Der Schwarm

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Der Schwarm
Название: Der Schwarm
Автор: Schatzing Frank
Дата добавления: 16 январь 2020
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Der Schwarm - читать бесплатно онлайн , автор Schatzing Frank

Ein Fischer verschwindet vor Peru, spurlos. Цlbohrexperten stoЯen in der norwegischen See auf merkwьrdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz genommen haben. Wдhrenddessen geht mit den Walen entlang der Kьste British Columbias eine unheimliche Verдnderung vor. Nichts von alledem scheint miteinander in Zusammenhang zu stehen. Doch Sigur Johanson, norwegischer Biologe und Schцngeist, glaubt nicht an Zufдlle. Auch der indianische Walforscher Leon Anawak gelangt zu einer beunruhigenden Erkenntnis: Eine Katastrophe bahnt sich an. Doch wer oder was lцst sie aus? Wдhrend die Welt an den Abgrund gerдt, kommen die Wissenschaftler zusammen mit der britischen Journalistin Karen Weaver einer ungeheuerlichen Wahrheit auf die Spur.

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»Dieser auch?«, fragte eine Journalistin.

»Nein. In den letzten Jahren hatten wir hier zunehmend Tiere, deren Immunsystem zusammengebrochen war. Sie starben an Infektionen. J-19 ist 22 Jahre alt geworden. Kein junges Tier mehr, aber im Durchschnitt bringen es gesunde Orcas auf 30 Jahre. Also ein Tod vor der Zeit, und nirgendwo sind Verletzungen eines Kampfes zu sehen. Ich tippe auf eine bakteriologische Infektion.«

Anawak trat einen Schritt vor.

»Wenn Sie wissen wollen, woher so was kommt, können wir Ihnen auch das erklären«, sagte er, bemüht um einen sachlichen Tonfall. »Es gibt eine ganze Reihe toxikologischer Untersuchungen, und sie zeigen, dass die Orcas vor British Columbia durchweg verseucht sind mit PCB und anderen Umweltgiften. Dieses Jahr haben wir in Orca-Fettgewebe über 150 Milligramm PCB nachgewiesen. Kein menschliches Immunsystem hätte dagegen den Hauch einer Chance.«

Die Gesichter der Leute wandten sich ihm zu. Er sah die Mischung aus Betroffenheit und Erregtheit in ihren Augen. Soeben hatte er ihnen eine Story geliefert. Er wusste, dass sie die Truppe jetzt im Griff hatten.

»Das Schlimme an diesen Giften ist, dass sie fettlöslich sind«, sagte er. »Das heißt, sie werden mit der Muttermilch an die Kälber weitergegeben. Menschliche Babys kommen auf die Welt und haben AIDS, und wir berichten darüber und sind entsetzt. Weiten Sie Ihr Entsetzen bitte aus und berichten Sie auch über das, was Sie hier vorgefunden haben. Kaum eine Spezies auf der Welt ist so vergiftet wie die Orcas.«

»Dr. Anawak.« Ein Journalist räusperte sich. »Was geschieht, wenn Menschen das Fleisch dieser Wale essen?«

»Sie nehmen einen Teil der Giftstoffe in sich auf.«

»Mit tödlichen Folgen?«

»Auf lange Sicht — möglicherweise.«

»Ist es dann nicht so, dass Unternehmen, die hier bedenkenlos Giftstoffe ins Meer leiten, etwa die Holzindustrie, indirekt auch dafür verantwortlich sind, wenn Menschen erkranken und sterben?«

Ford warf ihm einen schnellen Blick zu. Anawak zögerte. Das war ein heikler Punkt. Natürlich hatte der Mann Recht, aber das Vancouver Aquarium versuchte, jede direkte Konfrontation mit der ansässigen Industrie zu vermeiden und stattdessen den Weg der Diplomatie zu gehen. Die wirtschaftliche und politische Elite von British Columbia als potenzielle Mörderbande hinzustellen würde die Fronten verhärten, und er wollte Ford nicht in die Parade fahren.

»Auf jeden Fall belastet es die menschliche Gesundheit, kontaminiertes Fleisch zu essen«, antwortete er ausweichend.

»Das bewusst kontaminiert wurde von der Industrie.«

»Wir suchen diesbezüglich nach Lösungen. Gemeinsam mit den Verantwortlichen.«

»Verstehe.« Der Journalist notierte etwas. »Ich denke speziell an die Menschen in Ihrer Heimat, Dr ….«

»Meine Heimat ist hier«, sagte Anawak schroff.

Der Journalist sah ihn verständnislos an. Wie hätte er auch verstehen sollen? Er hatte wahrscheinlich einfach nur gut recherchiert.

»Das meine ich nicht«, sagte er. »Da, wo Sie herkommen …«

»In British Columbia wird nicht mehr sonderlich viel Walfleisch oder Robbenfleisch gegessen«, fiel ihm Anawak ins Wort. »Hingegen gibt es starke Vergiftungserscheinungen bei den Bewohnern am Polarkreis. In Grönland und Island, in Alaska und weiter im Norden, in Nunavut, aber natürlich auch in Sibirien, Kamchatka und auf den Aleuten, überall dort also, wo Meeressäuger zur täglichen Nahrung beitragen. Das Problem ist weniger, wo die Tiere vergiftet werden. Das Problem ist, dass sie wandern.«

»Glauben Sie, die Wale sind sich der Vergiftungen bewusst?«, fragte ein Student.

»Nein.«

»Aber Sie sprechen in Ihren Publikationen von einer gewissen Intelligenz. Wenn die Tiere begreifen würden, dass mit ihrer Nahrung etwas nicht stimmt …«

»Menschen rauchen, bis man ihnen die Beine amputiert oder sie an Lungenkrebs sterben. Sie sind sich der Vergiftung durchaus bewusst und tun es trotzdem, und Menschen sind eindeutig intelligenter als Wale.«

»Wie können Sie da so sicher sein? Vielleicht ist es genau umgekehrt.«

Anawak seufzte. So freundlich wie möglich sagte er: »Wir müssen Wale als Wale sehen. Sie sind hoch spezialisiert, aber es ist genau diese Spezialisierung, die sie auch einengt. Ein Orca ist ein lebender Torpedo mit idealer Stromlinienform, aber dafür fehlen ihm Beine, Greifhände, er verfügt über keine Mimik und nicht über bipolares Sehen. Das Gleiche gilt für Delphine, Tümmler, für jede Art von Zahnwal oder Bartenwal. Es sind keine Beinahe-Menschen. Orcas sind vielleicht klüger als Hunde, Belugas so intelligent, dass sie sich ihrer Individualität bewusst sind, und Delphine besitzen ohne Zweifel ein einzigartiges Gehirn. Aber fragen Sie sich bitte, was die Tiere letzten Endes damit vollbringen. Fische bewohnen den gleichen Lebensraum wie Wale und Delphine, ihre Lebensweise ist vielfach ähnlich, und dennoch kommen sie mit einem viertel Fingerhut Neuronen aus.«

Beinahe war Anawak froh, als er den leisen Summton seines Handys hörte. Er gab Fenwick ein Zeichen, mit der Autopsie fortzufahren, ging ein Stück abseits und meldete sich.

»Ah, Leon«, sagte Shoemaker. »Kannst du dich loseisen da, wo du gerade bist?«

»Vielleicht. Was gibt’s denn?«

»Er ist wieder da.«

Anawaks Wut stieg ins Maßlose. Als er wenige Tage zuvor überstürzt nach Vancouver Island zurückgekehrt war, hatten sich Jack Greywolf und seine Seaguards schon wieder verzogen und zwei Bootsladungen verärgerter Touristen hinterlassen, die sich lautstark darüber beschwerten, wie Vieh fotografiert und angestarrt worden zu sein. Es war Shoemaker mit Ach und Krach gelungen, die Leute zu beruhigen. Einige hatte er zu einer kostenlosen zweiten Fahrt einladen müssen. Danach schienen die Wogen geglättet. Dennoch hatte Greywolf fürs Erste erreicht, was er wollte. Er hatte für Unruhe gesorgt.

Bei Davies waren sie die Möglichkeiten durchgegangen. Sollten sie gegen die Umweltschützer vorgehen oder sie ignorieren? Offizielle Wege zu beschreiten hätte geheißen, ihnen ein Forum zu bereiten. Seriösen Organisationen waren Leute wie Greywolf ebenso ein Dorn im Auge wie den Whale Watchers, aber am Ende stand immer ein Prozess, der einer ohnehin uninformierten Öffentlichkeit verzerrte Bilder liefern würde. Im Zweifel waren viele geneigt, mit Greywolfs Parolen zu sympathisieren.

Inoffiziell hätten sie sich auf eine handfeste Auseinandersetzung einlassen können. Wohin Auseinandersetzungen mit Greywolf führten, zeigten seine diversen Vorstrafen, aber es lag an ihnen, sich davon einschüchtern zu lassen oder nicht. Es war nur wenig hilfreich. Sie hatten genug anderes zu tun, und vielleicht beließ es Greywolf ja bei dem einen Zwischenfall.

Also hatten sie beschlossen, ihn zu ignorieren.

Vielleicht, dachte Anawak, während er das kleine Motorboot entlang der Küste über den Clayoquot Sound steuerte, war das der Fehler gewesen. Möglicherweise hätte es Greywolfs Geltungssucht Genüge getan, wenn sie ihm wenigstens einen Brief geschrieben hätten, um ihr Missfallen auszudrücken. Etwas, das ihm signalisierte, dass man ihn zur Kenntnis genommen hatte.

Sein Blick suchte die Meeresoberfläche ab. Das Boot raste dahin, und er wollte nicht riskieren, Wale zu erschrecken oder gar zu verletzen Mehrmals sah er in der Ferne gewaltige Fluken, und einmal schnitten nicht weit von ihm schwarz glänzende Schwerter durch die Wellen. Während der Fahrt sprach er über Funk mit Susan Stringer auf der Blue Shark.

»Was machen die Typen?«, fragte er. »Werden sie handgreiflich?«

Es knackte im Funkgerät.

»Nein«, sagte Stringers Stimme. »Sie machen Fotos, so wie letztes Mal, und sie beschimpfen uns.«

»Wie viele sind es?«

»Zwei Boote. Greywolf und noch jemand in dem einen, drei weitere im anderen. — Himmel! Jetzt fangen sie auch noch an zu singen.«

Ein rhythmisches Geräusch drang schwach durch das Rauschen des Funkgeräts.

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