Der Wiedersacher
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Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.
"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost
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Dann überkam sie Zorn. Der Moment sonderbarer Klarsichtigkeit war vorüber, aber sie erinnerte sich sehr wohl daran, und auf einer tieferen, dem bewußten Zugriff ihres Denkens entzogenen Ebene begriff sie auch, daß ihr unheimliches Erlebnis tatsächlich etwas mit ihren nächtlichen Überraschungsgästen zu tun hatte, und sie fühlte sich angegriffen, auf eine unfaire, heimtückische Weise.
»Miststück!« murmelte sie, aber sie war nicht einmal ganz sicher, wen sie damit eigentlich meinte. Wahrscheinlich nicht den fingernagelgroßen Arachniden, der zwei Meter über ihr auf der Gardinenleiste hockte und sie aus glitzernden Augen anstarrte.
Mit einer entschlossenen Bewegung langte sie nach der Trittleiter, die noch immer am Türrahmen lehnte, klappte sie auf und trug sie mit zwei energischen schnellen Schritten zum Fenster, ohne das kleine Scheusal dort oben auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Plötzlich konzentrierte sich ihr ganzer Zorn auf dieses winzige Geschöpf, nicht einmal, weil es häßlich und schmutzig gewesen wäre – das war es, aber wer zumTeufel war sie eigentlich, darüber richten zu wollen? – , sondern weil es ein Eindringling war, gegen den sie sich verteidigen mußte – und vor allem konnte.
Ächzend stieg sie die drei Stufen der Trittleiter hinauf, balancierte eine halbe Sekunde auf der geriffelten Metallfläche an ihrem oberen Ende und streckte dann die Hand nach der Spinne aus. Das leichte Ekelgefühl, das sie bei dem Gedanken überkam, die Spinne mit bloßen Fingern packen und zerquetschen zu wollen, ignorierte sie. Normalerweise hätte sie ein Papiertaschentuch oder ein anderes geeignetes Hilfsmittel dazu genommen, aber dazu reichte die Zeit nicht. Es war mit
einem Male ungeheuer wichtig, den Eindringling zu vernichten. Und es schnell zu tun.
Draußen heulte eine Polizeisirene auf, so warnungslos und nahe, daß Charlotte erschrocken zusammenfuhr und statt nach der Spinne hastig nach den Stores griff, um ihr Gleichgewicht zu halten. Eine einzelne, aber schreckerfüllte Sekunde lang balancierte sie mit verzweifelter Anstrengung auf der Trittleiter, und für eine noch kürzere Zeitspanne war sie vollkommen davon überzeugt, den Kampf zu verlieren und einen halben Meter in dieTiefe zu stürzen; eine lächerliche Distanz, aber für ihre altersschwachen Knochen vielleicht schon genug, um wie Glas zu zersplittern. Doch sie gewann den Kampf. Der altersschwache Stoff ächzte unter der Belastung, aber er hielt, und schon im nächsten Moment hatte sie ihr Gleichgewicht endgültig wiedergefunden und atmete erleichtert auf.
Das Heulen der Polizeisirene draußen war lauter geworden, und durch den Spalt, den sie selbst gerade die Gardine aufgezogen hatte, konnte sie das Blinken des dazugehörigen Blaulichtes erkennen. Neugierig beugte sie sich ein Stück zur Seite, um auf die Straße hinauszublicken. Der Polizeiwagen kam in scharfem Tempo herangefahren und bremste plötzlich ab. Eine Sekunde lang sah es fast so aus, als würde er unmittelbar vor dem Haus anhalten, dann gab der Fahrer jäh wieder Gas, und der Wagen raste mit durchdrehenden Reifen davon. Nicht einmal sehr weit entfernt hörte sie noch mehr Sirenen heulen.
Charlotte blickte noch einige Sekunden lang weiter auf die Straße hinaus, auch als der Streifenwagen längst verschwunden war und es eigentlich nichts mehr zu sehen gab, und gerade als sie die Gardine wieder zuziehen wollte, sah sie erneut eine Bewegung draußen auf demTrottoir.
Diesmal war es kein Polizeiwagen. Es war eine schattenhafte Gestalt, die im bleichen Licht der Nacht tatsächlich ein bißchen wie ein Gespenst aussah und langsam auf das Haus zukam. Ein weiterer nächtlicher Gast? Nach allem, was bisher geschehen war, hätte Charlotte das kaum mehr überrascht, und für einige Sekunden sah es tatsächlich so aus, als bewege sich die Gestalt direkt auf sie zu. Unheimlicher noch: Für einen ganz kurzen Moment hatte sie das Gefühl, angestarrt zu werden. Das Empfinden war sehr unangenehm und so intensiv, daß sie fast meinte, die Blicke dieses Fremden wie die Berührung einer Hand zu fühlen. Dann war er verschwunden, von einer Sekunde auf die andere und so lautlos, wie er gekommen war.
Charlotte zog die Gardine endgültig zu. Sie war plötzlich sehr nachdenklich. Da draußen war etwas passiert, das war klar, und es war ganz bestimmt kein Verkehrsunfall gewesen. Sie hätte die drei nicht hereinlassen sollen. Sie würde Schwierigkeiten bekommen, wenn sie tatsächlich etwas mit der Aufregung dort draußen zu tun hatten, große Schwierigkeiten sogar. Charlotte lebte seit einem halben Menschenalter in einer Art Waffenstillstand mit den Ordnungsbehörden, die ihr privates Stundenhotel duldeten, solange sie darauf achtete, daß sich keine Drogendealer oder anderes zwielichtiges Gesindel darin einnisteten, aber sie wußte auch, wie brüchig solche niemals besiegelten Absprachen sein konnten. Wenn ihre nächtlichen Gäste kein Schwulentrio waren, sondern tatsächlich etwas mit dem da draußen zu tun hatten, dann tat sie verdammt besser daran, die Polizei zu benachrichtigen, bevor diese von selbst kam und anfing, ihr Hotel auseinanderzunehmen.
Die Entscheidung war nicht leicht. Vielleicht war es die schwerste, die Charlotte seit einem Jahrzehnt hatte fällen müssen. Es war sicherlich klüger, jetzt von dieser Leiter herunterzusteigen und die iio zu wählen, auch wenn es vielleicht unnötig war. Was konnte ihr passieren? Schlimmstenfalls würde ihr ein leicht genervter Polizeibeamter erklären, daß es einen schlimmen Unfall irgendwo in der Nähe gegeben hätte und sie besseres zu tun hatten, als sich um die Gäste ihres Etablissements zu kümmern. Und wenn es tatsächlich anders war, wenn sie sich tatsächlich mit drei gesuchten Mördern oder Schlimmeren unter einem Dach aufhielt, ohne es zu wissen, dann war sie auf jeden Fall besser beraten, die Polizei zu rufen. Logisch war die Entscheidung klar, die sie treffen mußte.
Trotzdem, sie zögerte. Jetzt von der Leiter herunterzusteigen und anzurufen bedeutete nicht nur, das Richtige zu tun, sondern auch, mit ihrer eisernen und vielleicht einzigen Regel zu brechen, und davor hatte sie beinahe noch mehr Angst als vor dem Ausländer und den beiden anderen Mördern.
Natürlich würde sie es trotzdem tun. Sobald sie die Spinne erledigt hatte. Unvorstellbar, wenn hier gleich ein ganzes Polizeiaufgebot hereinstürmte und das Ungeziefer sah, von dem ihr Haus befallen war! Man konnte ihr nachsagen, was man wollte, aber ihr Haus war sauber, und das würde es bleiben, Mörder hin oder her. Die wenigen Augenblicke machten keinen Unterschied. Entschlossen richtete sie sich wieder auf und streckte zum zweitenmal die Hand nach der Spinne aus.
Das Tier folgte jeder ihrer Bewegungen aufmerksam – sie war ihm jetzt tatsächlich nahe genug, um seine Augen erkennen zu können, mikroskopisch feine Kristallsplitter in einem schwarzen Pelz – , rührte sich aber immer noch nicht. Wenn es überhaupt verstand, daß etwas sich ihm näherte, reichte dieses Verstehen auf jeden Fall nicht aus, um einen Fluchtreflex auszulösen.
Und dann, ganz plötzlich, begriff Charlotte, daß es gar nicht fliehen wollte.
Es war, als hätte sie etwas Unsichtbares, sehr Kaltes berührt. Ihre Fingerspitzen verharrten zehn Zentimeter vor demTier in der Luft, und die Kälte war immer noch da. Sie spürte, wie sie langsam ihre Hand hinaufkroch, sich in ihrem Unterarm ausbreitete und kurz darauf die Schulter erreichte. Was geschah mit ihr? Was, um Gottes willen, geschah mit ihr?
Charlotte sah jetzt, daß die Spinne gar nicht so reglos dahockte, wie sie bisher angenommen hatte. Sie bewegte sich, allerdings nicht oft und nur ganz sacht: Von Zeit zu Zeit hob sie ein Bein, streckte es aus und zog es wieder zurück; fast wie ein Mensch, der zu lange reglos in einer Haltung ausgeharrt hatte und nun seine Glieder streckte, damit sie nicht einschliefen.
Aber das war doch verrückt. Sie schloß für eine Sekunde die Augen, ballte die Hand ruckartig zur Faust und öffnete sie