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Die letzte Diagnose

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Die letzte Diagnose
Название: Die letzte Diagnose
Автор: White James
Дата добавления: 16 январь 2020
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Die letzte Diagnose - читать бесплатно онлайн , автор White James

ORBIT HOSPITAL ist ein Klinikum im All, das allen raumfahrenden Lebensformen der Galaxis medizinische Hilfe leistet. Es nimmt alle Gesch?pfe auf, ob sie ein Dutzend Gliedma?en haben oder gar keine, ob sie sich von Radioaktivit?t ern?hren oder Wasser atmen – von anderen exotischen Gewohnheiten und Bed?rfnissen ganz zu schweigen. Es ist ein ?kologisches Tollhaus und ein organisatorischer Irrwitz, aber es ist f?r alle da und es funktioniert. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes – lebensnotwendig.

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Aus unmittelbarer Nähe sah das Wesen wie ein gewaltiger, gepanzerter Fisch mit einem kräftigen, messerscharfen Schwanz aus, der eine scheinbar planlose Anordnung von kurzen Flossen und einen breiten Ring von Tentakeln besaß, die aus den wenigen sichtbaren Öffnungen seines organischen Panzers hervorragten. Beim Vorwärtsschwimmen lagen die Tentakel flach an den Körperseiten an, aber sie waren so lang, daß sie über die dicke, stumpfe Keilform des Kopfes hinausreichten. Während die Kreatur ihn enger umkreiste, beobachtete sie ihn aus zwei lidlosen Augen, die in Form und Größe umgedrehten Suppenschüsseln ähnelten. Plötzlichteilte sich der Kopf und entblößte einen riesigen, rosafarbenen Rachen, umsäumt von einer Dreierreihe scharfer, weißer Zähne.

»Hallo«, begrüßte ihn der Chalder. »Sind sie etwa die neue Schwesternschülerin? Wir hatten eigentlich eine Kelgianerin erwartet.«

Hewlitt öffnete ebenfalls den Mund, aber es dauerte einen Augenblick, ehe er seine Stimme wiedergefunden hatte. »N-nein«, stammelte er. »Ich bin kein Mediziner, sondern nur ein ehemaliger Patient und besuche die Chalderstation zum ersten Mal.«

»Oh, ich hoffe, daß ich Sie dann durch mein Herannahen nicht allzu sehr erschreckt habe«, entschuldigte sich der Chalder. »Falls doch, tut es mir leid. Sie haben aber auch überhaupt nicht wie ein Besucher reagiert, der das erste Mal hier ist. Ich bin übrigens AUGL-Zwei- Elf. Wenn Sie mir die Aktennummer der Person nennen, die Sie besuchen möchten, bringe ich Sie gerne zu ihr.«

Als Hewlitt sich vorstellen wollte, fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, daß Chalder ihren Namen nicht preisgeben und vermied es deshalb, sich oder sein Gegenüber in ernste Verlegenheit zu bringen. Die Höflichkeit des AUGLs mußte ihn wohl ein wenig übermütig gemacht haben, denn zu seiner eigenen Verwunderung entgegnete er: »Vielen Dank, aber eigentlich möchte ich zu keiner bestimmten Person. Wäre es vielleicht möglich, alle Patienten kurz kennenzulernen?«

Patient Zwei-Elf machte das Maul einige Male auf und zu. Noch während sich Hewlitt fragte, ob der Chalder sein Bitte ablehnen wollte, antwortete dieser: »Das wäre durchaus möglich und in meinen Augen sogar wünschenswert. Dies gilt insbesondere für die drei Patienten, zu denen übrigens auch ich gehöre, deren Entlassung überfällig ist und die sich zusehends langweilen. Es bleibt Ihnen allerdings nicht viel Zeit, denn in knapp einer Stunde wird die Hauptmahlzeit ausgeteilt. Die Nahrung ist selbstverständlich synthetisch, aber höchst beweglich und naturgetreu nachgebildet, und kleine Wesen wie Sie werden aufgefordert, während der Essenszeit die Station zu verlassen, damit sie nicht versehentlich verspeist werden.«»Keine Sorge, ich werde mich bestimmt rechtzeitig zurückziehen«, versicherte ihmHewlitt.

»Das klingt sehr vernünftig«, pflichtete ihm der Chalder bei und hielt kurz inne, bevor er fragte: »Kann es sein, daß ich Sie durch irgendeine unpassende Bemerkung oder Andeutung beleidigt habe?«

Hewlitt musterte erneut den gewaltigen Panzerkörper und die respekteinflößenden Zähne und erwiderte: »Ich bin keineswegs beleidigt.«

»Dann bin ich ja beruhigt«, sagte der AUGL, bevor er näher herankam und direkt an Hewlitt vorbeiglitt, bis nur noch ein riesiges Auge, eine Hälfte der Mundöffnung und eine steif vorstehende Flosse von ihm zu sehen waren. »Terrestrier kann man nicht unbedingt als wassertauglich bezeichnen; sie bewegen sich viel zu langsam und müssen ungeheuer viel Energie dafür aufwenden. Wenn Sie nach der Flosse greifen, die in Ihrer Reichweite ist, und sich an deren Ende mit beiden Händen festhalten, dann können wir zwischen den Patienten umherschwimmen und werden dafür nur einen Bruchteil der Zeit benötigen, die Sie sonst aufwenden müßten.«

Hewlitt zögerte. »Die Flosse sieht… nun ja… ziemlich empfindlich aus. Kann ich Ihnen dabei auch wirklich keinen Schaden zufügen?«

»Quatsch, überhaupt nicht!« widersprach Zwei-Elf entschieden. »Ich gebe zwar gern zu, daß ich mich in letzter Zeit etwas schwach gefühlt habe, aber ich bin sehr viel besser bei Kräften, als es derzeit den Anschein hat.«

Hewlitt, dem dazu keine passende Antwort einfiel, griff kurzerhand nach der Flosse, deren dickes, rotgeädertes Ende wie eine riesige, durchsichtige Rhabarberstange aus einer Öffnung des schuppigen Panzers sproß. Als er plötzlich spürte, wie etwas Unsichtbares ihn loszureißen versuchte, packte er fester zu, bis er merkte, daß nur der steigende Wasserdruck an ihm zerrte, der durch die rasche Vorwärtsbewegung ausgelöst worden war. Während sie wie ein Torpedo durch die ganze Station schossen, glitten sie an den Zierpflanzen, den riesigen Patienten und dem im direkten Vergleich geradezu winzig wirkenden Pflegepersonal vorbei.

Wie Hewlitt sehen konnte, gab es auf dieser Station keine Betten, wasallerdings angesichts der hier herrschenden Umweltbedingungen alles andere als verwunderlich war. Diejenigen Chalder, die bettlägerigen Patienten am ehesten gleichkamen, waren an offene Behandlungsgestelle gebunden, die wie Kastendrachen aussahen. Einer dieser Patienten, dessen gesamte Körperoberfläche aus krankheits- und altersbedingten Gründen rissig und verfärbt war, erhielt gerade Besuch von Lioren. Die Mehrheit der anderen schwamm ohne Einschränkungen in den ihnen zugewiesenen, an Wänden und Decke markierten Bereichen umher, und da sie die Augen auf flackernde Bildschirme richteten, sahen Sie sich vermutlich Unterhaltungsprogramme an. Zwei Chalder trieben Kopf an Kopf fast bewegungslos am Ende der Station und unterhielten sich offenbar. Dort befand sich auch das Ziel. Als sich Zwei-Elf und Hewlitt den beiden näherten, schlugen sie mit den gewaltigen Schwänzen, drehten sich schwerfällig um und starrten sie mit weit aufgesperrten Mäulern an.

»Wenn Sie möchten, können Sie jetzt absitzen«, meinte Zwei-Elf und deutete mit einem fransigen Tentakel auf die beiden AUGLs: »Das sind übrigens die Patienten Eins-Dreiundneunzig und Zwei-Einundzwanzig. Und das hier ist eine terrestrische Besucherin, die sich mit uns unterhalten möchte.«

»Ich sehe auch so, daß es sich nicht um einen deiner widerlichen Körperparasiten handelt«, frotzelte Eins-Dreiundneunzig. »Worüber möchte er sich denn mit uns unterhalten? Über den idiotischen Grund, weshalb wir immer noch hier sind?«

Bevor Hewlitt antworten oder die geschlechtliche Frage klarstellen konnte, meldete sich Zwei-Einundzwanzig zu Wort: »Bitte entschuldigen Sie das Verhalten unseres Freundes, kleine Sauerstoffatmerin. Seine Manieren lassen aufgrund einer Mischung aus Ungeduld, Langeweile und Heimweh in letzter Zeit etwas zu wünschen übrig. Normalerweise ist sein Benehmen viel besser… na ja… zumindest etwas besser, als es jetzt der Fall ist. Dennoch bleibt seine Frage bestehen, nämlich warum Sie hier sind und was Sie uns zu sagen haben.«

Hewlitt wartete solange, bis die drei die Position gewechselt hatten undnebeneinander im Wasser schwebten, so daß sie ihn direkt ansehen konnten. Der Anblick eines aufgerissenen Rachens mit drei Zahnreihen war ihm schon etwas nahe gegangen, aber die drei übergroßen, aufgesperrten Mäuler, die nur wenige Meter von seinem Kopf entfernt waren, hatten nun eine eher lächerliche als furchterregende Wirkung auf ihn, so daß er sich langsam zu entspannen begann. Nach kurzer Überlegung faßte er den Entschluß, daß es sich wieder einmal um einen jener Augenblicke handelte, in dem man lieber sparsam und vielleicht sogar etwas erfinderisch mit der Wahrheit umgehen sollte.

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