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Der Schwarm

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Der Schwarm
Название: Der Schwarm
Автор: Schatzing Frank
Дата добавления: 16 январь 2020
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Der Schwarm - читать бесплатно онлайн , автор Schatzing Frank

Ein Fischer verschwindet vor Peru, spurlos. Цlbohrexperten stoЯen in der norwegischen See auf merkwьrdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz genommen haben. Wдhrenddessen geht mit den Walen entlang der Kьste British Columbias eine unheimliche Verдnderung vor. Nichts von alledem scheint miteinander in Zusammenhang zu stehen. Doch Sigur Johanson, norwegischer Biologe und Schцngeist, glaubt nicht an Zufдlle. Auch der indianische Walforscher Leon Anawak gelangt zu einer beunruhigenden Erkenntnis: Eine Katastrophe bahnt sich an. Doch wer oder was lцst sie aus? Wдhrend die Welt an den Abgrund gerдt, kommen die Wissenschaftler zusammen mit der britischen Journalistin Karen Weaver einer ungeheuerlichen Wahrheit auf die Spur.

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»Du blödes Arschloch!«, schrie Shoemaker.

Delaware blickte von dem schluchzenden Mann auf und erhob sich.

»Er ist kein blödes Arschloch«, sagte sie sehr bestimmt. »Er hat uns gerettet. Und er hat Recht. Ohne ihn wären wir jetzt tot.«

Shoemaker sah aus, als wolle er Greywolf an die Kehle springen. Anawak wusste sehr genau, dass sie dem Riesen zu Dank verpflichtet waren, er selber allen voran, aber Greywolf hatte sie in der Vergangenheit schon zu oft geärgert. Also sagte er nichts. Einige Sekunden herrschte unbehagliches Schweigen. Schließlich drehte sich der Geschäftsführer auf dem Absatz um und stakste hinüber zu Davie.

»Jack«, sagte Anawak leise. »Wenn du jetzt rausfährst, wird dich jemand aus dem Wasser fischen müssen. Dein Boot hat allenfalls Museumswert. Nochmal schaffst du das nicht.«

»Du willst die Leute da draußen sterben lassen?«

»Ich will niemanden sterben lassen. — Nicht einmal dich.«

»Oh, du machst dir Sorgen um meine Wenigkeit. Ich könnte kotzen vor Rührung. Aber ich dachte auch gar nicht an mein Boot. Es hat tatsächlich einiges abbekommen. Ich nehme eures.«

»Die Devilfish?«

»Ja.«

Anawak verdrehte die Augen. »Ich kann unser Boot nicht einfach so weggeben. Am allerwenigsten an dich.«

»Dann kommst du eben mit.«

»Jack, ich …«

»Shoemaker, die kleine Ratte, kann übrigens auch mitkommen. Vielleicht brauchen wir einen Köder, nachdem die Orcas nun endlich angefangen haben, ihre wahren Feinde zu verspeisen.«

»Du hast sie wirklich nicht alle, Jack.«

Greywolf beugte sich zu ihm herab.

»He, Leon!«, zischte er. »Da draußen sind auch meine Leute gestorben. Glaubst du, das ist mir gleich?«

»Du hättest sie ja nicht mitzubringen brauchen.«

»Es macht kaum Sinn, jetzt darüber zu diskutieren, oder? Jetzt geht es um eure Leute. Ich müsste da nicht raus, Leon. Du solltest mir vielleicht ein bisschen mehr Dankbarkeit zollen.«

Anawak stieß einen Fluch aus. Er warf einen Blick in die Runde. Shoemaker telefonierte. Davie sprach in sein Walkie-Talkie. Die anwesenden Skipper und der Office Manager bemühten sich mehr schlecht als recht, die Leute zum Gehen zu überreden, die noch den Verkaufsraum bevölkerten.

Davie sah auf und winkte Anawak heran. »Was hältst du von Toms Vorschlag?«, fragte er leise. »Können wir da wirklich helfen, oder wäre es Selbstmord?« Anawak nagte an seiner Unterlippe. »Was sagen die Piloten?« »Die Lady ist gekentert. Sie liegt auf der Seite und läuft voll.« »Mein Gott.« »Angeblich kann die Küstenwache von Victoria jetzt doch einen großen Helikopter schicken. Zur Bergung. Aber ich bezweifle, dass sie schnell genug hier sein werden. Sie haben alle Hände voll zu tun, und ständig geschieht irgendwas Neues.«

Anawak überlegte. Der Gedanke, zurückzukehren in die Hölle, der sie gerade erst entronnen waren, jagte ihm Angst ein. Aber er würde sich zeitlebens Vorwürfe machen, nicht alles zur Rettung der Menschen an Bord der Lady Wexham unternommen zu haben.

»Greywolf will mit«, sagte er leise.

»Jack und Tom in einem Boot? Ach du lieber Himmel! Ich dachte, wir wollten Probleme lösen, statt welche zu schaffen.«

»Greywolf könnte welche lösen. Was in seinem Kopf vorgeht, steht auf einem anderen Blatt, aber wir können ihn brauchen. Er ist stark und unerschrocken.«

Davie nickte düster. »Halt die beiden auseinander, hörst du?« »Klar.« »Und wenn ihr seht, dass es zwecklos ist, kommt ihr zurück. Ich will nicht, dass irgendjemand hier den Helden spielt.« »Gut.« Anawak ging zu Shoemaker, wartete, bis er sein Gespräch beendet hatte, und teilte ihm Davies Entschluss mit. »Wir nehmen diesen Freizeitindianer mit?«, sagte Shoemaker entrüstet. »Bist du wahnsinnig?« »Ich glaube, es ist eher so, dass er uns mitnimmt.« »In unserem Boot!«

»Du und Davie, ihr seid die Bosse. Aber ich weiß, was uns erwartet. Ich kann besser einschätzen, was auf uns zukommt. Und ich weiß, dass wir heilfroh sein werden, Greywolf dabeizuhaben.«

Die Devilfish war von gleicher Größe und Motorleistung wie die Blue Shark, also schnell und wendig. Anawak hoffte, dass sie die Wale damit austricksen konnten. Immer noch hatten die Meeressäuger das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Niemand konnte sagen, wann und wo sie zum Vorschein kamen.

Während das Zodiac über die Lagune brauste, kreisten Anawaks Gedanken um die Frage nach dem Warum. Er hatte immer geglaubt, viel über die Tiere zu wissen. Nun war er völlig ratlos und außerstande, eine halbwegs vernünftige Erklärung zu finden. Einzig die Parallele zu den Vorgängen um die Barrier Queen war nicht zu übersehen. Auch dort hatten Wale offenbar gezielt versucht, Schiffe zum Kentern zu bringen. Sie müssen mit etwas infiziert sein, dachte er. Eine Art Tollwut. Es kann nur so sein, dass etwas sie krank macht.

Aber gleich eine artenübergreifende Tollwut? Buckelwale und Orcas — auch Grauwale hatten sich an den Rammstößen beteiligt, wie er sich zu erinnern glaubte. Je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer war er, dass kein Buckelwal sein Zodiac umgeworfen hatte, sondern ein Grauwal.

Waren die Tiere vor lauter Chemie verrückt geworden? Hatten die hohen PCB-Konzentrationen im Meerwasser und die vergiftete Nahrung ihre Instinkte durcheinander gebracht? Aber die Orcas vergifteten sich an verseuchten Lachsen und anderen Lebewesen, die Toxide in sich trugen. Grau— und Buckelwale hingegen waren Planktonfresser. Ihr Metabolismus funktionierte anders als der von Fleischfressern.

Tollwut war keine Erklärung.

Er betrachtete die glitzernde Wasseroberfläche. Wie oft war er hier entlanggefahren in Vorfreude auf die Begegnung mit den riesigen Meeressäugern. Zu jeder Zeit war er sich der potenziellen Gefahren bewusst gewesen, ohne jemals Angst verspürt zu haben. Draußen auf See konnte unvermittelt Nebel aufziehen. Der Wind konnte sich drehen und tückische Wellen heranjagen, die einen gegen die Klippen warfen — 1998 waren im Clayoquot Sound auf diese Weise ein Skipper und ein Tourist ums Leben gekommen. Und natürlich blieben die Wale bei all ihrer Freundlichkeit unberechenbare Wesen von gewaltiger Kraft und Größe. Jeder erfahrene Whale Watcher wusste, auf welche Urgewalt er sich einließ.

Aber es war unsinnig, sich vor der Natur zu ängstigen.

Ein Mensch musste befürchten, in seinem Haus von anderen Menschen überfallen oder auf der Straße von einem Auto überfahren zu werden, und es gab so gut wie keine Chance, dem zu entgehen. Einem aggressiven Wal konnte man hingegen sehr wohl entgehen, indem man einfach nicht in seinen Lebensraum eindrang. Tat man es trotzdem, akzeptierte man Gefahr als etwas zutiefst Natürliches und Authentisches. Stürme, haushohe Wellen und wilde Tiere verloren ihren Schrecken, sobald man freiwillig ihr Umfeld suchte. Die Angst wich dem Respekt, und Anawak hatte zu allen Zeiten größtmöglichen Respekt gehabt.

Jetzt erstmals packte ihn Angst hinauszufahren.

Wasserflugzeuge zogen über die dahinrasende Devilfish hinweg. Anawak stand mit Shoemaker im Steuerhaus. Der Geschäftsführer hatte es sich nicht nehmen lassen, das Boot selber zu steuern, trotz Greywolfs wiederholter Beteuerungen, er könne das besser. Jetzt hockte Greywolf im Bug und spähte übers Wasser nach verdächtigen Zeichen. Zu ihrer Linken schoben sich die bewaldeten Ausläufer kleinerer Inseln heran. Einige Seelöwen lagen träge auf den Steinen, als könne nichts ihren Seelenfrieden erschüttern. Das Zodiac dröhnte mit unverminderter Geschwindigkeit an ihnen vorbei, Felsen und Bäume blieben zurück, dann lag wieder offene See vor ihnen. Endlos, eintönig, vertraut und fremd zugleich.

Jenseits der geschützten Lagune schlugen die Wellen höher. Das Zodiac setzte knallend auf. Während der letzten halben Stunde war die See rauer geworden. Am Horizont ballten sich Wolken zusammen. Es sah nicht eben nach Sturm aus, aber das Wetter verschlechterte sich rapide, wie es für diese Gegend typisch war. Wahrscheinlich zog eine Regenfront heran. Anawaks Blick suchte die Lady Wexham. Im ersten Augenblick fürchtete er, sie sei gesunken. Dafür sah er in einiger Entfernung eines der Kreuzfahrtschiffe liegen, die zu dieser Zeit hinauf nach Alaska fuhren und dabei den kanadischen Westen passierten.

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