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Das Glasperlenspiel

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Das Glasperlenspiel
Название: Das Glasperlenspiel
Автор: Hesse Hermann
Дата добавления: 15 январь 2020
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Das Glasperlenspiel - читать бесплатно онлайн , автор Hesse Hermann

Das Glasperlenspiel ist Hermann Hesses intellektuelle Antwort auf die Barbarei des Hitlerfaschismus. Mit der Utopie seiner p?dagogischen Provinz Kastalien entwirft der Autor dar?ber hinaus eine Gegenwelt zu Diktatur und Verbrechen des Dritten Reichs und stellt die Frage nach den erzieherisch-bildenden M?glichkeiten des Geistes. Die in sich geschlossene geistige Welt der Zucht und der Askese in Kastalien findet h?chsten Ausdruck und Vollendung in der Kunst des Glasperlenspiels: einem Spiel, bei dem »s?mtliche Inhalte und Werte unserer Kultur« miteinander kommunizieren. Der Roman basiert auf der Idee einer ?berzeitlichen Biografie des Glasperlenspielmeisters Josef Knecht, der in einigen Wiedergeburten gro?e Epochen der Menschheitsgeschichte miterlebt.

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So sehen wir denn in dem eigentümlichen Zickzack, den Knechts Studiengang beschrieb und der nichts anderes war als die genaue Nachzeichnung und jahrelange Durcharbeitung eines einzigen Spielschemas, einen sehr bestimmten Sinn und Willen sich durchsetzen. Um sich die Inhalte dieses einzigen Spielschemas anzueignen, welches sie einst als Schüler zu Übungszwecken in wenigen Tagen komponiert hatten und das, in der Sprache des Glasperlenspiels, in einer Viertelstunde abzulesen gewesen war, verwendete er Jahr um Jahr, saß in Lehrsälen und Bibliotheken, studierte Froberger und Alessandro Scarlatti, Fugen und Sonatenbau, repetierte Mathematik, lernte Chinesisch, arbeitete ein System der Klangfiguren und die Feustelsche Theorie von der Entsprechung zwischen der Farbenskala und den musikalischen Tonarten durch. Man fragt sich, warum er diesen mühsamen, eigensinnigen und vor allem einsamen Weg gewählt habe, denn sein Endziel (außerhalb Kastaliens würde man sagen: seine Berufswahl) war ohne Zweifel das Glasperlenspiel. Wäre er, als Hospitant und unverbindlich zunächst, in eines der Institute des Vicus Lusorum, der Glasperlenspieler-Siedlung in Waldzell, eingetreten, so wären ihm alle auf das Spiel bezüglichen Spezialstudien erleichtert gewesen, es hätten ihm Rat und Auskunft in allen Einzelfragen zu jeder Stunde offen gestanden, und außerdem hätte er seinen Studien unter Kameraden und Mitstrebenden obliegen können, statt sich allein und gewiß oft wie in freiwilliger Verbannung abzuquälen. Nun, er ging seinen Weg. Er vermied, so vermuten wir, Waldzell nicht nur, um seine dortige Schülerrolle und die Erinnerung an sie möglichst auszulöschen, bei den andern wie bei sich selbst, sondern ebenso, um nicht inmitten der Gemeinschaft der Glasperlenspieler in eine neue, ähnliche Rolle hineinzugeraten. Denn etwas wie Schicksal, etwas wie Vorbestimmung zu Führerschaft und Repräsentation mochte er seit damals in sich spüren, und er tat das Mögliche, dies ihm sich aufdrängende Schicksal zu überlisten. Er spürte die Schwere der Verantwortung voraus, er spürte sie schon jetzt den Waldzeller Mitschülern gegenüber, die für ihn begeistert waren und denen er sich entzog, und spürte sie besonders gegenüber jenem Tegularius, von dem er instinktiv wußte, daß er für ihn durchs Feuer gehen würde. So suchte er die Verborgenheit und Beschaulichkeit, während jenes Schicksal ihn nach vorn und ins öffentliche drängen wollte. So etwa denken wir uns seine innere Lage damals. Aber es war noch ein wichtiger Grund oder Antrieb mehr vorhanden, ihn vom üblichen Lehrgang der höheren Glasperlenspielschulen abzuschrecken und zum Outsider zu machen, nämlich ein nicht zu beschwichtigender Forschungstrieb, auf dessen Grund die einstigen Zweifel gegen das Glasperlenspiel ruhten. Gewiß, er hatte es erlebt und geschmeckt, daß das Spiel wirklich in einem höchsten und heiligen Sinn gespielt werden könne, aber er hatte auch gesehen, daß die Mehrzahl der Spieler und Schüler, ja auch ein Teil der Leiter und Lehrer keineswegs in jenem hohen und heiligen Sinn Spieler waren und in der Spielsprache nicht eine lingua sacra sahen, sondern eben eine geistvolle Art von Stenographie, und daß sie das Spiel als eine interessante oder amüsante Spezialität, als einen intellektuellen Sport oder als einen Wettkampf des Ehrgeizes betrieben. Ja, er hatte, wie sein Brief an den Musikmeister zeigt, auch schon eine Ahnung davon, daß möglicherweise nicht immer das Suchen nach dem letzten Sinn die Qualität des Spielers bestimmt, daß das Spiel auch einer Exoterik bedürfe, daß es auch Technik, Wissenschaft und gesellschaftliche Institution sei. Kurz, es waren Zweifel und Zwiespälte da, das Spiel war eine Lebensfrage, war vorläufig das große Hauptproblem seines Lebens geworden, und er war keineswegs gesonnen, sich seine Kämpfe durch wohlwollende Seelenhirten erleichtern oder durch freundlich ablenkendes Lehrerlächeln bagatellisieren zu lassen.

Natürlich hätte er unter den Zehntausenden der schon gespielten und den Millionen der möglichen Glasperlenspiele jedes beliebige zur Grundlage seiner Studien machen können. Er wußte dies und ging von jenem zufälligen, in jenem Schülerkurs von ihm und seinen Kameraden kombinierten Spielplane aus. Es war das Spiel, bei dem er zum erstenmal vom Sinn aller Glasperlenspiele erfaßt worden war und seine Berufung zum Spieler erfahren hatte. Ein von ihm in der üblichen Kurzschrift aufgezeichnetes Schema jenes Spieles begleitete ihn in diesen Jahren beständig. In den Bezeichnungen, Schlüsseln, Signaturen und Abbreviaturen der Spielsprache war hier eine Formel der astronomischen Mathematik, das Formprinzip einer alten Sonate, ein Ausspruch des Kungfutse und so weiter aufgezeichnet. Ein Leser, welcher etwa das Glasperlenspiel nicht kennen sollte, möge sich ein solches Spielschema etwa ähnlich vorstellen wie das Schema einer Schachpartie, nur daß die Bedeutungen der Figuren und die Möglichkeiten ihrer Beziehungen zueinander und ihrer Einwirkung aufeinander vervielfacht gedacht und jeder Figur, jeder Konstellation, jedem Schachzuge ein tatsächlicher, durch eben diesen Zug, diese Konfiguration und so weiter symbolisch bezeichneter Inhalt zuzuschreiben wäre. Knechts Studienjahre nun galten nicht nur der Aufgabe, die im Spielplan enthaltenen Inhalte, Prinzipien, Werke und Systeme des genauesten kennenzulernen, im Lernen einen Weg durch verschiedene Kulturen, Wissenschaften, Sprachen, Künste, Jahrhunderte zurückzulegen; nicht minder hatte er sich die keinem seiner Lehrer bekannte Aufgabe gestellt, an diesen Objekten die Systeme und Ausdrucksmöglichkeiten der Glasperlenspielkunst auf das genaueste nachzuprüfen.

Um das Resultat im voraus mitzuteilen: er fand hier und dort eine Lücke, ein Ungenügen, im ganzen aber muß unser Glasperlenspiel seiner zähen Prüfung standgehalten haben, sonst wäre er nicht am Ende zu ihm zurückgekehrt.

Schrieben wir hier eine kulturgeschichtliche Studie, so wäre gewiß mancher Ort und manche Szene aus Knechts Studentenzeit der Beschreibung würdig. Er bevorzugte, soweit dies irgend möglich war, solche Orte, an welchen er allein oder nur mit ganz wenigen zusammen arbeiten konnte, und einigen dieser Orte hat er eine dankbare Anhänglichkeit bewahrt. Häufig weilte er in Monteport, manchmal als Gast des Musikmeisters, manchmal als Teilnehmer an einem musikgeschichtlichen Seminar. Zweimal finden wir ihn in Hirsland, dem Sitz der Ordensleitung, als Teilnehmer an der »großen Übung,« dem zwölftägigen Fasten und Meditieren. Mit besonderer Freude, ja Zärtlichkeit erzählte er später seinen Nächsten vom »Bambusgehölz,« der lieblichen Eremitage, dem Schauplatz seiner I-Ging-Studien. Hier hat er nicht nur Entscheidendes gelernt und erlebt, er fand hier auch, von einer wunderbaren Ahnung oder Führung geleitet, eine einzigartige Umgebung und einen ungewöhnlichen Menschen, nämlich den sogenannten »Älteren Bruder,« den Schöpfer und Bewohner der chinesischen Eremitage Bambusgehölz. Es scheint uns angezeigt, diese merkwürdigste Episode seiner Studienzeit etwas eingehender zu schildern.

Knecht hatte das Studium der chinesischen Sprache und der Klassiker in dem berühmten ostasiatischen Lehrhaus begonnen, das seit Generationen der Schulsiedlung der Altphilologen, Sankt Urban, angegliedert war. Er hatte daselbst rasche Fortschritte im Lesen und Schreiben gemacht, sich auch mit einigen dort arbeitenden Chinesen befreundet und eine Anzahl der Lieder des Schi King auswendig gelernt, als er im zweiten Jahr seines Aufenthaltes sich immer intensiver für das I Ging, das Buch der Wandlungen, zu interessieren anfing. Die Chinesen gaben ihm auf sein Drängen zwar allerlei Auskünfte, doch keine Einführung, ein Lehrer dafür war im Lehrhaus nicht vorhanden, und als Knecht immer wieder sein Anliegen vorbrachte, man möge ihm einen Lehrer für eine gründliche Beschäftigung mit dem I Ging verschaffen, erzählte man ihm vom »Älteren Bruder« und seiner Einsiedelei. Knecht hatte schon seit einer Weile wohl bemerkt, daß er mit seinem Interesse für das Buch der Wandlungen in ein Gebiet ziele, von dem man im Lehrhaus wenig wissen wollte, er wurde vorsichtiger in seinen Erkundigungen, und wie er sich nun des weiteren um Auskünfte über den sagenhaften Älteren Bruder bemühte, blieb ihm nicht verborgen, daß dieser Eremit zwar eine gewisse Achtung, ja einen Ruhm genoß, jedoch mehr den eines kauzigen Outsiders als den eines Gelehrten. Er spürte, daß er sich hier selbst helfen müsse, brachte eine begonnene Seminararbeit so bald wie möglich zum Abschluß und empfahl sich. Zu Fuß machte er sich auf den Weg nach der Gegend, in welcher jener Geheimnisvolle einst sein Bambusgehölz angelegt hatte, vielleicht ein Weiser und Meister, vielleicht ein Narr. Er hatte über ihn etwa so viel in Erfahrung gebracht: der Mann war vor etwa fünfundzwanzig Jahren der hoffnungsvollste Student der chinesischen Abteilung gewesen, er schien für diese Studien geboren und berufen zu sein, übertraf die besten Lehrer, seien sie nun Chinesen von Geburt oder Abendländer, in der Technik des Pinselschreibens und des Entzifferns alter Schriften, fiel jedoch ein wenig auf durch den Eifer, mit dem er sich auch äußerlich zum Chinesen zu machen suchte. So redete er alle Vorgesetzten, vom Leiter eines Seminars bis zu den Meistern hinauf, hartnäckig nicht mit ihren Titeln und dem vorschriftsmäßigen Ihr an, wie alle Studenten es taten, sondern mit der Anrede »Mein älterer Bruder,« welche Bezeichnung schließlich für immer als Spottname an ihm selbst hängenblieb. Besondere Sorgfalt widmete er dem Orakelspiel des I Ging, dessen Handhabung mit Hilfe der traditionellen Schafgarbenstengel er meisterhaft übte. Nächst den alten Kommentaren zum Orakelbuch war sein Lieblingsbuch das des Dschuang Dsie. Offenbar war der rationalistische und eher antimystische, streng konfuzianisch sich gebende Geist in der chinesischen Abteilung des Lehrhauses, wie Knecht ihn kennengelernt hatte, schon damals zu spüren gewesen, denn der Ältere Bruder verließ eines Tages das Institut, das ihn als Fachlehrer gern behalten hätte, und begab sich auf Wanderung, ausgerüstet mit Pinsel, Tuscheschale und zwei, drei Büchern. Er suchte den Süden des Landes auf, war bald da, bald dort bei Ordensbrüdern zu Gast, suchte und fand den geeigneten Ort für die von ihm geplante Einsiedelei, erwarb in hartnäckigen Eingaben und mündlichen Vorstellungen von den weltlichen Behörden sowohl wie vom Orden das Recht, diesen Ort als Siedler zu bepflanzen, und lebte seither dort in einer streng altchinesisch eingerichteten Idylle, bald als Kauz belächelt, bald als eine Art Heiliger verehrt, mit sich und der Welt im Frieden, seine Tage mit Meditation und dem Abschreiben alter Schriftrollen hinbringend, soweit nicht die Arbeit an seinem Bambusgehölz, das einen sorgfältig angelegten chinesischen Kleingarten vor dem Nordwind schützte, ihn in Anspruch nahm.

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