Der Schwarm
Der Schwarm читать книгу онлайн
Ein Fischer verschwindet vor Peru, spurlos. Цlbohrexperten stoЯen in der norwegischen See auf merkwьrdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz genommen haben. Wдhrenddessen geht mit den Walen entlang der Kьste British Columbias eine unheimliche Verдnderung vor. Nichts von alledem scheint miteinander in Zusammenhang zu stehen. Doch Sigur Johanson, norwegischer Biologe und Schцngeist, glaubt nicht an Zufдlle. Auch der indianische Walforscher Leon Anawak gelangt zu einer beunruhigenden Erkenntnis: Eine Katastrophe bahnt sich an. Doch wer oder was lцst sie aus? Wдhrend die Welt an den Abgrund gerдt, kommen die Wissenschaftler zusammen mit der britischen Journalistin Karen Weaver einer ungeheuerlichen Wahrheit auf die Spur.
Внимание! Книга может содержать контент только для совершеннолетних. Для несовершеннолетних чтение данного контента СТРОГО ЗАПРЕЩЕНО! Если в книге присутствует наличие пропаганды ЛГБТ и другого, запрещенного контента - просьба написать на почту [email protected] для удаления материала
»Na und?«
Delaware breitete die Hände aus. »Ich dachte, ihr wollt rausfinden, warum das alles passiert.« »Ich wüsste nicht, was dich das angeht.« »Hör endlich auf, deinen Ärger an mir auszulassen!«, fuhr sie ihn an. »Ich wäre da draußen fast gestorben, und das ist eben mal ein paar Stunden her. Ich könnte heulend in deiner Scheißambulanz sitzen, stattdessen versuche ich zu helfen. Wollt ihr’s nun wissen oder nicht?«
Anawak holte tief Luft.
»Okay.«
»Hast du gesehen, welche Tiere die Lady Wexham angegriffen haben?« »Ja. Grau— und Buckel …« »Nein.« Delaware schüttelte ungeduldig den Kopf.
»Nicht welche Spezies. Welche Individuen! Hast du sie identifizieren können?«
»Es ging alles zu schnell.«
Sie lächelte. Es war kein fröhliches Lächeln, aber immerhin ein Lächeln »Die Frau, die wir aus dem Wasser gezogen haben, war mit mir auf der Blue Shark. Steht unter Schock. Komplett weggetreten. Trotzdem, wenn ich was will, lasse ich nicht locker …«
»Allerdings.«
»und ich sah diese Kamera um ihren Hals hängen. Sie war gut befestigt, deshalb ist sie im Wasser nicht verloren gegangen. Jedenfalls, als ihr rausgefahren seid, konnte ich mich kurz mit ihr unterhalten. Sie hat die ganze Zeit über gefilmt! Auch noch, als Greywolf anrückte. Irgendwie war sie schwer von ihm beeindruckt, also hat sie weitergefilmt, ihn natürlich.« Sie machte eine Pause. »Wenn ich mich recht erinnere, lag die Lady Wexham aus unserer Sicht hinter Greywolf.«
Anawak nickte. Plötzlich wurde ihm klar, worauf Delaware hinauswollte.
»Sie hat den Angriff gefilmt«, sagte er.
»Sie hat vor allem die Wale gefilmt, die das Schiff angegriffen haben. Ich weiß ja nicht, wie gut du im Identifizieren von Walen bist — aber du lebst hier und kennst die Tiere. Und ein Video ist geduldig.«
»Du hast vorsorglich vergessen zu fragen, ob du die Kamera behalten darfst?«, vermutete Anawak. Sie hob das Kinn und sah ihn herausfordernd an. »Na und?« Er drehte die Kamera in den Händen. »Gut. Ich schau’s mir an.« »Wir schauen es uns an«, sagte Delaware. »Ich will in der ganzen Geschichte mit dabei sein. Und frag mich um Himmels willen nicht, warum. Es steht mir schlicht und einfach zu, okay?«
Anawak starrte sie an.
»Außerdem«, fügte sie hinzu, »bist du ab jetzt nett zu mir.«
Langsam ließ er den Atem entweichen und betrachtete mit geschürzten Lippen die Kamera. Er musste zugeben, dass Delawares Idee bislang das Beste war, das sie hatten.
»Ich bemühe mich«, murmelte er.
12. April
Die Einladung erreichte Johanson, als er Vorbereitungen traf, hinaus zum See zu fahren.
Nach seiner Rückkehr aus Kiel hatte er Tina Lund von dem Experiment im Tiefsee-Simulator erzählt. Es war ein kurzes Gespräch gewesen. Lund steckte bis über beide Ohren in diversen Projekten und verbrachte die verbleibende Zeit mit Kare Sverdrup. Johanson war es so vorgekommen, als sei sie nicht richtig bei der Sache. Etwas schien sie zu beschäftigen, das nicht mit ihrer Arbeit zu tun hatte, aber er gab sich taktvoll und vermied es, sie danach zu fragen.
Einige Tage später rief Bohrmann an, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen. Sie hatten in Kiel weiter mit den Würmern experimentiert. Johanson, der bereits gepackt hatte und eben im Begriff stand, das Haus zu verlassen, beschloss, seine Abreise um die Dauer eines weiteren Telefonats zu verschieben und Lund über die Neuigkeiten ins Bild zu setzen, aber sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. Diesmal wirkte sie aufgeräumter.
»Kannst du nicht bald mal zu uns rauskommen?«, schlug sie vor.
»Wohin? Ins Institut?«
»Nein, ins Statoil-Forschungszentrum. Wir haben die Projektleitung zu Besuch. Aus Stavanger.«
»Was soll ich dabei? Denen die Gruselgeschichten erzählen?«
»Das hab ich selber schon getan. Jetzt sind sie scharf auf Einzelheiten. Ich habe vorgeschlagen, dass du sie ihnen lieferst.«
»Warum ausgerechnet ich?«
»Warum denn nicht?«
»Ihr habt doch Gutachten vorliegen«, sagte Johanson.
»Stapelweise. Ich kann auch nur das weitergeben, was andere herausfinden.«
»Du kannst mehr«, sagte Lund. »Du kannst … deinen Gefühlen Ausdruck verleihen.«
Johanson war einen Augenblick sprachlos.
»Sie wissen, dass du kein Experte für Ölbohrungen bist und ebenso wenig ein wirklicher Spezialist für Würmer oder so was«, fuhr sie hastig fort. »Aber du genießt einen ausgezeichneten Ruf an der NTNU, du bist neutral und nicht vorbelastet wie wir. Wir urteilen nun mal aus anderen Blickwinkeln.«
»Ihr urteilt aus dem Blickwinkel der Machbarkeit.«
»Nicht nur! Schau mal, es ist so, dass bei Statoil ein Haufen Leute zusammensitzt, von denen jeder etwas ganz Bestimmtes am besten kann, und …«
»Fachidioten eben.«
»Überhaupt nicht!« Sie klang verärgert. »Mit Fachidioten ist dieses Geschäft nicht zu machen. Hier steckt nur jeder zu tief drin. Wir hängen alle mit dem Kopf unter Wasser, mein Gott, wie soll ich es ausdrücken … Wir brauchen eben mehr Meinungen von außen.«
»Ich verstehe nicht viel von eurem Geschäft.«
»Natürlich zwingt dich keiner.« Lund klang allmählich gereizt. »Du kannst es auch bleiben lassen.«
Johanson verdrehte die Augen. »Schon gut. Ich habe nicht vor, dich hängen zu lassen. Es gibt tatsächlich ein paar Neuigkeiten aus Kiel und …«
»Kann ich das als Ja verbuchen?«
»Ja. In Herrgotts Namen. Wann findet dieses Treffen statt?«
»Es gibt mehrere Treffen in nächster Zeit. Eigentlich hängen wir ständig zusammen.«
»Na schön. Es ist Freitag. Übers Wochenende bin ich weg, und Montag könnte ich …«
»Das ist …« Sie stockte. »Das wäre eigentlich …«
»Ja?«, sagte Johanson gedehnt, von bösen Vorahnungen geplagt.
Sie ließ einige Sekunden verstreichen.
»Was hast du überhaupt vor am Wochenende?«, fragte sie im Plauderton. »Willst du zum See?«
»Klug erkannt. Willst du mit?«
Sie lachte. »Warum nicht?«
»Hoho! Und was sagt Kare dazu?«
»Mir doch egal. Was soll er dazu sagen?« Sie schwieg eine Sekunde. »Ach verdammt!«
»Wärest du doch nur in allem so gut wie in deinem Job«, sagte Johanson so leise, dass er nicht sicher war, ob sie es verstanden hatte.
»Sigur, bitte! Kannst du deinen Ausflug nicht verschieben? Wir treffen uns in zwei Stunden, und ich dachte … es ist ja nicht weit von hier, und es dauert auch nicht lange. Du bist im Nu wieder draußen. Du kannst heute Abend noch losfahren.«
»Ich …«
»Wir müssen einfach weiterkommen in der Sache. Wir haben einen Zeitplan, und du weißt, was das alles kostet, und jetzt gibt es schon die ersten Verzögerungen, bloß weil …«
»Ich mach’s ja!«
»Du bist ein Schatz.«
»Soll ich dich abholen?«
»Nein, ich werde dort sein.«
»Oh, ich freue mich. Danke! Das ist wirklich lieb von dir.« Sie legte auf. Johanson betrachtete wehmütig seinen gepackten Koffer.
Als er den großen Konferenzraum des Statoil-Forschungszentrums betrat, war die angespannte Stimmung mit Händen zu greifen. Lund saß in Begleitung dreier Männer an einem schwarz polierten Tisch von ausladenden Dimensionen. Späte Nachmittagssonne fiel herein und verlieh dem in Glas, Stahl und dunklen Tönen gehaltenen Interieur etwas Wärme. Die Wände waren mit hochkopierten Diagrammen und technischen Zeichnungen regelrecht tapeziert.
»Hier ist er«, sagte die Dame vom Empfang und lieferte Johanson ab, als sei er ein Weihnachtspaket. Einer der Männer stand auf und kam ihm mit ausgestreckter Hand entgegen. Er hatte kurz geschnittenes, schwarzes Haar und trug eine modische Brille.
»Thor Hvistendahl, Stellvertretender Direktor des Statoil-Forschungszentrums«, stellte er sich vor. »Entschuldigen Sie, dass wir so kurzfristig Ihre Zeit beanspruchen, aber Frau Lund versicherte uns, Sie hätten nichts Besseres vor.«