Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See
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1784 — in der Stra?e von Malakka. Englands Ostindische Handelskompanie fa?t in Indonesien Fu?. Eine wichtige Rolle spielt dabei Seiner Majest?t Fregatte «Undine» unter ihrem Kommandanten Richard Bolitho. Mit intriganten Hofbeamten und einer verf?hrerischen Frau an Bord wird aus Bolithos Geheimauftrag ein erbitterter Kampf gegen Rebellen, Piraten und Saboteure, gegen den undurchdringlichen Dschungel, den Monsun und franz?sische Kanonen — und gegen die unbez?hmbare Leidenschaft f?r die Frau eines anderen.
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hatte sich dort den Revolutionären angeschlossen und ein Kaperschiff gegen die Engländer geführt. An dieser Nachricht war sein Vater gestorben, ganz gleich, was der Doktor als Todesursache genannt hatte.
Bolitho faßte sein Glas fester. Einen großen Teil seiner Prisengelder hatte es gekostet, das Land zurückzukaufen, das sein Vater hatte veräußern müssen, um Hughs Schulden zu bezahlen. Aber seine Ehre konnte er nicht zurückkaufen. Gut, daß Hugh tot war. Hätten sie sich je getroffen — Richard Bolitho hätte seinen Bruder umbringen können für das, was er getan hatte.
«Noch Wein?«Winslade schien selbst in Gedanken gewesen zu sein.»Sie segeln also zunächst nach Madras. Dort melden Sie sich bei… Nun, das lesen Sie noch in Ihrer Segelorder. Hat keinen Sinn, es jetzt schon bekanntzugeben. Könnte ja sein, Sie kriegen Ihr Schiff doch nicht voll bemannt, eh?»
«Ich schaffe es schon, Sir. Und wenn ich persönlich nach Corn-wall fahren muß.»
«Das wird hoffentlich nicht nötig sein.»
Winslade wechselte das Thema.»Während des amerikanischen Krieges haben Sie wahrscheinlich gemerkt, daß die Zusammenarbeit zwischen den militärischen und den zivilen Dienststellen sehr zu wünschen übrig ließ. Die Truppen kämpften, schlugen ihre Schlachten und vertrauten auf keine der beiden Instanzen. Dazu darf es nicht wieder kommen. Ihr neuer Auftrag müßte eigentlich von einem ganzen Geschwader ausgeführt werden und unter der Flagge eines Admirals. Aber das würde Aufsehen erregen, und gerade das will das Parlament angesichts der Unsicherheit dieses Friedens vermeiden. «Winslade schwieg einen Moment; dann fragte er unvermittelt:»Wo wohnen Sie in London?»
«In Southwark, im Hotel George.»
«Ich gebe Ihnen eine Adresse: das Haus eines Freundes am St. James' Square. «Er lächelte über Bolithos bedenkliche Miene.
«Machen Sie doch nicht so ein finsteres Gesicht! Es wird Zeit, daß Sie unter Menschen kommen und sich an Land etwas Rückendeckung sichern. Dieser Auftrag kann Sie mit anderen Leuten in Berührung bringen als mit abgeklapperten Stabskapitänen. Sie müssen die richtigen Leute kennenlernen, das kann Ihnen nur nützen. Ich schicke einen Kurier mit Instruktionen für Ihren Ersten Leutnant. «Er warf Bolitho einen raschen Blick zu.»Herrick, nehme ich an, von Ihrem letzten
Schiff.»
«Jawohl, Sir. «Er war sich nie im Zweifel darüber gewesen, wem er diesen Posten anbieten würde, wenn er je wieder ein Schiff bekäme.
«Na schön, Mr. Herrick also. Er kann die anfallenden Sachen erledigen. Ich brauche Sie für die nächsten vier Tage in London. Mindestens!«bekräftigte er, als er den Protest in Bolithos Miene sah. Nachdenklich blickte der Admiral ihn sekundenlang an. Gewiß, Bolitho wollte so schnell wie möglich wieder auf sein Schiff und fühlte sich in der fremden, verwirrenden Umgebung unsicher. Das und noch mehr stand ihm im Gesicht geschrieben. Als Bolitho vorhin ins Zimmer trat, war dem Admiral die Ähnlichkeit mit dem Vater aufgefallen: groß, schlank, das schwarze Haar am Nackenansatz zusammengebunden. Jedoch die schwarze Locke über dem rechten Auge erzählte eine andere Geschichte. Einmal, als Bolitho sein Glas hob, war sie verrutscht, so daß darunter eine weißliche Narbe sichtbar wurde, die sich bis in den Haaransatz hineinzog. Winslade war mit seiner Wahl sehr zufrieden. Bolithos ernste Züge verrieten Intelligenz und auch Mitgefühl, das sogar in sieben Kriegsjahren nicht geschwunden war. Winslade hätte sich seinen Mann aus hundert Kapitänen aussuchen können, aber er wollte einen haben, der ein Schiff und das Meer brauchte und nicht bloß die materielle Sicherheit, die eine solche Stellung mit sich brachte. Und er brauchte einen Mann, der nicht nur denken, sondern auch entsprechend handeln konnte, der sich nicht einfach auf die Feuerkraft seiner Breitseiten verließ. Bolithos Personalakte bewies deutlich, daß ihm eine schriftliche Order nicht die eigene Initiative ersetzte. Mehrere Admirale hatten gemurrt, als Winslade ihn für dieses Kommando vorschlug. Aber Winslade hatte seinen Kopf durchgesetzt, denn er hatte das Parlament hinter sich, und das war ebenfalls eine Seltenheit.
Mit einem Seufzer griff er nach der Tischglocke.»Gehen Sie jetzt, und leiten Sie Ihren Umzug in die Wege — ich gebe Ihnen gleich die Adresse. Im übrigen habe ich viel zu tun, also amüsieren Sie sich ruhig, so lange Sie können!»
Auf sein Läuten erschien ein Diener, brachte Bolithos Hut und Degen und legte ihm geschickt das Gehänge um. Winslade sah aufmerksam zu.»Immer noch dieselbe alte Klinge, wie?»
Er faßte den Degen an — eine in langem Dienst glattgewetzte Waffe und viel leichter als die modernen Degen.
«Aye, Sir«, lächelte Bolitho.»Mein Vater gab ihn mir, als… »
«Ich weiß. Denken Sie nicht mehr an die Geschichte mit Ihrem Bruder, Bolitho. «Er tippte nochmals an den Degengriff.»Ihre Familie hat in vielen Generationen so viel Ehre angesammelt, daß sie durch einen einzelnen nicht entehrt werden kann. «Er hielt ihm die Hand hin.»Seien Sie vorsichtig. Sicher zerreißen sich schon manche Leute den Mund über Ihren heutigen Besuch bei mir.»
Bolitho trat hinter dem Diener auf den Flur und dachte unruhig über die verschiedenen Gesichtspunkte der Unterredung nach. Madras… Ein fremder Kontinent… Eine lange, schwierige Reise, aber offenbar nur der Anfang seiner Mission.
Jede Meile, die er segelte, würde ihre Schwierigkeiten bringen, dachte er lächelnd. Und ihren Lohn. Er blieb einen Augenblick unter dem Torbogen stehen und starrte auf das Gewimmel der Menschen und Wagen. Bald würde er wieder auf dem offenen Meer sein, nicht mehr in diesem Schmutz und Lärm! Ein Schiff war ein lebendiges Wesen, etwas ganz anderes als diese langweiligen, pompösen Bauwerke.
Jemand berührte seinen Arm. Er fuhr herum und sah einen jungen Mann in schäbiger Uniform, der ihn mit banger Erwartung anblickte.»Ja, bitte? Sie wünschen?»
«Mein Name ist Chatterton, Captain«, sagte der Mann gepreßt.»Ich war Zweiter Leutnant auf der Warrior, vierundsiebzig Geschütze. «Er zögerte, als er Bolithos ernste Miene sah.»Ich höre, Sie rüsten aus, Sir, und da dachte ich… »
«Tut mir leid, Mr. Chatterton. Meine Offiziersmesse ist voll.»
«Ja, Sir, das dachte ich mir. «Er schluckte.»Vielleicht könnte ich als Steuermannsmaat anmustern?»
Bolitho schüttelte den Kopf.»Leider brauche ich nur Matrosen. «Enttäuschung verdüsterte die Miene des jungen Mannes. Die alte Warrior hatte bei kaum einer Seeschlacht gefehlt; tapfere Männer hatten voller Stolz ihren Namen genannt. Und jetzt stand ihr Zweiter Leutnant wie ein Bettler da.
«Wenn ich Ihnen aushelfen kann«, sagte Bolitho leise,»eine kleine Überbrückung… «Er faßte in die Tasche.»Danke, nein, Sir. «Der junge Mann zwang sich ein Lächeln ab.»Jedenfalls jetzt noch nicht. «Er stellte seinen Rockkragen hoch. Im Weggehen rief er noch:»Viel Glück, Captain!»
Bolitho sah ihm nach, bis er um die Ecke war. So hätte es auch Herrick gehen können, dachte er. Und jedem von uns.
Der immer steifer werdende Südost peitschte den Solent [2] zu einer einzigen Masse kabbeliger, schaumgekrönter Wellen auf, und die Undine, Fregatte Seiner Majestät, zerrte trotzig an ihrer Ankerkette.
Leutnant Thomas Herrick stellte den Kragen seines schweren Wachmantels hoch und nahm seinen Gang über das Achterdeck wieder auf. Er kniff die Augen zusammen, um sie vor dem Gemisch aus Regen und Sprühwasser zu schützen. Im feuchten Zwielicht sah die straffgespannte Takelage aus wie ein Gewirr schwarzer Glasröhren.
Trotz des schlechten Wetters herrschte lebhafter Betrieb an Deck, ebenso längsseits in den schwankenden Versorgungsbooten und Leichtern. Hier und da, auf den Decksgängen und im Bug des Schiffes, setzten die roten Uniformen der Wache stehenden Seesoldaten dem alles beherrschenden trüben Grau ein paar farbige Lichter auf. Die Marineinfanteristen sollten dafür sorgen, daß die von den Booten und Leichtern übernommenen Lebensmittel und Ausrüstungsgegenstände nur in einer Richtung gingen und nicht durch eine offene Luke im Tausch gegen billigen Schnaps und andere Genüsse wieder an Land gelangten.