Die letzte Diagnose
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ORBIT HOSPITAL ist ein Klinikum im All, das allen raumfahrenden Lebensformen der Galaxis medizinische Hilfe leistet. Es nimmt alle Gesch?pfe auf, ob sie ein Dutzend Gliedma?en haben oder gar keine, ob sie sich von Radioaktivit?t ern?hren oder Wasser atmen – von anderen exotischen Gewohnheiten und Bed?rfnissen ganz zu schweigen. Es ist ein ?kologisches Tollhaus und ein organisatorischer Irrwitz, aber es ist f?r alle da und es funktioniert. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes – lebensnotwendig.
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Ihr Bett hat die Nummer zwanzig«, fuhr die Schwester fort. »Damit haben Sie nicht nur die bequemste Position zu den sanitären Einrichtungen, sondern sind auch am weitesten vom Stationseingang und dem Personalraum entfernt. Übrigens herrscht im Orbit Hospital die allgemeine Überzeugung, der, nebenbei bemerkt, von offizieller Seite auch noch nie widersprochen wurde: Je näher ein Patient am Stationseingang liegt, wo der diensthabende Arzt und die Schwestern und Pfleger ihn mit Minimalverzögerung erreichen können, desto ernster ist sein Gesundheitszustand. Dieses Wissen tröstet Sie vielleicht über einiges hinweg.
So, und nun ziehen Sie sich bitte aus, und legen Sie schnell die Krankenhauskleidung an, bevor die Oberschwester kommt, Patient Hewlitt«, forderte die Lernschwester ihn plötzlich auf. »Ich warte vor der Trennwand. Falls Sie Hilfe benötigen, brauchen Sie mir nur Bescheid zu sagen.«
Die Hudlarerin trat mit der Trage beiseite, und aus Vertiefungen in der Decke wurden leise Sichtblenden herabgelassen.
Eine ganze Weile hielt Hewlitt ein unförmiges Kleidungsstück regungslos in den Händen. Es war sauber, weiß und wie all die anderen, die er in seinem Leben hatte tragen müssen: wenigstens zwei Nummern zu klein. Erhatte schlichtweg keine Lust, sich dieses Ding anziehen und damit im Bett liegen zu müssen, und wollte wenigstens ein Gefühl der Unabhängigkeit behalten und mit seiner eigenen Kleidung im Stuhl sitzen. Aber dann erinnerte er sich an die ungeheure Kraft der Schwester und an deren letzte Bemerkung, daß er nur Bescheid zu sagen brauche, falls er Hilfe benötige. Hatte es sich dabei womöglich um eine höflich formulierte Drohung gehandelt, daß er notfalls auch mit Gewalt ausgezogen werden würde, falls er es nicht selbst täte?
Auf keinen Fall wollte er diesem Tentakelmonster die Befriedigung verschaffen oder vielleicht gar das Vergnügen bereiten, einen ihrer ›interessanten‹ Aliens auszuziehen.
Während er artig ins Bett stieg, hörte Hewlitt, wie sich jemand anders näherte, jemand, der beim Gehen ein leises, rutschendes Geräusch verursachte, das nicht einmal im entferntesten an schlurfende Füße erinnerte. Und als dieses Wesen zu sprechen begann, war neben den übersetzten Wörtern im Hintergrund ein unangenehmes Zischen zu hören »Ihre Farbe bröckelt übrigens ab, Lernschwester«, sagte die Stimme. »Geben Sie mir bitte die Krankenakte des Patienten, und erstatten Sie mir kurz Bericht. Anschließend begeben Sie sich umgehend in die für Ihre Spezies zuständige Kantine.«
»Selbstverständlich«, antwortete die Lernschwester gehorsam. »Als der medizinische Offizier der Treevendar, ein Stabsarzt des Monitorkorps namens Turragh-Mar, mir diese Krankenakte übergab, sagte er, daß der Patient auf den ersten Blick völlig gesund wirke und sich sein Zustand nicht verändert habe, wandte aber ein, daß womöglich eine gewisse psychologische Komponente ein Rolle spiele. Der einzige Beweis, der nach meinen Dafürhalten bislang für diese These spricht, ist die ausgeprägt fremdenfeindliche Reaktion, die der Patient während des Transports hierher an den Tag gelegt hat. Wie ich aus unserem vorangegangenen Gespräch entnommen habe, hat der Patient bislang, falls überhaupt, nur sehr beschränkten Kontakt mit Extraterrestriern gehabt. Offenbar fühlte er sich von dem Anblick der Mitarbeiter, die uns in den Korridorenentgegenkamen, belästigt. Ich hatte die Anweisung erhalten, den Patienten während des Transports alles sehen und hören zu lassen, damit er einen ersten Eindruck gewinnen konnte und ihn auf zukünftige nähere Kontakte mit Extraterrestriern vorbereitet würde. Als wir auf der Station ankamen, schien der Patient seine Xenophobie wenigstens einigermaßen unter Kontrolle zu haben, mit Ausnahme einer Spezies, die er noch immer optisch abstoßend findet und… «
»Danke, danke«, unterbrach die andere Stimme die Lernschwester. »Und jetzt gehen Sie sofort in die Kantine, und lassen Sie sich mit Ihrem Nahrungspräparat einsprühen, bevor Sie mir hier noch vor Hunger zusammenbrechen. Ich werde mich ab jetzt selbst um den Patienten kümmern.«
Die Sichtblenden wurden hochgezogen, und noch während sie in der Decke verschwanden, enthüllten sie ein gräßliches Etwas, das am Fußende von Hewlitts Bett stand. Bei dem fruchtlosen Versuch, zwischen sich und dem Ungetüm mehr Abstand zu schaffen, preßte er sich instinktiv mit aller Kraft gegen die Rückenlehne.
»Na, wie geht's uns denn, Patient Hewlitt?« erkundigte sich das Ungetüm freundlich. »Ich bin übrigens Oberschwester Leethveeschi, und wie Sie sicherlich schon bemerkt haben werden, bin ich eine Illensanerin… «
2. Kapitel
Die dicken, fleischigen, gelbgrünen Blätter in der Chlorhülle zuckten, dann öffneten sie sich und zwei stummelartige Beine kamen zum Vorschein, die von etwas bedeckt waren, das wie ölige Pusteln aussah. Damit bewegte sich das Wesen ein Stück vom Fußende zurück.
»Keine Angst, Patient Hewlitt, ich habe überhaupt nicht vor, mich Ihnen zu nähern, und ich will Sie auch ganz bestimmt nicht anfassen, es sei denn, es ist aufgrund eines medizinischen Notfalls unumgänglich«, beruhigte Leethveeschi ihren neuen Patienten. »Vielleicht hilft es Ihnen ja weiter, wenn Sie einmal darüber nachdenken, welche optische Wirkung Ihr weicher Körper mit seiner rosafarbenen, glatten Haut auf mein ästhetisches Empfinden hat. Also hören Sie bitte auf damit, sich mit dem Rücken durch die Wand drücken zu wollen. Falls es Ihnen hilft, können Sie ja die Augen schließen, während Sie mir zuhören. Erstens, haben Sie in letzter Zeit etwas gegessen? Zweitens, verspüren Sie einen starken Drang, Körperabfälle auszuscheiden?«
»A-also… ich…«, stammelte Hewlitt. Wider Erwarten ließ er die Augen offen und versuchte, die eklige Kreatur feindselig zu fixieren. Doch entdeckte er viel zu viele dunkle, nasse Verdickungen, die sich überall zwischen den öligen Farnwedeln und Membranen zeigten, als daß er hätte sagen können, welche davon Augen waren. »Gegessen habe ich, kurz bevor ich vom Schiff gegangen bin, und auf die Toilette muß ich auch nicht.«
»Dann haben Sie auch keinen Grund, das Bett zu verlassen«, stellte die Oberschwester klar. »Bleiben Sie also bitte liegen, bis Sie von Chefarzt Medalont untersucht worden sind und er ganz offiziell die Erlaubnis erteilt hat, daß Sie sich ohne Pflegepersonal auf der Station bewegen dürfen. Die nächste Mahlzeit wird in gut drei Stunden serviert, die Untersuchung wird noch vorher stattfinden. Es gibt aber überhaupt keinen Grund zur Besorgnis, Patient Hewlitt, denn das Verfahren wird sich überwiegend verbal und ohne körperlichen Kontakt abspielen.Falls man Ihnen gestattet, das Bett zu verlassen«, fuhr Leethveeschi fort, »erhalten Sie einen Translator, der für die Sprachen programmiert ist, die von den Patienten und Mitarbeitern dieser Station gesprochen werden. Anscheinend haben Sie bislang nur selten die Möglichkeit gehabt, mit fremden Spezies in Kontakt zu treten. Nun, hier werden Sie genügend Gelegenheit dazu finden. Sobald Sie die Lust dazu verspüren, sich mit den anderen Patienten zu unterhalten, und solange Sie dadurch nicht die Arbeit des Klinikpersonals behindern, sollten Sie das auch tun. Patienten, die Sichtblenden um ihre Betten haben, werden entweder gerade untersucht, ruhen sich aus oder sind aus anderen Gründen abgeschirmt und dürfen nicht gestört werden. Die meisten werden aber mit Ihnen reden wollen, wenn Sie sich nach Gesellschaft sehnen. Ach, und wegen deren äußeren Erscheinung brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen, schließlich sind hier alle Patienten häßlich, unförmig und optisch abstoßend. Ohne Ausnahme!«