Der Wiedersacher
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Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.
"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost
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Was für eine wichtige Erkenntnis. Und in seiner momentanen Situation so ungemein hilfreich.
Brenner war sich der Tatsache vollkommen bewußt, daß er kurz davor stand, einfach hysterisch loszuschreien. Er hatte Salid nicht mehr widersprochen und sich auch nicht widersetzt, als dieser nach kurzer Durchsuchung der leeren Krankenz immer begonnen hatte, wahllos Kleider aus einem Schrank zu zerren – offensichtlich war die Station so übereilt geräumt worden, daß man nicht einmal alle Habseligkeiten der Patienten mitgenommen hatte – und an ihn zu verteilen. Zum erstenmal seitTagen trug er wieder richtige Kleider, keinen Krankenhauspyjama, der Rücken und Hintern Zugluft und hämischen Blicken preisgab, und allein dafür war er dem Araber dankbar. Auch Salid hatte sich ein Jackett ausgeborgt, anstelle seines blauen Morgenmantels. Brenner konnte es nicht deutlich erkennen, vermutete aber, daß derTerrorist dennTerroristen waren nach landläufiger Vorstellung immer groß und breitschultrig – eine einigermaßen lächerliche Figur machen mußte, und während sie das Zimmer verließen und den Gang hinuntereilten, versuchte er mit aller Energie, wenigstens etwas davon zu sehen. Kneifende Falten, zu kurze Jackenärmel … er konnte nichts davon erkennen, aber in seinem Zustand bedeutete das nicht, daß es nicht da war.
Außerdem war es ungefähr ebenso wichtig wie das, was er gerade über Schneider gedacht hatte – und denTelefonsex mit Übersee.
Trotzdem beschäftigten ihn diese Fragen weitaus intensiver als die, was hinter der nächstenTür auf sie warten mochte oder gar draußen, sollte es ihnen tatsächlich gelingen, die Klinik zu verlassen. Die kleinen Helfer, die Schneider in seinen Kreislauf geschickt hatte, verrichteten ihre Arbeit offenbar noch immer mit großem Eifer: Es war ihm jetzt vielleicht möglich, sich auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren, aber nicht auf irgend etwas Wichtiges.
»Warten Sie einen Moment hier«, sagte Salid plötzlich. »Keinen Laut.«
Brenner hörte, wie er die Tür öffnete und rasch hinter sich wieder zuzog, und für einen kurzen Moment sprang ihn doch die Panik an, wenn auch aus einem Grund, der ihm fast lächerlich vorgekommen wäre – wäre er imstande gewesen, irgend etwas anderes als Angst zu empfinden: Plötzlich fürchtete er sich vor nichts mehr als davor, allein zu sein. Ganz egal, wer bei ihm war, und sei es derTeufel persönlich, alles war besser als der Folterknecht, dem er die letzten drei Tage ausgeliefert gewesen war: dem Alleinsein.
Irgendwie gelang es ihm, seiner Gefühle Herr zu werden und die Panik niederzukämpfen, aber es war ein knapper Sieg, der auf der Rennbahn mit einem Zielfoto entschieden worden wäre. Seine Hände und Knie zitterten, und sein Atem ging plötzlich doppelt so schnell wie zuvor. Seine körperlichen Kräfte mochten zurückkehren, aber die seines Verstandes waren erschöpft. Das war zumindest eine Erklärung dafür, daß er Salid widerstandslos gefolgt war. Er konnte niemandem mehr widersprechen. Nicht einmal einem Massenmörder und Terroristen.
Salid kehrte schon nach wenigen Augenblicken zurück und streckte die Hand aus, um Brenner am Ellbogen zu ergreifen und vor sich herzuschieben, wie er es die ganze Strecke von seinem Zimmer bis hierher getan hatte, stockte aber dann mitten in der Bewegung. Brenner konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deutlich erkennen, aber er legte den Kopf schräg und bewies so, daß er ihn aufmerksam musterte.
»Was ist los mit Ihnen?« fragte er. »Sie sind kreidebleich. Ist Ihnen nicht gut?«
Brenner war nicht ganz sicher, ob der sonderbareTon in seiner Stimme Mißtrauen oder wirkliche Sorge war; und wenn ja, worüber. Er deutete ein Kopfschütteln an.
»Es ist nichts«, behauptete er. »Mir ist ein wenig übel, das ist alles.«
»Das vergeht«, behauptete Salid. »Wahrscheinlich eine Nebenwirkung der Medikamente, mit denen man Sie vollgestopft hat. Schaffen Sie es bis nach unten?«
»Kein Problem«, log Brenner. Tatsächlich war er sich nicht sicher. Das leere Gefühl heftigen Erschreckens ließ nicht nach, wie es normal gewesen wäre, sondern schien im Gegenteil schlimmer zu werden. Es war absurd: Er konnte fühlen, wie seine Kräfte zurückkehrten, mit jeder Sekunde, die sich sein Kreislauf gegen die Medikamente zur Wehr setzte, aber diese Energien schienen irgendwo auf halbem Wege zu versickern.
»Also gut«, sagte Salid. Er klang nicht überzeugt. »Beißen Sie die Zähne zusammen. Es ist nicht weit. Später können Sie ausruhen. «
Diesmal war Brenner fast dankbar, als er ihn am Ellbogen ergriff und vor sich her durch dieTür schob. Die winzige Anstrengung, einen Fuß vor den anderen zu setzen, wurde mit jeder Wiederholung schlimmer. Er hatte sich getäuscht: Nicht seine körperlichen Kräfte schwanden, sondern sein Wille.
Das Wenige, was er von dem Korridor auf der anderen Seite derTür erkennen konnte, unterschied sich nicht von dem, aus dem sie kamen. Graue Schemen und hier und da die geraden Linien einer Tür. Und es war genauso still wie auf der anderen Seite. Zu still.
Sie gingen nur wenige Schritte weit, dann blieb Salid abermals stehen und wiederholte seine Aufforderung, zu warten. Brenner nahm verschwommen wahr, daß er eine Tür öffnete und hindurchtrat, und im nächsten Moment schon hörte er ihn auf der anderen Seite lautstark und in einer ihm unbekannten Sprache fluchen. Als er zurückkam, konnte er seine Nervosität beinahe riechen.
»Was ist passiert?« fragte er.
»Nichts«, antwortete Salid. »Ich habe einen Fehler gemacht, das ist alles. Schnell jetzt!«
Sie gingen in schärferem Tempo weiter. Salid öffnete eine weitere Tür, schob Brenner hindurch und bugsierte ihn nach einem knappen Dutzend Schritte in eine Liftkabine.
»Können Sie die Schalttafel erkennen?« fragte er.
Brenner kniff die Augen zusammen, aber sein Sehvermögen war offenbar noch nicht imstande, so fein zu differenzieren. Er sah dieTafel, aber mehr nicht.
Salid seufzte, nahm seine Hand und legte seinen Zeigefinger auf einen der Knöpfe. »Zählen Sie in Gedanken bis dreißig«, sagte er. »Einundzwanzig … zweiundzwanzig … dreiundzwanzig … Klar? Dann drücken Sie den Knopf.«
Brenner nickte. Salid schien noch etwas sagen zu wollen, drehte sich aber dann wortlos um und verschwand mit raschen Schritten. Brenner hörte, wie er eine Tür in der Nähe öffnete und hindurchtrat.
Er begann gehorsam zu zählen. Er hatte keine Ahnung, was dieses Manöver sollte; wahrscheinlich hätte er es nicht einmal dann auf Anhieb durchschaut, wenn er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen wäre, aber er hätte in diesem Moment vermutlich alles getan, was Salid – oder sonstwer – von ihm verlangte. Selbst das Denken fiel ihm mittlerweile schwer. Einen Entschluß zu fassen, und sei es nur den, irgend etwas nicht zu tun, war viel zu mühsam.
Langsam zählte er in Gedanken bis fünfundzwanzig, dann noch einmal bis fünf und drückte den Knopf dann mit einer übertrieben konzentrierten Bewegung nieder. Die Aufzugtüren schlossen sich, und die Kabine setzte sich abwärts in Bewegung.
Sie fuhr nicht sehr weit. Brenner hatte bei dreißig nicht aufgehört zu zählen, aber der Lift hielt wieder an, noch bevor er bei vierzig angekommen war, und die Türen glitten wieder auseinander. Als er in Gedanken einundvierzig formulierte, flog irgend etwas Riesiges, Weißes zu ihm herein und schmetterte ihn mit solcher Wucht gegen die Wand, daß ihm die Luft aus den Lungen gepreßt wurde. Sein Kopf prallte gegen das verchromte Metall der Liftkabine. Grelle Schmerzblitze explodierten vor seinen Augen, und irgend etwas drückte gegen seine Kehle und schnürte ihm zusätzlich den Atem ab.
»Hören Sie auf! Das ist er nicht! «
Der furchtbare Druck auf seine Brust ließ nach, aber er bekam immer noch keine Luft. Der Mann, der ihn gegen die Wand geworfen hatte, preßte seinen Unterarm gegen Brenners Hals und drückte damit gleichzeitig seinen Kopf in den Nacken und seine Kehle zu. Seine andere Hand hatte Brenners rechten Arm gepackt und in der Brutalo-Version eines Polizeigriffes auf den Rücken gedreht.