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Der Wiedersacher

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Der Wiedersacher
Название: Der Wiedersacher
Автор: Hohlbein Wolfgang
Дата добавления: 16 январь 2020
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Der Wiedersacher - читать бесплатно онлайн , автор Hohlbein Wolfgang

Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.

"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost

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Aber er starb nicht. Das Schicksal war nicht so gnädig mit ihm. Der Sturm beutelte ihn eine Weile, doch er brachte ihn nicht um, sondern ließ ihn am Ende frei. Vor ihm war plötzlich Licht, und das Heulen des Sturmes war nicht mehr das einzige Geräusch, das er hörte. Er hatte den Hof überquert; vor ihm lag das Schulgebäude, in dessen Erdgeschoß sich die provisorische Kommandoleitstelle befand. Und nicht nur das: Vor ihm hörte der Sturm wie abgeschnitten auf, und Weichster bot sich ein Anblick von geradezu absurder Friedfertigkeit. Durch die großen, sprossenlos verglasten Fenster fiel weißes Neonlicht heraus, das trotz seines kalten Tones Sicherheit und Wärme zu versprechen schien. Die Welt dahinter unterschied sich radikal von der weißen Hölle, die ihn verschlungen und wieder ausgespuckt hatte: An den Wänden hingen bunte Kindergemälde, Poster und große Blätter mit einzelnen Druckbuchstaben, und an den Fenstern selbst ungelenke Collagen aus Transparentpapier, welche bunte Lichtsplitter in die trapezförmigen Flecken zauberten, die das Neonlicht auf den Schulhof warf. Die Gestalten, die sich hinter den Scheiben bewegten, paßten in ihren gefleckten Tarnanzügen ebensowenig zu der Umgebung wie das klobige Funkgerät auf dem Lehrerpult und die Generalstabskarte, welche die Schiefertafel verdeckte, aber nichts davon vermochte den friedfertigen Eindruck wirklich zu zerstören, den das Bild vermittelte.

Vielleicht wäre surrealistisch das passendere Wort gewesen. Weichsler war nicht mehr in einem Zustand, alles, was er sah, bewußt zu verarbeiten, aber etwas in ihm registrierte das Alptraumhafte der Szenerie sehr wohl, und es steigerte seine Furcht noch: Dieser Sturm war kein normaler Sturm. Schnee und Eis wüteten mit unvorstellbarer Gewalt, aber sie tobten nur auf einem winzigen, streng abgegrenzten Areal. Weichsler konnte den Himmel über sich jetzt wieder sehen. Er war so klar wie die Nacht auf der anderen Seite des Schulgebäudes. Der Sturm schien sich nur auf den Bereich unmittelbar vor derTurnhalle zu konzentrieren. Selbst sein Heulen war kaum noch zu hören. Dafür konnte er die Stimmen seiner Kameraden verstehen. Sie redeten über Belanglosigkeiten und lachten. Keiner von ihnen hatte auch nur bemerkt, was hier draußen vorging.

Weichsler taumelte das halbe Dutzend Stufen hinauf, das zur Tür führte, aber er schaffte es nicht, die schweren Eichenflügel zu öffnen. Die Kälte hatte seine Finger zu Krallen werden lassen, die zu nichts mehr gut waren als dazu, weh zu tun. Weichsler sank erschöpft gegen die Tür und sah in den Sturm zurück. Das weiße Chaos tobte mit ungebrochener Heftigkeit weiter. Seine Wut schien sogar noch zugenommen zu haben. Aber im Inneren des weißen Blizzard war noch etwas. Was er für den Tanz sturmgepeitschter Eiskristalle oder den Anblick reiner Bewegung gehalten hatte, besaß Substanz. Der Horror war nicht in derTurnhalle zurückgeblieben, sondern folgte ihm. Sie folgten ihm, und Weichsler wußte, daß er ihnen nicht entkommen würde. Er hatte einen Teil jener anderen, dunklen Facette der Welt berührt, die den Toten gehörte, und nun kamen sie, um sich zu holen, was ihnen zustand. Trotzdem gab er nicht auf. Keine Angst vor dem Tod zu haben hieß nicht, das Sterben nicht zu fürchten.

Seine Hände gehorchten ihm immer noch nicht, so daß er den schweren Messingtürgriff ungeschickt mit dem Ellbogen herunterdrückte, während er gleichzeitig dieTür mit der Schulter aufschob. Zu seiner eigenen Überraschung gelang es ihm auf Anhieb. Er taumelte hindurch, wandte sich nach links und stolperte an einem halben Hundert gefleckter Parkas vorüber, die an Kleiderhaken in Erstkläßler-Höhe aufgehängt waren.

Der Bereitschaftsraum befand sich gleich hinter der ersten Tür. Mit Ausnahme der beiden Wachoffiziere befanden sich noch drei weitere Soldaten hier: Zwei lümmelten neben der Kaffeemaschine und unterhielten sich leise, der dritte versuchte gerade, in den linken Ärmel seines Parkas zu schlüpfen; den anderen hatte er bereits an, und absurderweise hatte er auch schon das Gewehr über die rechte Schulter gehängt: Weichslers Ablösung, die sich bereitmachte, ihre Schicht zu übernehmen.

Die Gespräche im Raum verstummten abrupt, als Weichsler hereintaumelte. Einer der Männer an der Kaffeemaschine verschluckte sich an seinem Getränk und ließ beinahe seinen Plastikbecher fallen, der andere grinste weiter, aber es sah mit einem Male eher aus wie eine Grimasse. Weichslers Ablösung erstarrte mitten in der Bewegung zu einer grotesken Statue. Nur der jüngere der beiden Wachoffiziere reagierte so, wie es seine Vorgesetzten von ihm erwartet hätten. Er verschwendete keine Zeit damit, zu erschrecken oder Weichsler anzustarren, sondern sprang von seinem Platz hoch und sorgte gleichzeitig mit einer entsprechenden Handbewegung für Ruhe.

»Weichsler! Was ist passiert?«

Weichslers erster Versuch, zu antworten, scheiterte kläglich. Die Kälte hatte seine Lippen taub werden lassen, und sein Herz hämmerte so heftig gegen seine Lungen, daß er kaum Luft bekam. »… Zeit«, stammelte er. »Sie … kommen! «

»He, he! Ich weiß, daß ich zu spät dran bin, aber das ist doch kein Grund, gleich in Panik zu geraten! « Weichslers Ablösung versuchte die Spannung mit einem schalen Witz zu lösen, aber niemand lachte. Mit Ausnahme des Wachoffiziers, der die Bemerkung mit einem wütenden Blick ahndete, schien niemand die Worte auch nur zur Kenntnis zu nehmen.

»Also, Weichsler – was ist los? Atmen Sie tief durch, und dann erzählen Sie.«

Weichslers Blick ging zum Fenster, während er dem Rat tatsächlich folgte und die Lungen fast bis zum Bersten mit Luft vollsog. Es war absurd, aber von hier aus betrachtet wirkte der Sturm vollkommen harmlos. Nicht einmal wirklich wie ein Sturm. Aus dem Heulen tausend losgelassener Höllenhunde war ein fernes Brausen geworden, und der Blizzard hatte sich in ein fast ästhetisch anzuschauendes Schneegestöber verwandelt. Irgend etwas kam näher.

»Also?«

»Die … die Toten«, stieß Weichsler atemlos hervor. »Sie … sie sind … aufgewacht.« Das letzte Wort stieß er so atemlos hervor, daß es allein dadurch den letzten Rest von Glaubwürdigkeit verloren hätte.

Allerdings lachte niemand.

»Wie bitte?« Der Wachoffizier riß ungläubig die Augen auf. »Was soll das heißen? Was zum Teufel wollen Sie damit sagen? Reden Sie schon, Mann!«

»Sie sind aufgewacht! « wiederholte Weichsler. Er war nur noch eine halbe Oktave davon entfernt, zu schreien. »Wir müssen weg! Sie kommen! Versteht ihr denn nicht?«

Natürlich verstand keiner, was er meinte – und wie auch? Aber er hatte einfach keine Zeit für Erklärungen. DieToten waren ihm gefolgt, und sie waren bereits nahe, das spürte er. Ganz nahe.

Ein dumpfes Klatschen erscholl, und für einen Moment wandte sich aller Aufmerksamkeit dem Soldaten neben der Kaffeemaschine zu. Er hatte seinen Becher endgültig fallen lassen und stand in einer Pfütze aus dampfendem braunen Kaffee. Sein Gesicht verlor von einer Sekunde zur anderen jede Farbe. »Großer Gott! Sein … sein Bein! Was ist das?! «

Weichsler sah an sich herab und erinnerte sich plötzlich wieder an das Gefühl von nachgebendem Widerstand, als er seinen Fuß losgerissen hatte. Genaugenommen hatte er seinen Fuß nicht aus dem Griff befreit. Sein rechter Knöchel wurde von einer grauen Hand umklammert, die dicht über dem Gelenk abgerissen war.

Weichslers Ablösung stieß einen würgenden Laut aus, schlug die Hand vor den Mund und wandte sich mit einem Ruck ab, und der zweite Soldat reagierte eine Sekunde später, dafür aber so heftig, daß er fast die Kaffeemaschine vom Tisch gestoßen hätte. Selbst der Wachoffizier, der bisher die Nerven behalten hatte, verlor für einen Moment die Kontrolle: Er prallte mit einem erstickten Keuchen zurück und stieß gegen seinen Kollegen, der hinter ihm erschrocken aufgesprungen war. »Mein Gott, Weichsler, was … was haben Sie gemacht?« krächzte er.

Weichsler kam nie dazu, zu antworten. Etwas wurde aus dem Schneegestöber herauskatapultiert und zertrümmerte das Fenster, und mit dem Glas zerbrach auch der zweite, unsichtbare Schutz, den es bisher gegeben hatte. Mit einem Male war der Sturm da, und mit ihm heulten Kälte, Eis und ein Regen rasiermesserscharfer Glassplitter herein. Die überraschten Schreie der Männer gingen in einem urgewaltigen Brüllen unter, das nichts Wirkliches mehr hatte: der Schrei eines mythischen Drachen, nicht das Geräusch eines Schneesturmes. Der Blizzard hatte die Distanz zum Haus mit einem Satz übersprungen und war nun hier drinnen.

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