The Stand. Das letze Gefecht
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Kurzbeschreibung
In einem entv?lkerten Amerika versucht eine Handvoll ?berlebender, die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mytische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, die Verk?rperung des absolut B?sen. In der W?ste von Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit. "The Stand", Stephen Kings Vision vom letzten Gefecht zwischen Gut und B?se, war bislang nur in einer stark gek?rzten Version zug?nglich.Die hier ver?ffentlichte Urfassung zeigt die Gr??e seines apokalyptischen Entwurfs.Manche nennen diesen Roman sein Meisterwerk!
Autorenportrait
Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren. Er war zun?chst als Englischlehrer t?tig, bevor ihm 1973 mit seinem ersten Roman 'Carrie' der Durchbruch gelang. Seither hat er mehr als 30 Romane geschrieben und ?ber 100 Kurzgeschichten verfasst und gilt als einer der erfolgreichsten Schriftsteller weltweit.
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Eine Stunde später schrak er hoch und griff in seiner Panik mit den Händen in den Sand. Ein Alptraum? Das mußte es wohl sein, denn der Boden bewegte sich langsam unter seinen Händen.
Ein Erdbeben? Wie konnte es hier ein Erdbeben geben?
Einen Augenblick lang glaubte er schon, er sei im Delirium. Vielleicht hatte er, während er schlief, wieder Fieber bekommen. Aber als er zu der Wasserrinne hinuntersah, sah er den Schlamm in kleinen Brocken in das Wasser rutschen. Seine erstaunten Augen sahen in den hüpfenden, tanzenden Steinen Glimmer und Quarzstücke blinken. Dann hörte er ein schwaches, dumpfes Geräusch - es schien in seine Ohren hineinzustoßen. Ein paar Sekunden später rang er nach Atem, als würde alle Luft aus der Rinne hinausgeschoben, die das Hochwasser gewühlt hatte.
Über sich hörte er ein Jaulen. Kojak war als Silhouette oben am westlichen Hang des Einschnitts zu sehen. Er hatte sich hingekauert, den Schwanz zwischen den Beinen, und starrte nach Westen in Richtung Nevada.
»Kojak!« Vor Angst schrie Stu übermäßig laut. Das dumpfe Geräusch hatte ihn beunruhigt - es war, als habe irgendwo in nicht allzu großer Entfernung Gott mit dem Fuß auf den Wüstenboden gestampft.
Kojak sprang den Hang hinunter und kam winselnd herbei. Als er Kojak mit der Hand über den Rücken fuhr, fühlte er, wie der Hund zitterte. Er mußte nachsehen. Er mußte. Ein plötzliches Gefühl der Gewißheit überkam ihn: Das, was hatte geschehen sollen, war geschehen. In diesem Moment.
»Ich gehe nach oben, alter Junge«, murmelte Stu.
Er kroch zum östlichen Hang hinüber. Er war zwar steiler, aber dort hatte man den besseren Halt. Er hatte in den letzten Tagen überlegt, ob es ihm wohl gelingen würde, hinaufzuklettern, aber dann war es ihm wenig sinnvoll erschienen. Hier unten konnte er sich vor dem Wind schützen. Aber jetzt mußte er hinauf. Er mußte Ausschau halten. Er zog sein geschientes Bein hinter sich her wie eine Keule.
Er stützte sich auf die Hände und schaute nach oben. Der Hang sah sehr hoch aus, das Ziel sehr weit entfernt.
»Das schaffe ich nicht«, murmelte er, aber er versuchte es trotzdem. Ein neuer Haufen Geröll hatte sich unten aufgetürmt. Durch das... das Erdbeben. Oder was es auch gewesen sein mochte. Stu kroch über den Geröllhaufen hinweg und arbeitete sich Zoll für Zoll den Hang hinauf. Er schaffte knapp zwölf Meter und rutschte dann wieder sechs Meter nach unten, weil es ihm nicht gelang, sich rechtzeitig an einem vorspringenden Stück Quarz festzuhalten.
»Nein, es geht nicht«, ächzte er und ruhte sich ein wenig aus. Zehn Minuten später versuchte er es erneut. Er erreichte eine Stelle, wo er keinen Halt fand, und mußte nach links kriechen. Kojak war mitgekommen und wunderte sich vermutlich, warum dieser Narr sein Wasser und sein warmes Feuer verlassen hatte.
Warm. Zu warm.
Das Fieber mußte wiedergekommen sein. Aber wenigstens zitterte er nicht mehr. Frischer Schweiß lief ihm über Gesicht und Arme. Sein staubiges und fettiges Haar hing ihm in die Augen.
Mein Gott, ich verbrenne! Muß achtunddreißig, neununddreißig Grad...
Er schaute zufällig Kojak an. Es dauerte eine Minute, bis er begriff, was er gesehen hatte. Kojak hechelte. Es war kein Fieber, oder nicht einfach Fieber, denn Kojak fühlte sich ebenfalls heiß. Über ihm zog ein Schwärm Vögel vorbei, kreischend, ziellos, mit wildem Flügellschlag.
Sie spüren es auch. Was immer es sein mag, die Vögel spüren es auch.
Er kroch weiter, und die Angst verlieh ihm zusätzliche Kräfte. Er kämpfte um jeden Zoll. Gegen ein Uhr nachmittags war er nur noch ungefähr zwei Meter von der oberen Kante entfernt. Er sah oben schon die Straßentrümmer. Nur zwei Meter, aber der Hang war hier besonders steil. Einmal versuchte er weiterzuklettern, indem er sich wie eine Vipernatter wand und krümmte, aber das Geröll, aus dem das Straßenbett bestand, gab überall nach. Wenn er weiterstieg, würde er höchstens den Abhang wieder hinunterrutschen und sich womöglich auch noch das andere Bein brechen.
»Ich stecke fest«, murmelte er. »Na, großartig. Und was jetzt?«
Und was jetzt, wurde ihm sehr schnell deutlich. Auch ohne daß er herumkroch, bewegte sich der Boden unter ihm, und er rutschte ein Stück ab. Er versuchte, sich festzukrallen. In seinem gebrochenen Bein klopfte es, und er hatte vergessen, Glens Pillen einzustecken.
Er glitt noch zwei Zoll nach unten. Dann fünf. Plötzlich hing sein linker Fuß frei im Raum. Er hielt sich nur noch mit den Händen fest und begann abzurutschen. Seine Finger zogen zehn kleine Furchen in den feuchten Boden.
»Kojak!« schrie er verzweifelt und versprach sich nichts davon. Aber plötzlich war Kojak da. Blind legte Stu ihm die Arme um den Hals. Er erwartete keine Rettung, er hatte, wie ein Ertrinkender, ganz einfach nach irgend etwas gegriffen. Kojak versuchte nicht, sich von ihm zu lösen. Er stemmte sich mit den Pfoten in den Boden. Ein paar Sekunden lang hingen sie erstarrt wie lebende Skulpturen. Dann begann Kojak sich zu bewegen. Er versuchte, nach oben zu kommen. Seine Pfoten traten Erdbrocken und Geröll los, und Steine flogen Stu ins Gesicht. Er schloß die Augen. Kojak zog ihn nach oben und keuchte dabei neben Stus rechtem Ohr wie ein Kompressor.
Stu öffnete die Augen wieder und sah, daß sie fast oben waren. Kojak hielt den Kopf gesenkt. Seine Hinterbeine arbeiteten mit aller Kraft. Er schaffte noch ein paar Zoll, und das reichte. Mit einem verzweifelten Schrei ließ Stu Kojaks Hals los und griff nach einem vorstehenden Stück Asphalt. Es brach unter seinem Gewicht ab. Er packte einen zweiten Zacken. Zwei Fingernägel lösten sich langsam, wie feuchte Abziehbilder, und er schrie laut auf. Die Schmerzen waren gemein. Er stieß sich mit seinem gesunden Bein ab, wühlte sich mit verzweifelter Wut hinauf, und endlich - irgendwie - lag er keuchend und mit geschlossenen Augen auf der Straßendecke der 1-70.
Kojak tauchte neben ihm auf, winselte und leckte ihm das Gesicht. Ganz langsam richtete Stu sich auf und blickte nach Westen. Er schaute lange Zeit und dachte nicht mehr an die Hitze, die ihm immer noch in dichten, warmen Wellen ins Gesicht wehte.
»Oh, mein Gott«, sagte er endlich leise und mit brüchiger Stimme.
»Sieh dir das an, Kojak. Larry. Glen. Sie sind weg. Mein Gott, alles ist weg. Alles weg.«
Die pilzförmige Wolke stand am Horizont wie eine geballte Faust an einem langen staubigen Unterarm. Mit zerfransten Rändern stieg sie wirbelnd in die Höhe und begann sich aufzulösen. Hinter ihr sah Stu ein dunkles Orangerot, als hätte die Sonne beschlossen, schon am frühen Nachmittag unterzugehen.
Der Feuersturm,dachte er.
In Las Vegas mußten jetzt alle tot sein. Jemand mußte irgendwo irgendwie Scheiße gebaut haben, und ein nuklearer Sprengkopf war detoniert... und nach dem Anblick und nach seinem Gefühl zu urteilen ein verdammt großer. Vielleicht war ein ganzes Arsenal hochgegangen. Glen, Larry, Ralph... selbst wenn sie Vegas noch nicht erreicht hatten, mußten sie nahe genug gewesen sein, um lebendig gebacken zu werden.
Dicht neben ihm winselte Kojak kläglich.
Der Fallout. In welche Richtung wird der Wind ihn treiben? Spielte das eine Rolle?
Er dachte an die Nachricht für Frannie. Es war wichtig, daß er hinzufügte, was passiert war. Wenn der Wind den radioaktiven Fallout nach Osten wehte, könnte es dort drüben problematisch werden... wichtiger noch, wenn Las Vegas der Tummelplatz des dunklen Mannes gewesen war, dann mußten sie in Boulder erfahren, daß Vegas nicht mehr existierte. Die Leute waren verdampft, mitsamt dem tödlichen Spielzeug, das dort überall herumlag und nur darauf wartete, daß jemand es mitnahm. Das alles mußte er noch auf den Zettel schreiben.
Aber nicht jetzt. Er war jetzt zu müde. Der Aufstieg hatte ihn erschöpft, und der Anblick der sich auflösenden Pilzwolke hatte ihn sogar noch mehr erschöpft. Er empfand nicht die geringste Freude, sondern nur eine dumpfe Müdigkeit. Er legte sich auf die Straße, und sein letzter Gedanke, bevor er einschlief, war: Wie viele Megatonnen? Aber das würde wahrscheinlich nie jemand erfahren oder erfahren wollen.