Der Wiedersacher
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Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.
"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost
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Er mußte sich gehörig den Schädel angeschlagen haben, denn das erste, was er nach seinem Erwachen spürte, waren rasende Kopfschmerzen. Das nächste war etwas in letzter Zeit Wohlbekanntes, von dem er allerdings gehofft hatte, es nicht so bald wieder zu spüren: den Einstich einer Nadel in die linke Armvene, dem ein kurzes, heftiges Brennen folgte. Dann hörte er die Stimme der Krankenschwester: »Ich glaube, er wacht auf.«
»Irrtum. Er ist wach und spielt nur noch den Schlafenden.« Die Nadel wurde mit einem Ruck aus Brenners Vene gezogen, der seiner Auffassung nach viel zu heftig ausfiel, und er öffnete widerwillig die Augen, um direkt in das Gesicht des behandelnden Arztes zu blicken.
»Hat wenig Sinn, den Jungs da etwas vormachen zu wollen«, fuhr dieser mit einer Geste auf den Instrumententisch und einem reichlich humorlosen Lächeln fort. »Sie merken so ziemlich alles, wissen Sie? Wie fühlen Sie sich?«
»Ich habe Kopfschmerzen«, antwortete Brenner.
»Gut. Der Größe der Beule an Ihrer Schläfe nach zu schließen, dürften sie ziemlich heftig sein.«
»Stimmt«, preßte Brenner zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ihr Mitgefühl tut wirklich gut, Professor.« Er hatte inzwischen die Stimme dem Gesicht zugeordnet.
»Wer sagt, daß ich welches habe?« antwortete Schneider übellaunig. »Warum erwartet eigentlich jedermann von uns Medizinern, daß wir ständig und für alles Verständnis haben? Ich finde, es geschieht Ihnen ganz recht. Ist Ihnen eigentlich klar, wie leichtsinnig Sie sich verhalten haben?«
»Aber ich wollte doch nur – «
»– aufstehen und ein bißchen herumspazieren, ich weiß«, unterbrach ihn Schneider. »Und dabei möglicherweise so ganz nebenbei zunichte machen, was wir in den letzten Tagen erreicht haben.« In Schneiders Augen blitzte es ärgerlich. Sein Zorn war nicht gespielt und möglicherweise verständlich, zumindest aus seiner Sicht. Aber nicht in diesem Ausmaß. Trotzdem verfehlten die Worte ihre Wirkung nicht.
»Es tut mir leid«, sagte Brenner. »Ich wollte Ihnen wirklich keinen Ärger machen, Herr Professor.«
»Dann wären Sie besser nicht aufgestanden und herumspaziert, als hielten Sie sich für einen jungen Gott«, antwortete Schneider in noch immer strafendem, aber zugleich auch schon fast versöhntemTon. Ärzte waren vielleicht keine Heiligen, die alles verziehen und verstanden, aber sie waren offensichtlich Kummer gewohnt. Er sah Brenner einen Moment lang strafend an, ehe er fortfuhr: »Aber jetzt mal im Ernst: Was haben Sie sich nur dabei gedacht? Ist Ihnen eigentlich klar, was Ihnen alles hätte passieren können?«
»Ich fürchte, nein«, gestand Brenner zerknirscht. »Es tut mir wirklich leid. Aber ich habe mich kräftig genug gefühlt, um – «
»Natürlich haben Sie das! « unterbrach ihn Schneider. »Sie sind ja auch bis zum Stehkragen mit Medikamenten vollgepumpt.« Er deutete wieder auf die Geräte neben dem Bett. »Die Dinger da passen nicht nur auf Sie auf, sie bewahren Sie auch vor den schlimmsten Schmerzen und anderen Unannehmlichkeiten. Und wahrscheinlich geben sie Ihnen auch das Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Aber nur, solange Sie es lassen, glauben Sie mir.«
Brenners Kopf tat zu weh, als daß er Schneiders Geste mit Blicken folgte, aber er spürte auch so, daß er während seiner Ohnmacht wieder an jedes einzelne Kabel angeschlossen worden war. Nur, daß ihn der Gedanke nicht beruhigte. Ganz im Gegenteil: Die einzigen Minuten in den letzten drei Tagen, in denen er sich halbwegs wohl gefühlt hatte, waren eigentlich die gewesen, in denen er nicht mit den Apparaten verkabelt war – und keine Nadel im Arm gehabt hatte, aus der Weiß-Gott-Was in seinen Kreislauf getröpfelt war.
»Ich kann sehen«, sagte er unvermittelt. Schneider blinzelte. »Wie?«
»Meine Augen«, antwortete Brenner. »Ich kann plötzlich viel besser sehen. Noch nicht richtig, aber kein Vergleich zu gestern. Es kam ganz plötzlich: Ich bin wach geworden und konnte wieder sehen. Deshalb bin ich aufgestanden.«
Schneiders Reaktion verwirrte ihn. Der Arzt blickte ihn einige Sekunden lang durchdringend an, und er sah ihm jetzt zum erstenmal nicht nur ins Gesicht, sondern direkt in die Augen. Dann trat er rasch einen Schritt zurück, hob die Hand und fragte: »Wie viele Finger sind das?«
»Vier«, antwortete Brenner – was, um ehrlich zu sein, beinahe geraten war. Schneiders Hand befand sich schon im unscharfen Grenzbereich seines noch immer eingeschränkten Gesichtsfeldes, so daß er nicht ganz sicher war, ob er nur zwei, drei oder vier Finger in die Höhe streckte. Aber es war eine DreißigProzent-Chance, und er landete einen Treffer. Schneider war für einen Moment so verblüfft, daß er sein Gesicht gar nicht zu sehen brauchte, um seine Überraschung zu spüren. Und er war wohl auch zu verblüfft, um den Versuch zu wiederholen, denn er trat wieder näher und sah Brenner erneut einige Sekunden lang wortlos an. Seltsamerweise las Brenner alle möglichen Empfindungen in seinen Augen – Überraschung, Verwirrung, berufsmäßige Neugier und jene Art mißtrauischen Zweifels, die bei Männern wie ihm wohl schon zu einer Art Instinkt geworden ist – , nur eines nicht: Freude.
»Ihre Erleichterung scheint sich in Grenzen zu halten«, sagte Brenner.
Schneider fuhr ein ganz kleines bißchen zusammen und zwang prompt ein unechtes Lächeln auf sein Gesicht. »O nein«, sagte er hastig. »Sie tun mir unrecht. Ich freue mich immer, wenn meine Arbeit von Erfolg gekrönt wird. Es kommt nur… ziemlich überraschend.«
»So?« Brenner bemerkte, daß Schneider einen raschen Blick mit der Krankenschwester tauschte, der mehr war als ein bloßer Blick. »Ich dachte, Sie selbst hätten es vor ein paar Stunden so prophezeit – spontan und irgendwann. «
»ja, natürlich«, antwortete Schneider hastig. Sein Lächeln wirkte plötzlich noch unechter. »Manchmal überrascht es einen, wenn die eigenen Vorhersagen plötzlich eintreffen. Es kam ganz plötzlich, sagen Sie?«
Brenner unterdrückte gerade noch den Impuls zu nicken, was seinen Schädel wahrscheinlich endgültig zum Platzen gebracht hätte. »Ich habe die Augen aufgemacht und konnte sehen, ja. So sollte es doch sein, oder?« Er war jetzt sicher, daß Schneider kein bißchen erleichtert war, sondern ganz im Gegenteil besorgt. Um nicht zu sagen: erschrocken.
»ja, natürlich. Aber hüten Sie sich, sich zu sehr zu freuen. Sie könnten einen ebenso spontanen Rückfall erleiden. Schwester was ist mit dem Ding los?«
Brenner biß in Gedanken die Zähne zusammen und drehte nun doch den Kopf in den Kissen. Der Schmerz war weniger schlimm als erwartet, aber was er sah, gefiel ihm nicht. Schneider mochte seine Gründe haben, so und nicht anders zu reagieren, aber er sah in den Augen der Schwester die gleiche Bestürzung, und sie gab sich nicht einmal sonderlich Mühe, sie zu verbergen. Auf die Worte des Arztes hin beugte sie sich hastig über den Instrumententisch und begann – Brenner war sicher, ziemlich wahllos – an Schaltern und Knöpfen zu hantieren. Schließlich drehte sie sich mit einem übertriebenen Achselzucken wieder um.
»Es funktioniert alles tadellos.«
Schneiders Blick machte deutlich, was er vom technischen Verständnis seiner Nachtschwester hielt. Aber er sparte sich jede dementsprechende Bemerkung. »Es ist gut, Schwester«, sagte er. »Bitte sehen Sie jetzt nach unseren Gästen. Ich möchte nicht, daß sie zu lange allein sind.«
Die Schwester ging, aber Schneider machte keine Anstalten, ihr zu folgen. Allerdings sagte oder tat er auch nichts, sondern sah Brenner nur weiter auf diese sonderbare Art an. Seine Blicke begannen ihn allmählich nicht nur zu beunruhigen, sondern regelrecht nervös zu machen. Irgend etwas stimmte hier nicht.
»Fühlen Sie … sonst noch eine Veränderung?« fragte er schließlich.
»Sollte ich denn?«
»Ich hasse es, auf eine Frage eine Gegenfrage anstelle einer Antwort zu bekommen«, sagte Schneider, schon wieder eine Spur schärfer, aber trotzdem noch immer hörbar nervös.