Gebirgspass
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Auf einem fremden Planeten k?mpft seit sechzehn Jahren ein H?uflein Erdenmenschen den Kampf um’s ?berleben.
Durch eine Havarie ihres Raumschiffes, durch hohe Radioaktivit?t im Schiff und eisige K?lte au?erhalb gezwungen, den Landeplatz zu verlassen, sto?en sie endlich nach qualvoller, viele Todesopfer kostender ?berwindung einer Gebirgskette auf ein w?rmendes Niederungsgebiet. Die ?berlebenden versuchen, sich der „Wildnis“ anzupassen. Die „Erdgeborenen“ wissen um die Gefahr des Vergessens, ahnen den bereits sp?rbaren R?ckfall in eine „Urzeit“, wenn es ihnen nicht gelingt, moralische und ethische Werte der menschlichen Zivilisation und deren jahrtausendealtes Wissen weiterzugeben an die „Jugend“, damit diese die Kraft aufbringt, eines Tages den Pa? zu bezwingen, um zu dem Raumschiff zu gelangen, in der Hoffnung auf eine R?ckkehr zur Erde …
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Thomas wurde plötzlich von heftigem Husten geschüttelt. Er klappte zusammen wie ein Taschenmesser, stützte sich mit der Hand gegen eine Stein, und Oleg bemerkte, wie gelb und dünn seine Finger waren. Dick und Marjana waren schon vorausgegangen und hinter einer Wegbiegung verschwunden.
„Geben Sie Ihren Sack her, ich trage ihn“, sagte Oleg schuldbewußt.
„Nicht nötig, es geht gleich vorüber. Warte, gleich …“
Thomas lächelte schuldbewußt. „Eigentlich müßte ich euch Jungen ja mit gutem Beispiel vorangehen, euch führen, statt dessen schleppe ich mich nur so dahin … Ich glaubte, es würde besser werden, wenn ich von dem Kognak trinke.
Wie naiv …“
„Nehmen Sie doch noch einen Schluck“, schlug Oleg vor.
„Das nützt nichts, ich bin’s nicht mehr gewöhnt.
Außerdem hab ich Temperatur. Ach, wenn wir den Gebirgspaß doch erreichen würden. Ich müßte ins Krankenhaus, brauchte Ruhe und Behandlung statt heldenhafter Bergbesteigungen.“ Nach zwei Stunden hatten sie die Schlucht hinter sich gebracht. Der Bach stürzte jetzt als kleiner Wasserfall von einem etwa zwei Meter hohen Felsen herab. Ihn zu erklimmen, war jedoch schwierig. Thomas war so von Kräften, daß sie ihn buchstäblich hinaufziehen mußten. Die Ziege wurde am Seil hochgezerrt, und es grenzte fast an ein Wunder, daß niemand verletzt wurde, als das verängstigte Tier mit den spitzen, hart gepanzerten Hufen dabei wild um sich schlug.
Es war schon eine seltsame Empfindung: Mehrere Stunden lang waren sie die enge, halbdunkle Schlucht emporgeklommen, hatten nur das Rauschen des Wassers vernommen, plötzlich jedoch standen sie im Banne von so viel Raum und Weite, wie es Oleg noch nie gesehen hatte.
Die schneebedeckte, hier und da das Gestein freigebende Hochebene erstreckte sich über mehrere Kilometer und stieß gegen eine Gebirgswand. Hinter ihnen dagegen fiel sie als endloser steiler Hang ab und verlor sich in einem breiten Tal, das zunächst kahl und steinig, danach aber von Gebüsch— und Baumtupfen bedeckt war. Erst zum Horizont hin ging das Grün ineinander über und verschmolz zu dichtem, unübersehbarem Wald. Dort, drei Tage Wegstrecke von ihnen entfernt, lag auch die Siedlung, die man von dieser Stelle aus freilich nicht sehen konnte.
„Hier“, sagte Thomas, noch immer nach Luft ringend, „hier begriffen wir, daß wir gerettet waren. Wir kamen von den Bergen, doch was heißt kamen, wir krochen, zogen, selber halb erfroren, die Kranken hinter uns her, glaubten schon an nichts mehr und gelangten urplötzlich an den Rand dieser Hochebene. Sie steigt, wie ihr sehen könnt, leicht bis zu uns an, deshalb wußten wir erst, als wir hier anlangten, daß es wieder Hoffnung für uns gab. Damals herrschte ein heftiges Schneetreiben … ja, wer war seinerzeit eigentlich der erste? Ich glaube, Boris. Aber natürlich, es war Boris. Er eilte etwas voraus und blieb plötzlich stehen. Ich weiß noch genau, wie unvermittelt er innehielt, war aber zu erschöpft, um zu begreifen, weshalb er das tat. Als ich dann ankam, sagte er kein Wort. Er weinte, und sein Gesicht war ganz vereist. Die Sicht war an diesem Tag schlecht, doch mitunter lichtete sich der Schneeschleier für eine Minute, und wir begriffen, daß dort unten ein Tal lag, in dem Bäume wuchsen. Das aber bedeutete Leben …“
Wind ging, zum Glück nicht sehr stark, die Ziege tobte ausgelassen umher, freute sich an der Weite, vollführte, das zottige Hinterteil hochwerfend und tiefe dreieckige Spuren auf dem Schneelaken hinterlassend, große Sprünge. Sie blieb an einer braunen Stelle stehen und begann die gefrorene Erde mit dem Hornhöcker auf der Nase aufzureißen. Dabei seufzte sie und meckerte begehrlich offenbar steckte etwas ungemein Schmackhaftes im Boden.
„Hier gibt’s kein Wild“, sagte Dick vorwurfsvoll zu Thomas, als sei der schuld. „Wenn alles normal verläuft, sind wir in drei oder vier Tagen am Ziel“, erwiderte Thomas.
„Ich denke, ihr habt zwei Wochen gebraucht.“
„Ja, dreizehn Tage. Damals herrschte starker Frost, wir hatten viele Kranke und Verletzte bei uns, jetzt dagegen sind wir fast ohne Gepäck. Erstaunlich, wirklich … Als wär’s erst gestern — Boris und ich stehen hier an dieser Stelle und schaun hinunter ins Tal. Und wir begreifen, daß es Hoffnung gibt.“
Bis Einbruch der Dunkelheit brachten sie die Hochebene hinter sich und erreichten das Gebirgsvorland.
In der Nacht wurde es kälter, fiel die Temperatur unter Null. Dick und Oleg schliefen außen, Marjana und Thomas in der Mitte. Thomas hatte sich im Laufe des Tages so verausgabt, daß er nicht mal protestierte. Er glühte, konnte aber dennoch nicht warm werden, und als er bald darauf von trockenem Husten geschüttelt wurde, nahm Oleg ihn in die Arme, versuchte ihm von seiner Wärme abzugeben.
Marjana gab ihm eine Hustenmixtur zu trinken, die sie selbst gebraut hatte. Das Mädchen konnte nicht schlafen und unterhielt sich, um die Nacht zu verkürzen, flüsternd mit Oleg. Dick störte das, und er fauchte demonstrativ.
Schließlich sagte er: „Morgen gibt’s keine Tagesrast, ist das klar?“
„Na und?“ erwiderte Oleg. „Ich laß euch marschieren, und wenn ihr noch so pennen wollt.“
„Keine Bange“, sagte Oleg, „unsretwegen wird’s keine Verzögerung geben.“
„Egal, wegen wem.“
Oleg widersprach nicht, obwohl er genau begriff, daß Thomas gemeint war. Er dachte, der Kranke schliefe und höre es nicht, doch das war nicht der Fall. Thomas sagte: „Ich glaube, ich habe eine Lungenentzündung.
Entschuldigt, Freunde, daß alles so dumm gekommen ist.“
Sie hatten das Zelt in einer großen Felsnische aufgeschlagen, denn hier war es wärmer als auf offenem Gelände. Die Ziege machte sich neben ihnen zu schaffen, wühlte raschelnd im Boden.
„Was sucht sie bloß?“ flüsterte Marjana.
„Schnecken“, antwortete Oleg. „Ich hab gesehen, wie sie eine gefunden hat.“
„Ich dachte, den Schnecken wär’s hier zu kalt.“
„Wir leben ja auch, folglich können’s andere genauso.“
„Hier gibt's nicht das geringste“, knurrte Dick, „schlaft jetzt.“
Thomas begann wieder zu husten, und Marjana gab ihm erneut zu trinken. Man hörte seine Zähne gegen den Becherrand schlagen.
„Du solltest doch lieber umkehren“, sagte Dick.
„Zu spät“, erwiderte Thomas, „bis zur Siedlung schaffe ich es nie.“ „Du bist ein Dummkopf, Dick“, sagte Marjana „hast unsere Gesetze vergessen.“
„Ich habe gar nichts vergessen“, widersprach Dick laut.
„Ich weiß, daß wir uns um die Kranken kümmern müssen.
Ich weiß, was Pflicht bedeutet, weiß es nicht schlechter als du. Andererseits ist mir immer wieder eingebleut worden: Wenn wir’s diesmal nicht zum Paß schaffen, wenn wir nicht Eisen und Instrumente herbeischleppen, kann es das Ende der Siedlung bedeuten. Das hab nicht ich mir ausgedacht. Ich glaub sowieso nicht, daß die Siedlung zu zugrunde geht. Wir leben auch ohne Eisen und ähnliche Dinge ausgezeichnet. Ich kann mit meiner Armbrust einen Bären auf hundert Schritt Entfernung erlegen.“
„Kunststück“, sagte Oleg, „hast schließlich Eisenspitzen auf den Pfeilen. Wenn Sergejew sie nicht geschmiedet hätte, möcht ich dich den Bären mal erlegen sehn.“
„Ich kann solche Spitzen auch aus Stein herstellen. Es geht nicht ums Material, sondern ums Geschick. Jetzt aber scheucht man uns in diese Berge …“
„Niemand scheucht dich, du bist freiwillig mitgegangen“, erwiderte Oleg.
„Also gut, freiwillig. Ich hab ja auch keine Angst, nur ihr wißt selber — in ein paar Tagen gibt’s Schnee, und wenn wir uns weiterhin so langsam bewegen, kommen wir nie über den Paß. Möglicherweise auch nie wieder zurück.
Das aber wäre ausgesprochen dumm.“ „Was also schlägst du vor?“ fragte Oleg. Weder Thomas noch Marjana mischten sich in ihren Streit ein, hörten nur aufmerksam zu. Oleg kam es so vor, als sei sogar die Ziege still geworden, um zu lauschen.
„Ich schlage vor, daß Marjaschka und Thomas hierbleiben. Wir geben ihnen Decken und Nahrung, lassen ihnen alles da, wir beide aber laufen ohne jedes Gepäck zum Paß.“