Drei Kameraden
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»Was hat sie?«schrie ich.
»Eine kleine Blutung vor einigen Tagen. Heute etwas Fieber.«
»Sagen Sie ihr, daß ich käme«, rief ich.»Mit Köster und Karl. Wir fahren jetzt ab. Haben Sie verstanden?«
»Mit Köster und Karl«, wiederholte die Stimme.
»Ja. Aber sagen Sie es ihr sofort. Wir fahren jetzt ab.«
»Ich werde es ihr gleich bestellen.«
Ich ging zurück in mein Zimmer. Meine Beine waren merkwürdig leicht. Köster saß am Tisch und schrieb die Züge aus.
»Pack deinen Koffer«, sagte er.»Ich fahre nach Hause und hole meinen auch. In einer halben Stunde bin ich zurück.«
Ich nahm den Koffer vom Schrank. Es war der von Lenz mit den bunten Hotelschildern. Ich packte rasch und sagte Frau Zalewski und dem Wirt vom International Bescheid. Dann setzte ich mich in mein Zimmer ans Fenster, um auf Köster zu warten. Es war sehr still. Ich dachte daran, daß ich morgen abend bei Pat sein würde, und plötzlich ergriff mich eine heiße, wilde Erwartung, vor der alles andere verblich, Angst, Sorge, Trauer, Verzweiflung. Ich würde morgen abend bei ihr sein – das war ein unvorstellbares Glück, etwas, an das ich fast nicht mehr geglaubt hatte. Es war so vieles verlorengegangen seitdem.
Ich nahm meinen Koffer und ging hinunter. Alles war auf einmal nah und warm, die Treppe, der abgestandene Geruch des Hausflurs, das kalte, blinkende Gummigrau des Asphalts, über den Karl soeben heranschoß.
»Ich habe ein paar Decken mitgebracht«, sagte Köster.»Es wird kalt werden. Wickle dich ordentlich ein.«
»Wir fahren abwechselnd, was?«fragte ich.
»Ja. Aber vorläufig fahre ich. Ich habe ja nachmittags geschlafen.«
Eine halbe Stunde später hatten wir die Stadt hinter uns, und das ungeheure Schweigen der klaren Mondnacht nahm uns auf. Die Straße lief weiß vor uns her bis zum Horizont. Es war so hell, daß wir ohne Scheinwerfer fahren konnten. Der Klang des Motors war wie ein dunkler Orgelton; er unterbrach die Stille nicht, er machte sie nur noch fühlbarer.
»Du solltest etwas schlafen«, sagte Köster.
Ich schüttelte den Kopf.»Kann ich nicht, Otto.«
»Dann leg dich wenigstens hin, damit du morgen früh frisch bist. Wir müssen noch durch ganz Deutschland.«
»Ich ruhe mich auch so aus.«
Ich blieb neben Köster sitzen. Der Mond glitt langsam über den Himmel. Die Felder glänzten wie Perlmutter. Ab und zu flogen Dörfer vorüber, manchmal eine Stadt, verschlafen, leer, die Straßenschluchten zwischen den Häuserreihen angefüllt mit geisterhaftem, stofflosem Mondlicht, das die Nacht zu einem unwirklichen Film werden ließ.
Gegen Morgen wurde es kalt. Die Wiesen schimmerten plötzlich von Reif, die Bäume standen wie aus Stahl gegossen vor dem fahler werdenden Himmel, in den Wäldern begann es zu wehen, und aus den Schornsteinen der Häuser stieg vereinzelt Rauch auf. Wir wechselten das Steuer, und ich fuhr bis zehn Uhr. Dann frühstückten wir rasch in einem Wirtshaus am Wege, und ich fuhr weiter bis zwölf. Von da an blieb Köster am Steuer. Es ging schneller, wenn er allein fuhr.
Nachmittags, als es zu dämmern anfing, kamen wir an das Gebirge. Wir hatten Schneeketten und eine Schaufel bei uns und erkundigten uns, wie weit wir kommen könnten.
»Sie können es mit Ketten versuchen«, sagte der Sekretär des Autoklubs.»Es ist dieses Jahr sehr wenig Schnee. Nur wie es die letzten Kilometer ist, weiß ich nicht genau. Kann sein, daß Sie da steckenbleiben.«
Wir hatten einen großen Vorsprung vor dem Zug und beschlossen, zu versuchen, ganz hinaufzukommen. Es war kalt, und Nebel war nicht zu befürchten. Der Wagen ging die Serpentinen wie eine Uhr hinauf. Auf halber Höhe montierten wir die Schneeketten. Die Straße war ausgeschaufelt, aber an vielen Stellen vereist, und der Wagen tanzte und rutschte. Manchmal mußten wir heraus und ihn schieben. Zweimal versanken wir und mußten ihn ausschaufeln. Im letzten Dorf ließen wir uns einen Eimer Sand geben, weil wir jetzt sehr hoch waren und Sorge hatten, beim Abwärtsfahren vereiste Kurven vor uns zu haben. Es war ganz dunkel geworden, die Bergwände ragten steil und kahl über uns in den Abgrund, der Paß verengte sich, der Motor brüllte im ersten Gang, und Kurve um Kurve ging es abwärts. Plötzlich glitt das Licht der Scheinwerfer von den Hängen ab, es stürzte ins Leere, die Berge öffneten sich, und wir sahen unten das Lichtnetz des Dorfes vor uns liegen.
Der Wagen donnerte zwischen den bunten Läden der Hauptstraße hindurch. Fußgänger sprangen beiseite, erschreckt durch den ungewohnten Anblick, Pferde scheuten, ein Schlitten rutschte ab, der Wagen jagte die Kehren zum Sanatorium hinauf und hielt vor dem Portal. Ich sprang hinaus, ich sah wie durch einen Schleier neugierige Gesichter, Leute, das Büro, den Aufzug, dann lief ich durch den weißen Korridor, riß die Tür auf und erblickte Pat, wie ich sie hundertmal in Traum und Sehnsucht gesehen hatte, sie kam mir entgegen, und ich hielt sie in den Armen wie das Leben und mehr als das Leben.
»Gott sei Dank!«sagte ich, als ich mich wieder zurechtfand.»Ich glaubte, du lägest im Bett.«
Sie schüttelte den Kopf an meiner Schulter. Dann richtete sie sich auf, nahm mein Gesicht in ihre Hände und sah mich an.»Daß du da bist«, murmelte sie.»Daß du gekommen bist!«
Sie küßte mich, vorsichtig, ernst und behutsam, wie etwas, das man nicht zerbrechen will. Als ich ihre Lippen fühlte, begann ich zu zittern. Es war alles zu schnell gegangen, ich faßte es jetzt doch noch nicht ganz. Ich war noch nicht richtig da; ich war noch voll Fahrt, voll Motorendröhnen und Straße. Es ging mir wie jemand, der aus Kälte und Nacht in ein warmes Zimmer tritt – er spürt die Wärme auf der Haut, er empfindet sie mit den Augen -, aber er ist noch nicht warm.»Wir sind schnell gefahren«, sagte ich.
Sie antwortete nicht. Sie sah mich noch immer schweigend an. Ihr ernstes Gesicht hatte einen ergreifenden Ausdruck, ihre Augen waren dicht vor mir, und es war, als wolle sie etwas sehr Wichtiges suchen und wiederfinden. Ich wurde verlegen. Ich legte die Hände auf ihre Schultern und senkte den Blick.
»Bleibst du jetzt hier?«fragte sie.
Ich nickte.
»Sag es mir gleich. Sag mir, ob du wieder fortgehst, damit ich es gleich weiß.«
Ich wollte ihr antworten, daß ich es noch nicht wüßte und daß ich wahrscheinlich in ein paar Tagen abfahren müßte, weil ich kein Geld hätte, um hierzubleiben. Aber ich konnte es nicht. Ich konnte es nicht, während sie mich so ansah.»Ja«, sagte ich,»ich bleibe hier. So lange, bis wir zusammen abreisen.«
Ihr Gesicht bewegte sich nicht. Aber es wurde plötzlich hell, wie von innen her erleuchtet.»Ach«, murmelte sie,»ich hätte es auch nicht ertragen.«
Ich versuchte über ihre Schulter hinweg die Fieberkurve am Kopfende des Bettes zu lesen. Sie bemerkte es, zog rasch das Blatt aus dem Halter, zerknüllte es und warf es unter das Bett.
»Das gilt jetzt nicht mehr«, sagte sie.
Ich merkte mir, wo der Papierknäuel lag, und beschloß, ihn nachher, wenn sie es nicht sah, einzustecken.»Warst du krank?«fragte ich.
»Etwas. Aber das ist jetzt vorbei.«
»Was hat denn der Arzt gesagt?«
Sie lachte.»Frag jetzt nicht nach dem Arzt. Frag überhaupt nichts mehr. Du bist da, das ist genug!«
Sie war plötzlich verändert. Ich wußte nicht, ob es daher kam, daß ich sie so lange nicht gesehen hatte, aber sie erschien mir auch anders als früher. Ihre Bewegungen waren geschmeidiger, ihre Haut war wärmer, die Art, wie sie zu mir kam, war anders, sie war nicht mehr nur ein schönes, junges Mädchen, das beschützt werden mußte, es war noch etwas hinzugekommen, und während ich früher oft nicht gewußt hatte, ob sie mich liebte, spürte ich es jetzt, sie verbarg nichts mehr, sie war lebendiger und mir näher als je, lebendiger, näher und schöner, beglückender, aber sonderbarerweise auch beunruhigender.
»Pat«, sagte ich.»Ich muß rasch hinunter. Köster ist unten. Wir müssen sehen, wo wir wohnen.«