ein kleines Tier raschelte in den Büschen hinter der Steinmauer. Der Rasenmäher stand (verlassen) an der Grenze zwischen gemähtem Gras dahinter und hohem Gras davor, ein Stück vom Gartenhaus entfernt, wo sie und Amy einst ihre Brause aus Tassen einer Barbie-Küche getrunken und dabei vornehm die kleinen Finger abgespreizt hatten.
Frannie blieb eine Weile unentschlossen stehen, schließlich ging sie zur Tür und klopfte. Sie bekam keine Antwort, hörte Harold aber drinnen weinen.
»Harold?«
Keine Antwort. Er weinte immer noch.
Sie betrat den hinteren Flur der Lauders, wo es kühl, dunkel und duftend war - Mrs. Lauders Speisekammer lag links vom Flur, und so weit Frannie zurückdenken konnte, hatte es hier hinten immer angenehm nach getrockneten Äpfeln und Zimt gerochen, als warteten Kuchen nur darauf, gebacken zu werden.
»Harold?«
Sie ging durch den Flur in die Küche, dort saß Harold am Tisch. Er hatte die Hände ins Haar gekrallt, die grünen Füße standen auf dem verblichenen Linoleum, das Mrs. Lauder immer so fleckenlos sauber gehalten hatte.
»Harold, was ist denn los?«
»Geh weg!« schrie er unter Tränen. »Geh weg, du magst mich nicht!«
»Doch, ich mag dich. Du bist in Ordnung, Harold. Vielleicht nicht großartig, aber in Ordnung.« Sie machte eine Pause. »Wenn man die Umstände betrachtet, könnte ich momentan sogar sagen, du bist mir einer der liebsten Menschen auf der ganzen Welt.«
Daraufhin schien Harold noch lauter zu weinen.
»Hast du was zu trinken?«
»Brause«, sagte er. Er schniefte, wischte sich die Nase und sagte, ohne vom Tisch aufzusehen: »Sie ist warm.«
»Logisch. Hast du das Wasser von der Standpumpe geholt?« Wie viele kleine Städte hatte auch Ogunquit noch eine öffentliche Pumpe hinter dem Rathaus, die allerdings seit über vierzig Jahren eher eine Antiquität als eine eigentliche Wasserquelle war. Manchmal fotografierten Touristen sie. Das ist die öffentliche Pumpe in der kleinen Küstenstadt, wo wir unseren Urlaub verbracht haben. Ist das nicht kurios?
»Ja, da hab' ich es geholt.«
Sie schenkte jedem ein Glas ein und setzte sich. Wir sollten das im Gartenhaus trinken, dachte sie. Wir könnten beim Trinken die kleinen Finger in die Luft strecken. »Was ist los, Harold?«
Harold lachte seltsam hysterisch und hob zittrig die Brause an die Lippen. Er trank das Glas leer und stellte es ab. »Los? Was könnte denn los sein?«
»Ich meine, ist es etwas Bestimmtes?« Sie kostete die Brause und mußte sich anstrengen, das Gesicht nicht zu verziehen. Harold mußte das Wasser erst vor kurzem geholt haben, es war gar nicht so warm, aber er hatte den Zucker vergessen.
Schließlich sah er zu ihr auf. Sein Gesicht zeigte Tränenspuren, und ihm war immer noch zum Weinen zumute. »Ich brauche meine Mutter«, sagte er schlicht.
»O Harold...«
»Als es passierte, als sie starb, dachte ich noch: >Gar nicht so schlimm.<« Er griff nach seinem Glas und sah sie so verstört an, dass es fast beängstigend war. »Ich weiß, wie schrecklich sich das für dich anhören muß. Aber ich wußte nie, wie ich reagieren würde, wenn sie starben. Ich bin ein sehr sensibler Mensch. Deshalb haben die Schwachsinnigen in diesem Haus des Grauens, das die Stadtväter High School zu nennen beliebten, auch immer auf mir rumgehackt. Ich dachte, ich würde nach ihrem Tod vor Kummer fast verrückt werden oder mich mindestens ein Jahr lang verkriechen... meine innere Sonne, sozusagen, würde... würde... und als es geschah, meine Mutter... Amy... mein Vater... da sagte ich mir: >War ja gar nicht so schlimm.< Ich... sie...« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, daß sie zusammenzuckte. »Warum kann ich nicht ausdrücken, was ich meine?« schrie er. »Ich konnte immer ausdrücken, was ich meinte! Ein Schriftsteller muß Sprache zurechtschnitzen können, er muß dicht am Empfinden sein. Warum kann ich also nicht ausdrücken, was ich empfinde?«
»Harold, nicht. Ich weiß, was du empfindest.«
Er sah sie verblüfft an. »Du weißt...?« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Das kannst du nicht wissen.«
»Weißt du noch, als du bei uns warst? Und ich das Grab ausgehoben habe? Ich war halb wahnsinnig. Ich wußte manchmal kaum noch, was ich tat. Als ich versucht habe, mir Bratkartoffeln zu machen, hätte ich fast das Haus angesteckt. Du kannst ruhig den Rasen mähen, wenn es dir dann besser geht. Aber wenn du dazu nur die Badehose anziehst, bekommst du einen Sonnenbrand. Es fängt schon an«, fügte sie mit einem kritischen Blick auf seine Schultern hinzu. Um höflich zu sein, trank sie noch einen Schluck von der scheußlichen Brause.
Er wischte sich mit der Hand über den Mund. »Ich mochte sie nicht einmal so gern«, sagte er, »aber ich dachte, man empfindet trotzdem Kummer. Wenn die Blase voll ist, muß man urinieren. Und wenn nahe Verwandte sterben, muß man trauern.«
Sie nickte, weil sie es seltsam fand, aber passend.
»Meine Mutter hat immer Amy vorgezogen. Amy war ihr Liebling«, betonte er übertrieben und beinahe mitleidig kindisch. »Und vor meinem Vater hat mir gegraut.«
Das leuchtete Fran ein. Brad Lauder war ein großer, muskulöser Mann gewesen, Vorarbeiter der Wollspinnerei in Kennebunk. Es leuchtete ein, daß er nicht wußte, was er von diesem sonderbaren fetten Sohn halten sollte, den seine Lenden hervorgebracht hatten.
»Er nahm mich einmal beiseite«, fuhr Harold fort, »und fragte mich, ob ich ein Schwulenbübchen wäre. Genau den Ausdruck hat er gebraucht. Ich bekam solche Angst, daß ich anfing zu weinen, und er schlug mir ins Gesicht und sagte, wenn ich so ein gottverdammtes Baby wäre, wäre es besser für mich, aus der Stadt zu verschwinden. Und Amy... ich glaube, man kann getrost sagen, daß es Amy scheißegal gewesen wäre. Wenn sie ihre Freundinnen mit nach Hause brachte, war ich nur eine Peinlichkeit. Sie hat mich behandelt wie ein unaufgeräumtes Zimmer.«