Die letzte Diagnose
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ORBIT HOSPITAL ist ein Klinikum im All, das allen raumfahrenden Lebensformen der Galaxis medizinische Hilfe leistet. Es nimmt alle Gesch?pfe auf, ob sie ein Dutzend Gliedma?en haben oder gar keine, ob sie sich von Radioaktivit?t ern?hren oder Wasser atmen – von anderen exotischen Gewohnheiten und Bed?rfnissen ganz zu schweigen. Es ist ein ?kologisches Tollhaus und ein organisatorischer Irrwitz, aber es ist f?r alle da und es funktioniert. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes – lebensnotwendig.
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»Aber man hat Ihnen die Behinderung doch nicht angesehen!« unterbrach ihn Morredeth, und ein plötzlicher Muskelkrampf brachte sie bedrohlich nahe an die Bettkante. »Meine Freunde werden nicht hinter meinem Rücken lachen und tuscheln, sondern sich freundlich verhalten und meine Gesellschaft meiden, damit ich nicht ihren Ekel bemerke, den sie mir gegenüber empfinden. Aber das können Sie wahrscheinlich nicht verstehen, nicht wahr?«
»Versuchen Sie ruhig zu liegen, verdammt noch mal!« rief Hewlitt. »Sonst fallen Sie noch aus dem Bett und verletzen sich womöglich. Hören Sie endlich auf damit, so herumzurollen!«
»Wenn Sie der Anblick stört, dann gehen Sie doch!« erwiderte Morredeth. »Kelgianer können zwar manchmal ihre Gefühle kontrollieren, aber niemals verbergen. Starke Empfindungen sind nun mal mit unwillkürlichen Fell- und Körperbewegungen verbunden. Haben Sie das nicht gewußt?«
Nein, aber jetzt weiß ich es, murmelte Hewlitt in sich hinein und sagte dann laut: »Selbst terrestrische Psychologen vertreten die Auffassung, daß es oft besser ist, wenn man sich von seinen Gefühle befreit, anstatt sie aufzustauen. Ich möchte nicht gehen, sondern mich mit Ihnen unterhaltenund Sie von Ihren Problemen ablenken. Bis jetzt bin ich darin noch nicht sehr erfolgreich gewesen, wie?«
»Das kann man wohl laut sagen. Aber bleiben Sie ruhig, wenn Sie unbedingt wollen.«
Die Heftigkeit ihrer Körperbewegungen schien etwas nachzulassen, und Hewlitt beschloß, das Risiko einzugehen, nicht das Thema zu wechseln.
»Danke, Morredeth. Und was unser gemeinsames Problem angeht, haben Sie natürlich recht. Ihre Situation ist ungleich schlimmer als meine, da sie einen bleibenden Schaden haben, der darüber hinaus für jedermann sichtbar ist. Aber das heißt nicht, daß ich Ihre Gefühle nicht verstehen würde, denn ich hatte für viele Jahre dieselbe Art von Problemen, wenngleich in geringerem Ausmaß. Ich glaube nicht, daß die seelischen Narben jemals verheilen werden und ich mit der Notwendigkeit klarkommen werde, allein zu leben und zu arbeiten und den körperlichen Kontakt zu Frauen vermeiden zu müssen. Ich weiß, wie es Ihnen ergehen muß, allerdings weiß ich auch, daß Sie sich nicht ständig so miserabel fühlen werden.
Ist Ihnen eigentlich schon mal der Gedanke gekommen, daß möglicherweise Lioren und nicht die Hudlarerin recht haben könnte? Oder daß es besser wäre, wenn Sie Ihrem Problem hier an Ort und Stelle ins Auge sehen, ich meine, hier im Krankenhaus, wo jederzeit Hilfe verfügbar ist, anstatt zu Hause, wo Sie Ihrer Aussage nach ganz allein sein werden? Oder daß es Ihnen nicht immer so schlecht gehen wird, wie im Moment? Fast sämtliche Wesen, ob nun Kelgianer oder Terrestrier, gewöhnen sich mit der Zeit fast an alles und… «
»Sie reden schon wie Lioren…«, unterbrach ihn Morredeth, und dann passierte es…
Da ihr Fell längst nicht mehr so unruhig wie noch wenige Minuten zuvor war und die unkontrollierten Körperbewegungen allmählich nachgelassen hatten, kam ihre plötzliche Verkrampfung völlig unerwartet. Morredeth nahm die Form eines langgezogenen, pelzigen Zylinders an und ließ sich zur entgegensetzten Bettkante von Hewlitt rollen. Ohne nachzudenken, griff ermit beiden Händen nach ihr, um sie zurück aufs Bett zu ziehen.
Er erwischte sie am Stoffabschnitt, der die Wundverbände abdeckte, und gerade als er im Begriff war, ihren Sturz aufzuhalten, schnappten die Verschlüsse auf, und er hielt nur noch den Stoff in den Händen.
Die Kelgianerin gab ein langes, hohes Wimmern von sich, das sich wie ein Nebelhorn im Fistelton anhörte, dann bekam sie erneut einen Krampf und rollte auf die andere Seite des Betts zurück … und direkt auf Hewlitt drauf. Halb fallend, halb gleitend, fiel er mit der immer noch auf ihm liegenden Morredeth auf den Boden.
»Schwester!« schrie er.
»Ich bin schon da«, meldete sich die Hudlarerin, die sich bereits innerhalb der Sichtblenden befand und sich über die beiden beugte. »Sind Sie verletzt, Patient Hewlitt?«
»N… nein«, stammelte er. »Bis jetzt jedenfalls noch nicht.«
»Gut. Die Spezies, die der DBLF-Klassifikation angehören, setzen ihre Füße niemals als natürliche Waffen ein, so daß Ihnen wahrscheinlich nichts zustoßen wird. Erst mal brauche ich jemanden, der mir hilft. Ich möchte aber keine Zeit damit vergeuden, eine andere Schwester von einer anderen Station zu rufen, und außerdem will ich mir nicht nachsagen lassen, mit einem einfachen Notfall nicht klargekommen zu sein. Sind Sie bereit, mir zu helfen?«
Ich soll Ihnen helfen? dachte Hewlitt. Das Geräusch, das er von sich gab, konnte er noch nicht einmal selbst übersetzen, doch die Hudlarerin betrachtete es offenbar als Zustimmung.
»Ihre gegenwärtige Lage auf dem Fußboden ist für unser Vorhaben ideal«, versicherte sie ihm. »Sie sollen mir nämlich dabei helfen, Patientin Morredeth ruhigzustellen. Bitte legen Sie die Arme um sie herum, und greifen Sie mit beiden Händen in das Rückenfell. Noch fester, bitte, Sie tun ihr nicht weh. Bedauerlicherweise brauche ich vier meiner Gliedmaßen, um meinen Körper abzustützen, also bleibt noch ein Tentakel, mit dem ich Ihnen helfen werde, die Patientin ruhigzustellen, und mit dem anderenwerde ich das Beruhigungsmittel verabreichen. Gut, genau so werden wir es machen.«
Hewlitt versuchte, mit beiden Händen nach Morredeths Fell zu greifen und gleichzeitig die Innenseiten der Unterarme gegen ihren Rücken zu pressen, während die Hudlarerin mit einem Tentakel mit sanftem, aber festem Druck ihren Hals umschlang. Morredeth mußte ruhig gehalten werden, damit die Schwester die richtige Stelle für die Injektion ausfindig machen konnte. Die Kelgianerin gab noch immer diese hohen, wimmernden Geräusche von sich, während sie mit aller Macht versuchte, sich seinen Armen zu entwinden, indem sie mit den über dreißig Füßen über seinen Bauch, seine Brust und sein Gesicht hochzulaufen versuchte. Glücklicherweise waren die Beine kurz, dünn und nicht sehr muskulös, und die Füße, die keine Zehennägel oder sonstige knochige Enden hatten, waren wie kleine, feste Schwämme, so daß er das Gefühl hatte, ununterbrochen mit wattierten Trommelstöcken attackiert zu werden. Diese Erfahrung war allerdings eher etwas irritierend als schmerzhaft. Morredeths Anstrengungen mußten sie ins Schwitzen gebracht haben, denn er nahm eine zunehmende, leicht nach Pfefferminze riechende Körperausdünstung wahr.
Als wäre ihm mit einem Mal die ganze Kraft entwichen, spürte er in jedem Muskel seines Körpers eine unverhofft auftretende Schwäche, und dort, wo seine Haut das Fell berührte, das sich unentwegt zwischen seinen Fingern drehte und wand, kribbelte es heiß an den Händen und den entblößten Unterarmen. Diese Erfahrung war ihm derart fremd, und es kitzelte so sehr, daß er sich mit aller Anstrengung dagegen wehren mußte, nicht zu lachen. Plötzlich wölbte Morredeth den Rücken und versuchte, sich mit aller Gewalt zu befreien, wobei ihm fast die Hände abrutschten.
»Entschuldigung, aber meine Hände schwitzen!« keuchte er unter der Last. »Sie wäre mir beinahe entwischt.«
»Sie machen das sehr gut, Patient Hewlitt«, ermunterte ihn die Schwester, wobei sie die erst kurz zuvor verabreichte Beruhigungsspritze wieder in die Tasche zurücksteckte. »In wenigen Sekunden wird allesvorbei sein. Das vorübergehende Nachlassen Ihrer Umklammerung kann durch die Berührung Ihrer Finger mit dem Fell verursacht worden sein, das mit dem öligen Medikament des Wundverbands und dem Schweiß der Patientin durchtränkt ist. Außerdem habe ich erfahren, daß DBDG-Terrestrier selbst dann in den Handflächen schwitzen, wenn sie sich körperlich nicht anstrengen und keinen Temperaturanstieg haben. Dabei kann es sich um ein Anzeichen für eine heftige Gefühlsreaktion auf eine bestehende oder bevorstehende Stressituation handeln, die durch…«