Der Wiedersacher
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Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.
"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost
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»Eine Straßensperre?« Salid spannte sich fast unmerklich, aber Heidmann machte rasch eine beruhigende Geste. Brenner wurde ein ganz kleines bißchen nervös, als Heidmann die linke Hand vom Lenkrad nahm und damit in den Mantel griff. Aber das Schicksal schien immer noch auf ihrer Seite zu sein: Der Wagen blieb treu in der Spur, und sie landeten nicht im Straßengraben.
»Keine Sorge. Niemand wird dumme Fragen stellen.« Er zog einen in transparenten Kunststoff eingeschweißten Ausweis hervor und reichte ihn Salid. Brenner sah, wie Salid überrascht und wohl auch ein bißchen ungläubig die Stirn runzelte, als er erkannte, worum es sich handelte: um Heidmanns Dienstausweis, der ihn als Polizeibeamten identifizierte. Aber zu seiner Überraschung sagte Salid nichts, sondern reichte Heidmann den Paß nach ein paar Sekunden zurück. Ebenso wortlos wandte er sich nach einigen weiteren Sekunden um und ging in den hinterenTeil des Wagens zurück, um sich wieder neben Johannes zu setzen. Brenner hörte, wie er leise mit dem Jesuitenpater zu sprechen begann, konnte aber nicht verstehen, was er sagte.
»Sie wissen, daß er Sie töten wird, wenn das hier eine Falle ist«, sagte er leise.
Heidmann lächelte nur, und fast im gleichen Moment wurde auch Brenner selbst klar, wie lächerlich diese Worte klingen mußten. Heidmann gehörte nicht mehr zu den Menschen, die derTod erschrecken konnte.
»Entschuldigung«, sagte er.
»Schon gut. Man kann alte Gewohnheiten schlecht von einem Tag auf den anderen ablegen, nicht?« Er machte eine Kopfbewegung nach hinten. »Besser, Sie gehen jetzt auch nach hinten. Es kann nicht mehr weit sein.«
Brenner stand zögernd auf. Er hätte sich gerne noch weiter mit Heidmann unterhalten, war aber zugleich auch erleichtert, aus seiner Nähe zu entkommen. Es war ein unheimliches Gefühl, mit einem Toten zu sprechen. Aber vielleicht, überlegte er, sollte er sich besser daran gewöhnen. Was hatte Heidmann doch gleich gesagt: Vielleicht müssen wir unsere Begriffe von Tod und Leben neu definieren?
Der Helikopter landete fast auf die Minute pünktlich. Wenigstens vermutete Kenneally, daß es so war – seine Armbanduhr war stehengeblieben, und ob er seiner inneren Uhr noch vertrauen konnte, wußte er nicht. Sie behauptete jedenfalls, daß seit seinemTelefonat anderthalb Stunden vergangen waren, als der Hubschrauber auf dem Krankenhausdach zur Landung ansetzte.
Kenneally waren sie vorgekommen wie anderthalb Jahrhunderte. Er hatte nur noch schemenhafte Erinnerungen daran, wie er aus dem Haus auf der anderen Straßenseite heraus-und hierhergekommen war. Der gleiche Überlebensmechanismus, der ihn schon einmal vor den schlimmsten Bildern bewahrt hatte, hatte erneut eingesetzt: Ebenso wie an die Szene vor dem belagerten Haus erinnerte er sich auch an seinTreffen mit dem Smith-Ding nur noch wie an einen Traum, in dreidimensionalen, grausam klaren und farbigen Bildern zwar, aber zusammenhanglos und mit einem Gefühl der Irrealität, das dem Grauen seine schlimmste Spitze nahm. Irgend etwas in ihm verhinderte, daß er sich erinnerte; darüber war er sich diesmal sogar im klaren, aber er kämpfte nicht dagegen an. Es war eine Halluzination gewesen, nicht weniger, aber, verdammt noch mal, auch nicht mehr. Was sie zu bedeuten hatte, stand auf einem anderen Blatt und spielte im Moment keine Rolle.
Kenneally hatte auf der windabgewandten Seite des Treppenhauses Schutz gesucht, wodurch er den Hubschrauber erst bemerkt hatte, als dieser sich aus dem Nachthimmel herabsenkte. Er sah ihn nur aus den Augenwinkeln, aber einTeil seines Bewußtseins registrierte alles sehr genau. Er hatte von Helikoptern wie diesen gehört, aber noch niemals selbst einen gesehen: Maschinen, die nicht nur auf Radar-und sonstigen Ortungsschirmen so gut wie unsichtbar waren, sondern auch beinahe lautlos flogen. Soweit Kenneally wußte, gab es nur eine Handvoll davon, die für streng geheime Operationen der CIA oder des Militärs reserviert waren. Der Umstand, daß sein geheimnisvoller Besucher eine dieser Maschinen flog, sagte eine Menge mehr über ihn als alles, was Kenneally in den letzten Jahren herausgefunden hatte.
Die Seitentür des Helikopters wurde aufgeschoben, als Kenneally den halben Weg hinter sich gebracht hatte. Kenneally hielt darauf zu und zog den Kopf zwischen die Schultern. Trotzdem schien sich der Schnee, der in sein Gesicht peitschte, plötzlich in einen Hagel aus Glasnadeln zu verwandeln, der ihm schier die Tränen in die Augen trieb, und auf den letzten Metern war er nicht einmal mehr sicher, es zu schaffen. Die Rotoren mochten lautlos sein, aber sie entfesselten einen wahren Sturmwind, der ihn von den Füßen zu reißen drohte; dazu kam, daß der Miniatur-Taifun den frisch gefallenen Schnee davonfegte und das Dach darunter spiegelglatt gefroren war. Er stolperte mehrmals und fiel nur wie durch ein Wunder nicht hin.
Eine Hand streckte sich ihm entgegen, als er den Helikopter erreichte. Kenneally griff dankbar danach, hielt sich mit der anderen Hand am Türrahmen fest und zog sich mit einer letzten Kraftanstrengung ins Innere der Maschine – um prompt endgültig die Balance zu verlieren und schmerzhaft auf ein Knie herabzufallen, denn der Pilot ließ den Hubschrauber wieder aufsteigen, noch bevor er ganz in der Kabine war.
Kenneally kroch mit einer ebenso ungeschickten wie hastigen Bewegung ein Stück weiter, während der Mann, der ihm geholfen hatte, rasch die Tür schloß. Durch das große Fenster darin konnte Kenneally erkennen, wie schnell sie an Höhe gewannen. Die Lautlosigkeit, mit der dies geschah, war beinahe gespenstisch. Hier drinnen war der Motorenlärm fast überhaupt nicht mehr zu hören.
Er wollte sich aufrichten, sank aber mit einem überraschten Laut wieder zurück und hielt sich das linke Knie, auf das er gefallen war. Der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen. Kenneally wartete einige Sekunden, dann stemmte er sich mit zusammengebissenen Zähnen auf die Sitzbank hoch. Sein linkes Bein pochte erbärmlich, und für eine Sekunde war der Schmerz so schlimm, daß ihm übel wurde. Zugleich kam es ihm fast grotesk vor – er hatte doch nicht wirklich all dies überstanden, um sich dann beim Einsteigen in einen Hubschrauber das Bein zu brechen, oder?
»Alles in Ordnung?«
Kenneally nickte und umklammerte mit beiden Händen sein Knie, ehe er den Kopf hob und sein Gegenüber ansah. Er erlebte eine Überraschung. Er hatte die Stimme erkannt, obwohl sie sich anders anhörte als amTelefon, aber das Gesicht, in das er blickte, paßte nicht zu ihr. Die Stimme, die sein Leben in den letzten fünfzehn Jahren weit mehr beeinflußt hatte, als ihm bis heute überhaupt klargewesen war, war die eines alten – oder zumindest älteren – Mannes, volltönend und von einer Autorität erfüllt, die Assoziationen von weißem Haar und starken Händen weckte, aber was er sah, war das genaue Gegenteil. Sein Gegenüber war keinenTag älter als fünfunddreißig – allerhöchstens – und dunkelhaarig, dazu sehr schlank und von einer fahrigen Nervosität, die Kenneally selbst jetzt spüren konnte, obwohl der Mann regungslos auf der Bank saß und ihn beobachtete. Er sah ein wenig übernächtigt aus, und obgleich er die Hände fest auf die Oberschenkel gelegt hatte und sie nicht bewegte, schienen sie unmerklich zu zittern.
»Sie sind Kenneally.«
Kenneally nickte erneut. Er sagte auch jetzt noch nichts vielleicht, weil er einfach noch Zeit brauchte, um das, was er sah, zu verarbeiten. Er hatte geglaubt, einer Autorität zu dienen, einer grauen Eminenz im Hintergrund, aber das war …
Großer Gott, als er das erste Mal mit ihm gesprochen hatte, da konnte der Bursche noch kaum mehr als ein Kind gewesen sein! »Ich glaube, Sie sind mir ein paar Erklärungen schuldig«, sagte er gepreßt. Seine Stimme zitterte, weil sein Knie mittlerweile tatsächlich so erbärmlich schmerzte, daß er sich langsam zu fragen begann, ob er sich vielleicht wirklich etwas gebrochen hatte. Das machte ihn wütend; sein Gegenüber mußte annehmen, daß es Unsicherheit war – womit er der Wahrheit vielleicht näher kam, als Kenneally lieb war.