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Die Geburt der Tragodie

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Die Geburt der Tragodie
Название: Die Geburt der Tragodie
Дата добавления: 15 январь 2020
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Die Geburt der Tragodie - читать бесплатно онлайн , автор Nietzsche Friedrich

Die Geburt der Trag?die aus dem Geiste der Musik ist ein Buch von Friedrich Nietzsche, das er zuerst Anfang 1872 ver?ffentlichte. Es war das erste bedeutende Werk Nietzsches, mit dem sich der damals 27j?hrige Philologieprofessor zugleich von der wissenschaftlichen Philologie distanzierte. Auf etwa 100 Buchseiten und in 25 knappen Kapiteln entwickelt der Siebenundzwanzigj?hrige aus seinen Studien des Griechentums, seiner Liebe zur Musik und der Wertsch?tzung Schopenhauers und Wagners sein kulturelles Weltbild und pr?sentiert seine Theorien von der Entstehung und dem Niedergang der griechischen Trag?die und dar?ber hinaus allgemeine kulturphilosophische und ?sthetische Betrachtungen, die auch im 20. Jahrhundert rezipiert wurden. Es enthielt ein Vorwort an Richard Wagner, dem die Schrift auch gewidmet war und in dem Nietzsche damals den m?glichen Neubegr?nder einer der griechischen vergleichbaren Kunst und Kultur sah.

1886 lie? Nietzsche eine zweite Ausgabe unter dem Titel Die Geburt der Trag?die. Oder: Griechenthum und Pessimismus erscheinen, wobei dem Buch der „Versuch einer Selbstkritik“ vorangestellt wurde.

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Jenes Urproblem möchten wir vielleicht mit dieser Frage berühren: welche aesthetische Wirkung entsteht, wenn jene an sich getrennten Kunstmächte des Apollinischen und des Dionysischen neben einander in Thätigkeit gerathen? Oder in kürzerer Form: wie verhält sich die Musik zu Bild und Begriff? — Schopenhauer, dem Richard Wagner gerade für diesen Punkt eine nicht zu überbietende Deutlichkeit und Durchsichtigkeit der Darstellung nachrühmt, äussert sich hierüber am ausführlichsten in der folgenden Stelle, die ich hier in ihrer ganzen Länge wiedergeben werde. Welt als Wille und Vorstellung I, p. 309:»Diesem allen zufolge können wir die erscheinende Welt, oder die Natur, und die Musik als zwei verschiedene Ausdrücke derselben Sache ansehen, welche selbst daher das allein Vermittelnde der Analogie beider ist, dessen Erkenntniss erfordert wird, um jene Analogie einzusehen. Die Musik ist demnach, wenn als Ausdruck der Welt angesehen eine im höchsten Grad allgemeine Sprache, die sich sogar zur Allgemeinheit der Begriffe ungefähr verhält wie diese zu den einzelnen Dingen. Ihre Allgemeinheit ist aber keineswegs jene leere Allgemeinheit der Abstraction, sondern ganz anderer Art und ist verbunden mit durchgängiger deutlicher Bestimmtheit. Sie gleicht hierin den geometrischen Figuren und den Zahlen, welche als die allgemeinen Formen aller möglichen Objecte der Erfahrung und auf alle a priori anwendbar, doch nicht abstract, sondern anschaulich und durchgängig bestimmt sind. Alle möglichen Bestrebungen, Erregungen und Aeusserungen des Willens, alle jene Vorgänge im Innern des Menschen, welche die Vernunft in den weiten negativen Begriff Gefühl wirft, sind durch die unendlich vielen möglichen Melodien auszudrücken, aber immer in der Allgemeinheit blosser Form, ohne den Stoff, immer nur nach dem Ansich, nicht nach der Erscheinung, gleichsam die innerste Seele derselben, ohne Körper. Aus diesem innigen Verhältniss, welches die Musik zum wahren Wesen aller Dinge hat, ist auch dies zu erklären, dass, wenn zu irgend einer Scene, Handlung, Vorgang, Umgebung, eine passende Musik ertönt, diese uns den geheimsten Sinn derselben aufzuschliessen scheint und als der richtigste und deutlichste Commentar dazu auftritt; imgleichen, dass es Dem, der sich dem Eindruck einer Symphonie ganz hingiebt, ist, als sähe er alle möglichen Vorgänge des Lebens und der Welt an sich vorüberziehen: dennoch kann er, wenn er sich besinnt, keine Aehnlichkeit angeben zwischen jenem Tonspiel und den Dingen, die ihm vorschwebten. Denn die Musik ist, wie gesagt, darin von allen anderen Künsten verschieden, dass sie nicht Abbild der Erscheinung, oder richtiger, der adäquaten Objectität des Willens, sondern unmittelbar Abbild des Willens selbst ist und also zu allem Physischen der Welt das Metaphysische, zu aller Erscheinung das Ding an sich darstellt. Man könnte demnach die Welt ebensowohl verkörperte Musik, als verkörperten Willen nennen: daraus also ist es erklärlich, warum Musik jedes Gemälde, ja jede Scene des wirklichen Lebens und der Welt, sogleich in erhöhter Bedeutsamkeit hervortreten lässt; freilich um so mehr, je analoger ihre Melodie dem innern Geiste der gegebenen Erscheinung ist. Hierauf beruht es, dass man ein Gedicht als Gesang, oder eine anschauliche Darstellung als Pantomime, oder beides als Oper der Musik unterlegen kann. Solche einzelne Bilder des Menschenlebens, der allgemeinen Sprache der Musik untergelegt, sind nie mit durchgängiger Nothwendigkeit ihr verbunden oder entsprechend; sondern sie stehen zu ihr nur im Verhältniss eines beliebigen Beispiels zu einem allgemeinen Begriff: sie stellen in der Bestimmtheit der Wirklichkeit Dasjenige dar, was die Musik in der Allgemeinheit blosser Form aussagt. Denn die Melodien sind gewissermaassen, gleich den allgemeinen Begriffen, ein Abstractum der Wirklichkeit. Diese nämlich, also die Welt der einzelnen Dinge, liefert das Anschauliche, das Besondere und Individuelle, den einzelnen Fall, sowohl zur Allgemeinheit der Begriffe, als zur Allgemeinheit der Melodien, welche beide Allgemeinheiten einander aber in gewisser Hinsicht entgegengesetzt sind; indem die Begriffe nur die allererst aus der Anschauung abstrahirten Formen, gleichsam die abgezogene äussere Schale der Dinge enthalten, also ganz eigentlich Abstracta sind; die Musik hingegen den innersten aller Gestaltung vorhergängigen Kern, oder das Herz der Dinge giebt. Dies Verhältniss liesse sich recht gut in der Sprache der Scholastiker ausdrücken, indem man sagte: die Begriffe sind die universalia post rem, die Musik aber giebt die universalia ante rem, und die Wirklichkeit die universalia in re. Dass aber überhaupt eine Beziehung zwischen einer Composition und einer anschaulichen Darstellung möglich ist, beruht, wie gesagt, darauf, dass beide nur ganz verschiedene Ausdrücke desselben innern Wesens der Welt sind. Wann nun im einzelnen Fall eine solche Beziehung wirklich vorhanden ist, also der Componist die Willensregungen, welche den Kern einer Begebenheit ausmachen, in der allgemeinen Sprache der Musik auszusprechen gewusst hat: dann ist die Melodie des Liedes, die Musik der Oper ausdrucksvoll. Die vom Componisten aufgefundene Analogie zwischen jenen beiden muss aber aus der unmittelbaren Erkenntniss des Wesens der Welt, seiner Vernunft unbewusst, hervorgegangen und darf nicht, mit bewusster Absichtlichkeit, durch Begriffe vermittelte Nachahmung sein: sonst spricht die Musik nicht das innere Wesen, den Willen selbst aus; sondern ahmt nur seine Erscheinung ungenügend nach; wie dies alle eigentlich nachbildende Musik thut«. —

Wir verstehen also, nach der Lehre Schopenhauer's, die Musik als die Sprache des Willens unmittelbar und fühlen unsere Phantasie angeregt, jene zu uns redende, unsichtbare und doch so lebhaft bewegte Geisterwelt zu gestalten und sie in einem analogen Beispiel uns zu verkörpern. Andrerseits kommt Bild und Begriff, unter der Einwirkung einer wahrhaft entsprechenden Musik, zu einer erhöhten Bedeutsamkeit. Zweierlei Wirkungen pflegt also die dionysische Kunst auf das apollinische Kunstvermögen auszuüben: die Musik reizt zum gleichnissartigen Anschauen der dionysischen Allgemeinheit, die Musik lässt sodann das gleichnissartige Bild in höchster Bedeutsamkeit hervortreten. Aus diesen an sich verständlichen und keiner tieferen Beobachtung unzugänglichen Thatsachen erschliesse ich die Befähigung der Musik, den Mythus d. h. das bedeutsamste Exempel zu gebären und gerade den tragischen Mythus: den Mythus, der von der dionysischen Erkenntniss in Gleichnissen redet. An dem Phänomen des Lyrikers habe ich dargestellt, wie die Musik im Lyriker darnach ringt, in apollinischen Bildern über ihr Wesen sich kund zu geben: denken wir uns jetzt, dass die Musik in ihrer höchsten Steigerung auch zu einer höchsten Verbildlichung zu kommen suchen muss, so müssen wir für möglich halten, dass sie auch den symbolischen Ausdruck für ihre eigentliche dionysische Weisheit zu finden wisse; und wo anders werden wir diesen Ausdruck zu suchen haben, wenn nicht in der Tragödie und überhaupt im Begriff des Tragischen?

Aus dem Wesen der Kunst, wie sie gemeinhin nach der einzigen Kategorie des Scheines und der Schönheit begriffen wird, ist das Tragische in ehrlicher Weise gar nicht abzuleiten; erst aus dem Geiste der Musik heraus verstehen wir eine Freude an der Vernichtung des Individuums. Denn an den einzelnen Beispielen einer solchen Vernichtung wird uns nur das ewige Phänomen der dionysischen Kunst deutlich gemacht, die den Willen in seiner Allmacht gleichsam hinter dem principio individuationis, das ewige Leben jenseit aller Erscheinung und trotz aller Vernichtung zum Ausdruck bringt. Die metaphysische Freude am Tragischen ist eine Uebersetzung der instinctiv unbewussten dionysischen Weisheit in die Sprache des Bildes: der Held, die höchste Willenserscheinung, wird zu unserer Lust verneint, weil er doch nur Erscheinung ist, und das ewige Leben des Willens durch seine Vernichtung nicht berührt wird.»Wir glauben an das ewige Leben«, so ruft die Tragödie; während die Musik die unmittelbare Idee dieses Lebens ist. Ein ganz verschiednes Ziel hat die Kunst des Plastikers: hier überwindet Apollo das Leiden des Individuums durch die leuchtende Verherrlichung der Ewigkeit der Erscheinung, hier siegt die Schönheit über das dem Leben inhärirende Leiden, der Schmerz wird in einem gewissen Sinne aus den Zügen der Natur hinweggelogen. In der dionysischen Kunst und in deren tragischer Symbolik redet uns dieselbe Natur mit ihrer wahren, unverstellten Stimme an:»Seid wie ich bin! Unter dem unaufhörlichen Wechsel der Erscheinungen die ewig schöpferische, ewig zum Dasein zwingende, an diesem Erscheinungswechsel sich ewig befriedigende Urmutter!»

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