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Ansichten eines Clowns

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Ansichten eines Clowns
Название: Ansichten eines Clowns
Автор: B?ll Heinrich
Дата добавления: 15 январь 2020
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Ansichten eines Clowns - читать бесплатно онлайн , автор B?ll Heinrich
Es war schon dunkel, als ich in Bonn ankam, ich zwang mich, meine Ankunft nicht mit der Automatik ablaufen zu lassen, die sich in f?nfj?hrigem Unterwegssein herausgebildet hat: Bahnsteigtreppe runter, Bahnsteigtreppe rauf, Reisetasche abstellen, Fahrkarte aus der Manteltasche nehmen, Reisetasche aufnehmen, Fahrkarte abgeben, zum Zeitungsstand, Abendzeitungen kaufen, nach drau?en gehen und ein Taxi heranwinken. F?nf Jahre lang bin ich fast jeden Tag irgendwo abgefahren und irgendwo angekommen, ich ging morgens Bahnhofstreppen rauf und runter und nachmittags Bahnhofstreppen runter und rauf, winkte Taxis heran, suchte in meinen Rocktaschen nach Geld, den Fahrer zu bezahlen

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Ich hatte schon so nett geübt und konnte das Ora pro nobis so hübsch auf der Guitarre intonieren. Ich stand auf, um mich für den Auftritt fertig zu machen. Sicher würde auch mein Agent Zohnerer mich »fallen lassen«, wenn ich anfing, auf der Straße zur Guitarre Lieder zu singen. Hätte ich wirklich Litaneien, Tantum ergo und all die Texte gesungen, die ich so gern sang und in der Badewanne jahrelang geübt hatte, so wäre er vielleicht noch »eingestiegen«, das wäre eine gute Masche gewesen, ungefähr so wie Madonnenmalerei. Ich glaubte ihm sogar, daß er mich wirklich gern hatte — die Kinder dieser Welt sind herzlicher als die Kinder des Lichts —, aber »geschäftlich« war ich für ihn erledigt, wenn ich mich auf die Bonner Bahnhofstreppe setzte.

Ich konnte wieder laufen, ohne merklich zu humpeln. Das machte die Apfelsinenkiste überflüssig, ich brauchte mir nur unter den linken Arm ein Sofakissen, unter den rechten die Guitarre zu klemmen und zur Arbeit zu gehen. Zwei Zigaretten besaß ich noch, eine würde ich noch rauchen, die letzte würde in dem schwarzen Hut verlockend genug aussehen; wenigstens eine Münze daneben wäre gut gewesen. Ich suchte in meinen Hosentaschen, krempelte sie um; ein paar Kinobilletts, ein rotes Mensch-ärgere-dich-nicht-Püppchen, ein verschmutztes Papiertaschentuch, aber kein Geld. Ich riß in der Diele die Garderobenschublade auf: eine Kleiderbürste, eine Quittung der Bonner Kirchenzeitung, ein Bon für eine Bierflasche, kein Geld. Ich wühlte in der Küche sämtliche Schubladen durch, rannte ins Schlafzimmer, suchte zwischen Kragenknöpfchen, Hemdenstäbchen, Manschettenknöpfen, zwischen Socken und Taschentüchern, in den Taschen der grünen Manchesterhose: nichts. Ich zog meine dunkle Hose runter, ließ sie auf dem Boden liegen wie eine abgestreifte Haut, warf das weiße Hemd daneben und zog das hellblaue Trikot über den Kopf: grasgrün und hellblau, ich klappte die Spiegeltür auf: großartig, so gut hatte ich noch nie ausgesehen. Ich hatte die Schminke zu dick aufgetragen, ihr Fettgehalt war in den Jahren, die sie schon dort gelegen haben mochte, eingetrocknet, und nun sah ich im Spiegel, daß die Schminkschicht schon gesprungen war, Risse zeigte wie ein ausgegrabenes Denkmalsgesicht. Meine dunklen Haare wie eine Perücke darüber. Ich summte einen Text vor mich hin, der mir gerade einfiel: »Der arme Papst Johannes, hört nicht die CDU, er ist nicht Müllers Esel, er will nicht Müllers Kuh.« Das konnte für den Anfang gehn, und das Zentralkomitee zur Bekämpfung der Gotteslästerung konnte an dem Text nichts auszusetzen haben. Ich würde noch viele Strophen hinzudichten, das Ganze balladesk intonieren. Ich hätte gern geweint: die Schminke hinderte mich, sie saß so gut, mit den Rissen, mit den Stellen, wo sie anfing abzublättern, die Tränen hätten das alles zerstört. Ich könnte später weinen, nach Feierabend, wenn mir noch danach zumute war. Der professionelle Habitus ist der beste Schutz, auf Leben und Tod zu treffen sind nur Heilige und Amateure. Ich trat vom Spiegel zurück, tiefer in mich hinein und zugleich weiter weg. Wenn Marie mich so sah und es dann über sich brachte, ihm die Wachsflecken aus seiner Malteserritteruniform rauszubügeln — dann war sie tot, und wir waren geschieden. Dann konnte ich anfangen, an ihrem Grab zu trauern. Ich hoffte, sie würden alle genug Kleingeld bei sich haben, wenn sie vorbeikamen: Leo etwas mehr als einen Groschen, Edgar Wieneken, wenn er aus Thailand zurückkam, vielleicht eine alte Goldmünze, und Großvater, wenn er aus Ischia kam — er würde mir wenigstens einen Verrechnungsscheck ausschreiben. Ich hatte inzwischen gelernt, daraus Bargeld zu machen, meine Mutter würde wahrscheinlich zwei bis fünf Pfennige für angebracht halten, Monika Silvs würde sich vielleicht zu mir herunterbeugen und mir einen Kuß geben, während Sommerwild, Kinkel und Fredebeul, empört über meine Geschmacklosigkeit, nicht einmal eine Zigarette in meinen Hut werfen würden. Zwischendurch, wenn für Stunden kein Zug aus dem Süden zu erwarten war, würde ich zu Sabine Emonds hinausradeln und mein Süppchen essen. Vielleicht würde Sommerwild Züpfner in Rom anrufen und ihm raten, schon in Godesberg auszusteigen. Dann würde ich hinausradeln, mich vor die Villa mit abfallendem Garten am Hang setzen und mein Liedchen dort singen: sie sollte nur kommen, mich anschauen und tot oder lebendig sein. Der einzige, der mir leid tat, war mein Vater. Es war sehr nett von ihm gewesen, daß er die Frauen vor dem Erschießen rettete, und es war nett gewesen, daß er mir die Hand auf die Schulter legte, und — ich sahs jetzt im Spiegel — so geschminkt wie ich war, glich ich ihm nicht nur, ich war ihm verblüffend ähnlich, und ich verstand jetzt, wie heftig er Leos Konversion abgelehnt hatte. Mit Leo hatte ich kein Mitleid, er hatte ja seinen Glauben.

Es war noch nicht halb zehn, als ich im Aufzug runterfuhr. Mir fiel der christliche Herr Kostert ein, der mir noch die Flasche Schnaps schuldete und die Differenz zwischen der Fahrkarte erster und zweiter Klasse. Ich würde ihm eine unfrankierte Postkarte schreiben und an sein Gewissen pochen. Er mußte mir auch noch den Gepäckschein schicken. Es war gut, daß mir meine Nachbarin, die hübsche Frau Grebsel, nicht begegnete. Ich hätte ihr alles erklären müssen. Wenn sie mich auf der Treppe des Bahnhofs sitzen sah, brauchte ich nichts mehr zu erklären. Mir fehlte nur das Brikett, meine Visitenkarte.

Es war kühl draußen, Märzabend, ich schlug den Rockkragen hoch, setzte den Hut auf, tastete nach meiner letzten Zigarette in der Tasche. Mir fiel die Kognakflasche ein, sie hätte sehr dekorativ gewirkt, aber doch die Mildtätigkeit behindert, es war eine teure Marke, am Korken erkennbar. Das Kissen unter den linken, die Guitarre unter den rechten Arm geklemmt, ging ich zum Bahnhof zurück. Auf dem Weg erst bemerkte ich Spuren der Zeit, die man hier die »närrische« nennt. Ein als Fidel Castro maskierter betrunkener Jugendlicher versuchte mich anzurempeln, ich wich ihm aus. Auf der Bahnhofstreppe wartete eine Gruppe von Matadoren und spanischen Donnas auf ein Taxi. Ich hatte vergessen, es war Karneval. Das paßte gut. Nirgendwo ist ein Professioneller besser versteckt als unter Amateuren. Ich legte mein Kissen auf die dritte Stufe von unten, setzte mich hin, nahm den Hut ab und legte die Zigarette hinein, nicht genau in die Mitte, nicht an den Rand, so, als wäre sie von oben geworfen worden, und fing an zu singen: »Der arme Papst Johannes«, niemand achtete auf mich, das wäre auch nicht gut gewesen: nach einer, nach zwei, drei Stunden würden sie schon anfangen, aufmerksam zu werden. Ich unterbrach mein Spiel, als ich drinnen die Stimme des Ansagers hörte. Er meldete einen Zug aus Hamburg — und ich spielte weiter. Ich erschrak, als die erste Münze in meinen Hut fiel: es war ein Groschen, er traf die Zigarette, verschob sie zu sehr an den Rand. Ich legte sie wieder richtig hin und sang weiter.

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