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Das Parfum

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Das Parfum
Название: Das Parfum
Автор: Suskind Patrick
Дата добавления: 16 январь 2020
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Das Parfum читать книгу онлайн

Das Parfum - читать бесплатно онлайн , автор Suskind Patrick

Von Jean-Baptiste Grenouille, dem finsteren Helden, sei nur verraten, da? er am 17. Juli 1738 in Paris, in einer stinkigen Fischbude geboren wird. Die Ammen, denen das Kerlchen an die Brust gelegt wird, halten es nur ein paar Tage mit ihm aus: Er sei zu gierig, au?erdem vom Teufel besessen, wof?r es untr?gliche Indizien gebe: den fehlenden Duft, den unverwechselbaren Geruch, den S?uglinge auszustr?men pflegen. Eine wundersame Eigenschaft, zu der sich alsbald andere dazugesellen… Wir beginnen zu ahnen, was es mit Grenouille auf sich haben k?nnte, fangen an, ihn leibhaftig vor uns zu sehen, folgen ihm in gemessenem Abstand auf seinen Wegen durch die dunkelsten Gassen von Paris, schauen zu, wie er dem Parfumeur Baldini zur Hand geht – und m?ssen uns eingestehen, die Phantasie, den Sprachwitz, den nicht anderes als ungeheuerlich zu nennenden erz?hlerischen Elan S?skinds weit untersch?tzt zu haben: so ?berraschend geht es zu in seinem Buch, so m?rchenhaft mitunter und zugleich so f?rchterlich angsteinfl??end.

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Diese Aura aber, die höchst komplizierte, unverwechselbare Chiffre des persönlichen Geruchs, war für die meisten Menschen ohnehin nicht wahrnehmbar. Die meisten Menschen wussten nicht, dass sie sie überhaupt besaßen, und taten überdies alles, um sie unter Kleidern oder unter modischen Kunstgerüchen zu verstecken. Nur jener Grundduft, jene primitive Menschendünstelei, war ihnen wohlvertraut, in ihr nur lebten sie und fühlten sich geborgen, und wer nur den eklen allgemeinen Brodem von sich gab, wurde von ihnen schon als ihresgleichen angesehen.

Es war ein seltsames Parfum, das Grenouille an diesem Tag kreierte. Ein seltsameres hatte es bis dahin auf der Welt noch nicht gegeben. Es roch nicht wie ein Duft, sondern wie ein Mensch, der duftet. Wenn man dieses Parfum in einem dunklen Raum gerochen hätte, so hätte man geglaubt, es stehe da ein zweiter Mensch. Und wenn ein Mensch, der selber wie ein Mensch roch, es verwendet hätte, so wäre dieser uns geruchlich vorgekommen wie zwei Menschen oder, schlimmer noch, wie ein monströses Doppelwesen, wie eine Gestalt, die man nicht mehr eindeutig fixieren kann, weil sie sich verschwimmend unscharf darstellt wie ein Bild vom Grunde eines Sees, auf dem die Wellen zittern.

Um diesen Menschenduft zu imitieren – recht ungenügend, wie er selber wusste, aber doch geschickt genug, um andere zu täuschen – , suchte sich Grenouille die ausgefallensten Ingredienzen in Runels Werkstatt zusammen. Da war ein Häufchen Katzendreck hinter der Schwelle der Tür, die zum Hof führte, noch ziemlich frisch. Davon nahm er ein halbes Löffelchen und gab es zusammen mit einigen Tropfen Essig und zerstoßenem Salz in die Mischflasche. Unter dem Werktisch fand er ein daumennagelgroßes Stückchen Käse, das offenbar von einer Mahlzeit Runels stammte. Es war schon ziemlich alt, begann, sich zu zersetzen und strömte einen beißend scharfen Duft aus. Vom Deckel der Sardinentonne, die im hinteren Teil des Ladens stand, kratzte er ein fischig-ranzig-riechendes Etwas ab, vermischte es mit faulem Ei und Castoreum, Ammoniak, Muskat, gefeiltem Hörn und angesengter Schweineschwarte, fein gebröselt. Dazu gab er ein relativ hohes Quantum Zibet, mischte diese entsetzlichen Zutaten mit Alkohol, ließ digerieren und filtrierte ab in eine zweite Flasche. Die Brühe roch verheerend. Sie stank kloakenhaft, verwesend, und wenn man ihre Ausdünstung mit einem Fächerschlag von reiner Luft vermischte, so war's, als stünde man an einem heißen Sommertag in der Rue aux Fers in Paris, Ecke Rue de la Lingerie, wo sich die Düfte von den Hallen, vom Cimetiere des Innocents und von den überfüllten Häusern trafen.

Über diese grauenvolle Basis, die an und für sich eher kadaverhaft als menschenähnlich roch, legte Grenouille nun eine Schicht von ölig-frischen Düften: Pfefferminz, Lavendel, Terpentin, Limone, Eukalyptus, die er durch ein Bouquet von feinen Blütenölen wie Geranium, Rose, Orangenblüte und Jasmin zugleich zügelte und angenehm kaschierte. Nach weiterer Verdünnung mit Alkohol und etwas Essig war von dem Fundament, auf dem die ganze Mischung ruhte, nichts Ekelhaftes mehr zu riechen. Der latente Gestank hatte sich durch die frischen Ingredienzen bis ins Unmerkliche verloren, das Ekelhafte war vom Duft der Blumen geschönt, ja beinahe interessant geworden, und, sonderbar, von Verwesung war nichts mehr zu riechen, nicht das geringste mehr. Es schien im Gegenteil ein heftiger beschwingter Duft von Leben von dem Parfum auszugehen.

Grenouille füllte es auf zwei Flakons, die er verstöpselte und zu sich steckte. Dann wusch er die Flaschen, Mörser, Trichter und Löffel sorgfältig mit Wasser, rieb sie mit Bittermandelöl ab, um alle geruchlichen Spuren zu verwischen, und nahm eine zweite Mischflasche. In ihr komponierte er rasch ein anderes Parfum, eine Art Kopie des ersten, das ebenfalls aus frischen und aus blumigen Elementen bestand, bei dem jedoch die Basis nichts mehr von dem Hexensud enthielt, sondern ganz konventionell etwas Moschus, Amber, ein klein wenig Zibet und Öl von Zedernholz. Für sich genommen roch es völlig anders als das erste flacher, unbescholtener, unvirulenter – denn es fehlte ihm die Komponente des imitierten Menschendufts. Doch wenn ein gewöhnlicher Mensch es applizierte und es sich mit seinem eigenen Geruch vermählte, so würde es von dem, das Grenouille ausschließlich für sich geschaffen hatte, nicht mehr zu unterscheiden sein.

Nachdem er auch das zweite Parfum auf Flakons gefüllt hatte, zog er sich nackt aus und besprengte seine Kleider mit jenem ersten. Dann betupfte er sich selbst damit unter den Achseln, zwischen den Zehen, am Geschlecht, auf der Brust, an Hals, Ohren und Haaren, zog sich wieder an und verließ die Werkstatt.

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Als er die Straße betrat, bekam er plötzlich Angst, denn er wusste, dass er zum ersten Mal in seinem Leben einen menschlichen Geruch verbreitete. Er selbst aber fand, dass er stinke, ganz widerwärtig stinke. Und er konnte sich nicht vorstellen, dass andere Menschen seinen Duft nicht ebenfalls als stinkend empfänden, und wagte es nicht, direkt in die Schenke zu gehen, wo Runel und der Haushofmeister des Marquis auf ihn warteten. Es schien ihm weniger riskant, die neue Aura erst in anonymer Umgebung zu erproben.

Durch die engsten und dunkelsten Gassen schlich er zum Fluss hinunter, wo die Gerber und die Stoffärber ihre Ateliers besaßen und ihr stinkendes Geschäft betrieben. Wenn ihm jemand begegnete, oder wenn er an einem Hauseingang vorüberkam, wo Kinder spielten oder alte Frauen saßen, zwang er sich, langsamer zu gehen und seinen Duft in einer großen geschlossenen Wolke um sich her zu tragen.

Er war von Jugend an gewohnt, dass Menschen, die an ihm vorübergingen, keinerlei Notiz von ihm nahmen, nicht aus Verachtung – wie er einmal geglaubt hatte – , sondern weil sie nichts von seiner Existenz bemerkten. Es war kein Raum um ihn gewesen, kein Wellenschlag, den er, wie andre Leute, in der Atmosphäre schlug, kein Schatten, sozusagen, den er über das Gesicht der andern Menschen hätte werfen können. Nur wenn er direkt mit jemandem zusammengestoßen war, im Gedränge oder urplötzlich an einer Straßenecke, dann hatte es einen kurzen Augenblick der Wahrnehmung gegeben; und mit Entsetzen meistens prallte der Getroffene zurück, starrte ihn, Grenouille, für ein paar Sekunden an, als sehe er ein Wesen, das es eigentlich nicht geben dürfte, ein Wesen, das, wiewohl unleugbar da, auf irgendeine Weise nicht präsent war – und suchte dann das Weite und hatte seiner augenblicks wieder vergessen…

Jetzt aber, in den Gassen Montpelliers, spürte und sah Grenouille deutlich – und jedesmal, wenn er es wieder sah, durchrieselte ihn ein heftiges Gefühl von Stolz – , dass er eine Wirkung auf die Menschen ausübte. Als er an einer Frau vorüberging, die über einen Brunnenrand gebeugt stand, bemerkte er, wie sie für einen Augenblick den Kopf hob, um zu sehen, wer da sei, und sich dann, offenbar beruhigt, wieder ihrem Eimer zuwandte. Ein Mann, der mit dem Rücken zu ihm stand, drehte sich um und schaute ihm eine ganze Weile lang neugierig nach. Kinder, denen er begegnete, wichen aus – nicht ängstlich, sondern um ihm Platz zu machen; und selbst wenn sie seitlich aus den Hauseingängen gelaufen kamen und unvermittelt auf ihn stießen, erschraken sie nicht, sondern schlüpften wie selbstverständlich an ihm vorbei, als hätten sie eine Vorahnung von seiner sich nähernden Person gehabt.

Durch mehrere solche Begegnungen lernte er, die Kraft und Wirkungsart seiner neuen Aura präziser einzuschätzen, und wurde selbstsicherer und kecker. Er ging rascher auf die Menschen zu, strich dichter an ihnen vorbei, spreizte gar einen Arm ein wenig weiter ab und streifte wie zufällig den Arm eines Passanten. Einmal rempelte er, scheinbar aus Versehen, einen Mann an, den er überholen wollte. Er blieb stehen, entschuldigte sich, und der Mann, der noch gestern von Grenouilles plötzlicher Erscheinung wie vom Donner gerührt gewesen wäre, tat, als sei nichts geschehen, nahm die Entschuldigung an, lächelte sogar kurz und klopfte Grenouille auf die Schulter.

Er verließ die Gassen und trat auf den Platz vor dem Dom Saint-Pierre. Die Glocken läuteten. Zu beiden Seiten des Portals drängten sich Menschen. Eine Trauung war eben zu Ende. Man wollte die Braut sehen. Grenouille lief hin und mischte sich unter die Menge. Er drängte, bohrte sich in sie hinein, dorthin wollte er, wo die Menschen am dichtesten standen, hautnah sollten sie um ihn sein, direkt unter die Nasen wollte er ihnen seinen eigenen Duft reiben. Und er spreizte die Arme mitten in der drangvollen Enge und spreizte die Beine und riss sich den Kragen auf, damit der Duft ungehindert von seinem Körper abströmen könne… und seine Freude war grenzenlos, als er merkte, dass die andern nichts merkten, rein gar nichts, dass all diese Männer und Frauen und Kinder, die ringsum an ihn gepresst standen, sich so leicht betrügen ließen und seinen aus Katzenscheiße, Käse und Essig zusammengepantschten Gestank als den Geruch von ihresgleichen inhalierten und ihn, Grenouille, die Kuckucksbrut in ihrer Mitte, als einen Menschen unter Menschen akzeptierten.

An seinen Knien spürte er ein Kind, ein kleines Mädchen, das zwischen den Erwachsenen verkeilt stand. Er hob es hoch, in heuchlerischer Fürsorge, und nahm es auf den Arm, damit es besser sehen könne. Die Mutter duldete es nicht nur, sie dankte es ihm, und die Kleine jauchzte vor Vergnügen.

So stand Grenouille wohl eine Viertelstunde im Schoß der Menge, ein fremdes Kind gegen die scheinheilige Brust gedrückt. Und während die Hochzeitsgesellschaft vorbeizog, begleitet vom dröhnenden Glockengeläut und vom Jubel der Menschen, über die ein Regen von Münzen herabprasselte, brach in Grenouille ein anderer Jubel los, ein schwarzer Jubel, ein böses Triumphgefühl, das ihn zittern machte und berauschte wie ein Anfall von Geilheit, und er hatte Mühe, es nicht wie Gift und Galle über all diese Menschen herspritzen zu lassen und ihnen jubelnd ins Gesicht zu schreien: dass er keine Angst vor ihnen habe; ja kaum noch sie hasse; sondern dass er sie mit ganzer Inbrunst verachte, weil sie stinkend dumm waren; weil sie sich von ihm belügen und betrügen ließen; weil sie nichts waren, und er war alles! Und wie zum Hohn presste er das Kind enger an sich, machte sich Luft und schrie mit den ändern im Chor: »Hoch die Braut! Es lebe die Braut! Es lebe das herrliche Paar!«

Als die Hochzeitsgesellschaft sich entfernt hatte und die Menge sich aufzulösen begann, gab er das Kind seiner Mutter zurück und ging in die Kirche, um sich von seiner Erregung zu erholen und auszuruhen. Im Innern des Domes stand die Luft voll Weihrauch, der in kalten Schwaden aus zwei Räucherpfannen zu beiden Seiten des Altars hervorquoll und sich wie eine erstickende Decke über die zarteren Gerüche der Menschen legte, die eben noch hier gesessen hatten. Grenouille hockte sich auf eine Bank unter dem Chor.

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