Der Schwarm
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Ein Fischer verschwindet vor Peru, spurlos. Цlbohrexperten stoЯen in der norwegischen See auf merkwьrdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz genommen haben. Wдhrenddessen geht mit den Walen entlang der Kьste British Columbias eine unheimliche Verдnderung vor. Nichts von alledem scheint miteinander in Zusammenhang zu stehen. Doch Sigur Johanson, norwegischer Biologe und Schцngeist, glaubt nicht an Zufдlle. Auch der indianische Walforscher Leon Anawak gelangt zu einer beunruhigenden Erkenntnis: Eine Katastrophe bahnt sich an. Doch wer oder was lцst sie aus? Wдhrend die Welt an den Abgrund gerдt, kommen die Wissenschaftler zusammen mit der britischen Journalistin Karen Weaver einer ungeheuerlichen Wahrheit auf die Spur.
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Anawak starrte fassungslos ins Wasser. Aus der Tiefe stieg etwas Glitzerndes nach oben. Ein Schwall Luftblasen. Sie zerplatzten schäumend an der Wasseroberfläche.
Drum herum färbte sich das Wasser rot.
»Nein«, flüsterte er.
Greywolf packte ihn an der Schulter und zog ihn zurück.
»Es ist niemand mehr da«, sagte er. »Wir hauen ab.« Anawak war wie betäubt. Das Sportboot nahm röhrend Fahrt auf. Er taumelte und fing sich. Die Frau, die Stringer gerettet hatte, lag auf einer der seitlichen Sitzbänke und wimmerte. Delaware redete mit zitternder Stimme auf sie ein. Der Mann, den sie aus dem Wasser gezogen hatte, stierte vor sich hin. In einiger Entfernung hörte er tumultartigen Lärm, wandte den Kopf und sah das weiße Schiff umkreist von Schwertern und Buckeln. Wie es aussah, machte die Lady Wexham kaum noch Fahrt, während sie immer dramatischer in Schieflage geriet.
»Wir müssen zurück«, rief er. »Sie schaffen es nicht.« Greywolf jagte das Boot mit Höchstgeschwindigkeit auf die Küste zu. Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Vergiss es.« Anawak trat neben ihn, riss das Walkie-Talkie aus der Halterung und rief die Lady Wexham. Es rauschte und knisterte. Der Skipper der Lady meldete sich nicht. »Wir müssen denen helfen. Jack! Verdammt, dreh um…« »Ich sagte, vergiss es! Mit meinem Boot haben wir nicht die geringste Chance. Wir können von Glück sagen, wenn wir das hier überleben.« Das Schreckliche war, dass er Recht hatte.
»Victoria?«, schrie Shoemaker ins Telefon. »Was zum Teufel tun die alle in Victoria? — Wieso angefordert? — Die haben ihre eigene Küstenwache in Victoria. Im Clayoquot Sound treiben Passagiere, da sinkt vielleicht gerade ein Schiff, eine Skipperin ist tot, und wir sollen uns gedulden?«
Er hörte zu, während er mit langen Schritten den Verkaufsraum durchmaß. Abrupt blieb er stehen. »Was heißt das, sobald sie können? — Das ist mir scheißegal! Dann sollen sie jemand anderen schicken. — Was? — Hören Sie mal, Sie …«
Die Stimme im Hörer schrie so laut zurück, dass es bis zu Anawak drang, obwohl Shoemaker in einigen Metern Entfernung stand. In der Station herrschte Aufruhr. Davie war persönlich anwesend. Er und Shoemaker sprachen pausenlos in irgendwelche Hörer und Geräte, gaben Instruktionen durch oder hörten fassungslos zu. Bei Shoemaker gewann die Fassungslosigkeit gerade Überhand. Er ließ den Hörer sinken und schüttelte den Kopf.
»Was ist los?«, wollte Anawak wissen. Er machte Shoemaker das Zeichen, leiser zur reden, und ging zu ihm hinüber. Während der letzten Viertelstunde, seit Greywolf sein altersschwaches Boot zurück nach Tofino geprügelt hatte, füllte sich der Verkaufsraum stetig mit Menschen. Die Nachricht von den Angriffen war wie ein Lauffeuer durch den kleinen Ort gegangen. Auch die anderen Skipper, die für Davies arbeiteten, trafen der Reihe nach ein. Mittlerweile waren die Frequenzen hoffnungslos überlastet. Die Prahlereien von Sportfischern, die in der Nähe waren und Kurs auf die Unglücksstelle nahmen — »Ha, junge Leute, zu blöde, einem Wal auszuweichen!« —, verstummten allmählich. Wer helfen wollte, wurde augenblicklich selber Zielscheibe von Attacken. Die Welle der Angriffe schien sich entlang der kompletten Küstenlinie fortzusetzen. Überall war die Hölle losgebrochen, ohne dass jemand wirklich zu sagen vermochte, was überhaupt geschah.
»Die Küstenwache hat niemanden, den sie uns schicken kann«, zischte Shoemaker. »Sie sind alle vor Victoria und Ucluelet unterwegs. Sie sagen, es seien mehrere Boote in Seenot geraten.«
»Was? Dort auch?«
»Scheint, als hätte es jede Menge Tote gegeben.«
»Ich bekomme gerade was aus Ucluelet rein«, rief Davie zu ihnen herüber. Er lehnte hinter der Theke und drehte an den Knöpfen seines Kurzwellenempfängers. »Ein Trawler. Sie haben den Notruf eines Zodiacs aufgefangen und wollten zur Hilfe kommen. Jetzt werden sie selber angegriffen. — Sie hauen ab.«
»Wovon werden sie angegriffen?«
»Kein Empfang mehr. Sie sind weg.«
»Und die Lady Wexham?«
»Nichts. Tofino Air ist mit zwei Maschinen hochgegangen. Eben hatte ich kurz Verbindung.«
»Und?«, rief Shoemaker atemlos. »Sehen sie die Lady?«
»Sie sind gerade erst gestartet, Tom.«
»Und warum sind wir nicht mit an Bord?«
»Blöde Frage, weil …«
»Verdammt, das sind unsere Boote! Warum sind wir nicht in diesen beschissenen Flugzeugen?« Shoemaker rannte wie von Sinnen hin und her. »Was ist mit der Lady Wexham?«
»Wir müssen eben warten.«
»Warten? Wir können nicht warten! Ich fahre hin.«
»Was soll das heißen, du fährst hin?«
»Na, draußen liegt doch noch ein Zodiac, oder? Wir können die Devilfish nehmen und nachsehen.«
»Bist du wahnsinnig?«, rief einer der Skipper. »Hast du nicht gehört, was Leon erzählt? Das ist Sache der Küstenwache.«
»Es ist aber keine beschissene Küstenwache da!«, schrie Shoemaker.
»Vielleicht kann sich die Lady Wexham ja aus eigener Kraft retten. Leon hat gesagt …«
»Vielleicht, vielleicht! Ich fahre!«
»Schluss!« Davie hob die Hände. Er warf Shoemaker einen warnenden Blick zu. »Tom, ich will keine weiteren Menschenleben in Gefahr bringen, wenn es nicht unbedingt sein muss.«
»Du willst dein Boot nicht in Gefahr bringen«, bellte Shoemaker angriffslustig. »Wir werden abwarten, was die Piloten zu sagen haben. Danach entscheiden wir, was zu tun ist.« »Alleine schon diese Entscheidung ist falsch!«
Davie antwortete nicht. Er drehte an den Knöpfen seines Empfängers und versuchte, in Kontakt mit den Piloten der Wasserflugzeuge zu kommen, während Anawak bemüht war, die Leute wieder aus dem Verkaufsraum nach draußen zu komplimentieren. Hin und wieder verspürte er ein Zittern in seinen Knien und einen leichten Schwindel. Wahrscheinlich stand er unter Schock. Er hätte alles darum gegeben, sich einen Moment hinlegen und die Augen schließen zu dürfen, aber dann würde er wahrscheinlich wieder Susan Stringer sehen, wie sie von dem Orca in die Tiefe gerissen wurde.
Die Frau, die Stringer ihr Leben verdankte, lag wie ohnmächtig auf einer Bank neben dem Eingang. Anawak konnte nicht anders, er betrachtete sie voller Hass. Ohne sie hätte Stringer es geschafft. Der gerettete Mann saß daneben und weinte leise. Wie es aussah, hatte er seine Tochter verloren, die mit auf der Blue Shark gewesen war. Alicia Delaware kümmerte sich um ihn. Selbst nur knapp dem Tod entronnen, wirkte sie erstaunlich gefasst. Angeblich war ein Hubschrauber unterwegs, um die Geretteten ins nächste Hospital zu bringen, aber derzeit ließ sich mit nichts und niemandem wirklich rechnen.
»He, Leon!«, sagte Shoemaker. »Kommst du mit? Du weißt am besten, worauf wir zu achten haben.«
»Tom, du fährst nicht«, sagte Davie scharf.
»Kein Einziger von euch Idioten sollte jemals wieder da rausfahren«, ließ sich eine tiefe Stimme vernehmen. »Ich fahre.«
Anawak drehte sich um. Greywolf hatte die Station betreten. Er schob sich durch die wartenden Menschen und strich sich das lange Haar aus der Stirn. Nachdem er Anawak und die anderen abgeliefert hatte, war er in seinem Boot geblieben, um es auf Schäden zu untersuchen. Schlagartig wurde es ruhiger im Verkaufsraum. Alle starrten den langmähnigen Riesen in der Lederkleidung an.
»Wovon redest du?«, fragte Anawak. »Wohin fährst du?«
»Raus zu eurem Schiff. Eure Leute holen. Ich habe keine Angst vor Walen. Sie tun mir nichts.«
Anawak schüttelte ärgerlich den Kopf. »Edel von dir, Jack, wirklich. Aber vielleicht solltest du dich ab jetzt raushalten.«
»Leon, kleiner Mann.« Greywolf fletschte die Zähne. »Wenn ich mich rausgehalten hätte, wärst du jetzt tot. Vergiss das nicht. Ihr seid es, die sich besser rausgehalten hätten. Von Anfang an.«
»Aus was?«, zischte Shoemaker.
Greywolf sah den Geschäftsführer unter gesenkten Lidern an. »Aus der Natur, Shoemaker. Ihr seid doch schuld an dem ganzen Desaster. Ihr mit euren Booten und euren verfluchten Kameras. Ihr seid schuld am Tod meiner und eurer Leute und derjenigen, denen ihr das Geld aus der Tasche gezogen habt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis so etwas passierte.«