Der Wiedersacher
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Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.
"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost
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Sie war mittlerweile weit genug zu Atem gekommen, um den zweiten Teil ihrer Expedition in Angriff nehmen zu können. Sie streckte den rechten Arm aus, zog sich am Türgriff in die Höhe und wollte in der gleichen Bewegung nach derTrittleiter greifen, als es klingelte.
Charlotte verharrte für einen Moment mitten in der Bewegung; überrascht, und aus einem ihr selbst nicht ganz einsichtigen Grund auch ein wenig beunruhigt. Es war nahezu vier; selbst für sie eine ungewöhnliche Zeit. Auf der anderen Seite aber auch nicht so ungewöhnlich, daß sie übermäßig erstaunt oder gar erschrocken hätte sein dürfen. Die Zeiten, in denen ihr Hotel vornehmlich Gäste aufgenommen hatte, die sich anmeldeten und zu halbwegs normalen Zeiten an-und abreisten, waren längst vorbei, falls es sie überhaupt jemals wirklich gegeben hatte.
Die Gäste, die heutzutage kamen, pflegten sich nicht anzumelden, und die meisten hatten nicht einmal Gepäck. Die meisten blieben auch nicht lange: zwei, manchmal drei Stunden, selten eine ganze Nacht.
Trotzdem war sie beunruhigt und auf eine schwer greifbare Weise alarmiert. Vielleicht lag es an den Polizeisirenen, die sie vorhin gehört hatte, als sie auf der Kellertreppe gewesen war. Ziemlich viele Sirenen, die zwar nicht in unmittelbarer Nähe erschollen, aber auch nicht sehr weit entfernt.
Es klingelte zum zweitenmal, und Charlotte gemahnte sich selbst daran, daß dieses nächtliche Klingeln zumindest eine potentielle Einnahme bedeutete – und sie jeden Pfennig bitter nötig hatte. Die Gäste ihres Etablissements kamen nicht nur unangemeldet und zu manchmal unmöglichen Zeiten, sie kamen in letzter Zeit auch immer seltener.
Sie warf der kleinen Spinne über dem Fenster einen Blick zu, der sehr deutlich machte, daß die Sache zwischen ihnen nur aufgeschoben war, nicht vergessen, dann wandte sie sich rasch um und verließ das Zimmer. Als sie den Korridor betrat und sich der halb verglasten Eingangstür näherte, klingelte es zum drittenmal; und diesmal hielt der Ton länger an, und er klang irgendwie … ungeduldig. Wer immer dort draußen stand, hatte es eilig. Aber vermutlich galt das für jeden, der nachts um vier ein Hotelzimmer brauchte. Durch das bunte Tiffany-Glas hindurch konnte sie einen hochgewachsenen, schwarzen Schatten erkennen, der genau in diesem Moment den Arm hob, um zum viertenmal den Klingelknopf zu drücken.
»Schon gut, schon gut!« rief Charlotte. »Ich komme. Kein Grund, das ganze Haus wachzuklingeln! «
Tatsächlich senkte der Schatten den Arm wieder, bewegte sich aber ansonsten nicht. Von dem höflichen halben Schritt zurück von der Tür schien der nächtliche Besucher nichts zu halten – falls er jemals davon gehört hatte. Charlotte bezweifelte es.
Sie erreichte deeTür, drückte die Klinke aber nicht herunter, sondern öffnete das kleine Fenster in Form eines Kolibris, das in die Mitte derTiffany-Arbeit eingelassen war. »ja, verdammt
– was gibt es denn?«
Sie war selbst ein wenig erstaunt über den scharfen Ton in ihrer Stimme. Normalerweise war es nicht ihre Art, so mit Gästen zu reden; nicht einmal, wenn sie um diese Zeit kamen. Aber normalerweise erschrak sie auch nicht, wenn es morgens um vier an derTür klingelte.
Vor ihr stand ein sehr groß gewachsener, dunkelhaariger Mann, dessen Gesicht sie im blassen Schimmer des Mondlichtes nicht richtig erkennen konnte, obwohl er nahe genug gewesen wäre, um ihn zu berühren. Aber sie sah zumindest, daß es scharf geschnitten war und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit einem Ausländer gehörte. Nicht, daß Charlotte etwas gegen Ausländer hatte – ebensowenig wie gegen Spinnen, Hunde oder Katzen. Solange sie blieben, wo sie hingehörten, störten sie sie nicht.
Die Worte, die der Fremde an sie richtete, bestätigten ihren ersten Eindruck. Er sprach perfekt Deutsch; schnell und so akzentfrei, daß es schon fast wieder auffiel. Trotzdem spürte man irgendwie, daß er sich nicht in seiner Muttersprache ausdrückte.
»Bitte entschuldigen Sie die späte Störung«, begann er. »Aber wir haben das Schild gesehen, und unten brannte noch Licht.«
Er trat nun doch einen Schritt zurück und deutete mit einer komplizierten Geste nacheinander auf das kleine Neonschild neben derTür, das »ZIMMER FREI« verkündete, das erleuchtete Fenster daneben und dann auf eine weitere Gestalt, die ein paar Schritte hinter ihm im Dunkeln stand. Etwas an ihr war seltsam, aber Charlotte konnte im ersten Moment nicht genau sagen, was. Irgendwie stimmten ihre Umrisse nicht.
»Wissen Sie, wie spät es ist?« fragte Charlotte mißtrauisch. Der Ausländer nickte und zwang ein Lächeln auf sein Gesicht, das so falsch war, daß Charlotte fast davor erschrak. »ja. Ich entschuldige mich noch einmal für die Störung. Wir wollten Sie nicht wecken, aber … wir können heute nacht nicht weiter, und wir sind fremd hier und kennen uns nicht aus.«
Charlotte winkte ab. Sie versuchte, möglichst unauffällig an dem Ausländer vorbeizusehen, um dahinterzukommen, was mit dem Umriß seines Begleiters nicht in Ordnung war. Er wirkte irgendwie … zu breit. Aber das Licht draußen war sehr schwach. Der Himmel hatte sich wieder zugezogen, und er war nicht nahe genug, um ihn im Lichtschein zu erkennen, der aus dem Fenster fiel. Charlotte fragte sich, ob das Absicht war.
»Sie haben mich nicht geweckt«, sagte sie. »Sie können ein Zimmer haben. Hundertzwanzig die Nacht – aber Sie müssen die ganze Nacht bezahlen. «
»Kein Problem«, sagte der Fremde.
»Im voraus.« Charlotte legte die Hand auf die Klinke, aber sie drückte sie noch nicht herunter, sondern wartete, bis der Fremde in seine Jacke griff und seine Brieftasche hervorzog.
Die Bewegung schien ein Signal für seinen Begleiter zu sein, näher zu kommen. Als er sich bewegte, zerfiel der massige Schatten zu zwei schlankeren, eng aneinandergeschmiegten Umrissen, und Charlotte zog die Hand so hastig wieder zurück, als wäre der Türgriff plötzlich rotglühend. Es waren zwei Männer. Der eine stützte den anderen.
»He, was – «
»Es ist nicht das, was Sie glauben«, sagte der Ausländer, ruhig, aber so schnell, daß Charlotte ziemlich sicher war, daß es ganz genau das war, was sie glaubte. »Unserem Freund ist nicht gut. Er ist krank. Deshalb können wir heute nacht auch nicht weiter.«
»Krank?«
»Es ist nichts Ansteckendes, keine Sorge.« Der Fremde lächelte noch unechter, klappte seine Brieftasche auf und zog zwei zusammengefaltete Hunderter hervor. »Selbstverständlich zahlen wir mehr. Schließlich sind wir auch zu dritt.«
Charlotte zögerte, nach den beiden Banknoten zu greifen, die ihr der Fremde durch das Kolibri-Fenster hinhielt. Sie konnte das Geld gut gebrauchen, und die drei waren auch nicht das erste Schwulen Trio, das hierherkam und sich für ein paar Stunden einmietete. Aber da war etwas in der Stimme des
Fremden gewesen, was sie alarmierte, etwas wie eine Drohung. Nein, keine Drohung … Es klang verrückt, aber genau diesen Eindruck hatte sie: Seine Stimme klang, als wäre er es gewohnt, Drohungen auszustoßen, und bemühte sich nun mit aller Macht, es nicht zu tun. Irgend etwas sagte ihr, daß sie diese drei Fremden besser nicht aufnehmen sollte.
»Es … gibt ein Krankenhaus, nur zwei Blocks entfernt von hier«, sagte sie zögernd. »Wenn Ihr Freund so krank ist, ist er dort vielleicht besser aufgehoben. Und auch billiger.«
»Das ist nicht nötig.« Zwischen Zeige-und Mittelfinger des Ausländers erschien wie hingezaubert ein dritter Hunderter. »Wir wissen, was ihm fehlt. Er braucht nur ein paar Stunden Schlaf, das ist alles.«
Charlotte starrte das Geld an, dann noch einmal die beiden aneinandergeklammerten Gestalten hinter dem Ausländer, aber schließlich siegte ihre Gier. Sie nahm das Geld an sich, öffnete die Tür und trat einen Schritt zurück. Der Ausländer drehte sich herum, ging zu den beiden anderen zurück und legte sich den Arm der reglosen Gestalt über die Schultern. Zumindest in diesem Punkt hatte er nicht gelogen – der Bursche sah nicht nur krank aus, er war eindeutig bewußtlos. Selbst in der schlechten Beleuchtung konnte Charlotte erkennen, daß sein Gesicht kalkweiß war.