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Drei Kameraden

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Drei Kameraden
Название: Drei Kameraden
Дата добавления: 15 январь 2020
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Drei Kameraden - читать бесплатно онлайн , автор Remarque Erich Maria

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Der Friedhof wurde lebendig. Kichern und Zurufe kamen aus dem Nebel. Alle Bänke schienen besetzt zu sein. Der einsame Rebell der Liebe erhielt mächtig unsichtbaren Zuzug von Gleichgesinnten. Ein Protestchor formierte sich. Es mußte altes Militär dabeisein, das durch die Marschmusik angeregt wurde – denn machtvoll erhob sich nach kurzer Zeit das unvergängliche Lied:»In Hamburg da bin ich gewesen – hab' gesehen die blühende Welt…«

»O sei nicht länger noch verstockt«, drang schrill der Chor der Asketen noch einmal durch, denn die Heilsarmee geriet mit nickenden Schutenhüten in höchsten Alarm.

Aber das Böse siegte.»Meinen Namen, den darf ich nicht nennen«, schallte es aus rauhen Kehlen gewaltig dagegen,»denn ich bin ja ein Mädchen für Geld.«

»Jetzt wird es Zeit aufzubrechen«, sagte ich zu Pat.»Das Lied da kenne ich. Es hat mehrere Strophen, die sich mächtig steigern. Fort von hier!«

Die Stadt war wieder da mit Hupenlärm und Rädergesumm. Aber sie blieb verzaubert. Der Nebel machte aus den Omnibussen große Fabeltiere, die Autos wurden zu schleichenden Lichtkatzen und die Schaufenster zu bunten Höhlen der Verwirrung.

Wir gingen die Straße am Friedhof entlang und überquerten den Rummelplatz. Die Karussells ragten wie brausende Türme von Musik und Glanz in die diesige Luft, das Teufelsrad sprühte Purpur, Gold und Gelächter, und das Labyrinth schimmerte in blauen Feuern.

»Gesegnetes Labyrinth!«sagte ich.

»Warum?«fragte Pat.

»Wir waren doch einmal zusammen drin.«

Sie nickte.

»Ich habe das Gefühl, es ist endlos lange her.«

»Wollen wir noch einmal hinein?«

»Nein«, sagte ich.»Jetzt nicht mehr. Willst du etwas trinken?«

Sie schüttelte den Kopf. Sie sah wunderschön aus. Der Nebel war wie ein leichter Duft, der sie noch strahlender machte.

»Bist du auch nicht müde?«fragte ich.

»Nein, noch nicht.«

Wir kamen an die Buden mit den Ringen und den Haken. Lampen mit weißem, spritzendem Karbidlicht hingen davor. Pat sah mich an.»Nein«, sagte ich,»heute werfe ich nicht. Keinen einzigen Ring. Und wenn der Schnapskeller Alexanders des Großen zu gewinnen wäre.«Wir gingen weiter, über den Platz und durch die städtischen Anlagen.

»Hier muß irgendwo die Daphne indica stehen«, sagte Pat.

»Ja, man riecht sie schon von weitem über den Rasen her. Ganz deutlich. Oder nicht?«

Sie sah mich an.»Doch«, sagte sie.

»Sie muß aufgeblüht sein. Man riecht sie jetzt durch die ganze Stadt.«Ich blickte vorsichtig nach rechts und links, ob irgendwo eine leere Bank wäre. Aber es mußte wohl an der Daphne indica liegen oder am Sonntag oder an uns – ich fand keine. Alle waren besetzt. Ich sah auf die Uhr. Es war schon nach zwölf.»Komm«, sagte ich,»wir gehen zu mir – da sind wir für uns.«

Sie antwortete nicht, aber wir gingen zurück. Am Friedhof sahen wir etwas Unerwartetes. Die Heilsarmee hatte Verstärkung herangezogen. Vier Reihen tief stand jetzt der Chor. Nicht nur Schwestern, auch zwei Reihen Brüder in Uniform waren da. Nicht mehr zweistimmig schrill, sondern vierstimmig wie eine Orgel klang der Gesang. Im Walzertakt brauste es über die Grabsteine:»Himmlisches Jerusalem…«

Von der Opposition war nichts mehr zu hören. Sie war weggefegt.»Beharrlichkeit«, sagte mein Rektor Hillermann immer schon,»Beharrlichkeit und Fleiß sind besser als Zuchtlosigkeit und Genie…«

Ich schloß die Tür auf. Einen Augenblick überlegte ich. Dann knipste ich das Licht an. Der Schlauch des Korridors gähnte gelb und scheußlich.»Mach die Augen zu«, sagte ich leise zu Pat,»der Anblick ist nur für abgebrühte Nerven.«Ich nahm sie mit einem Ruck hoch und ging langsam mit einem gewöhnlichen Schritt, als wäre ich allein, vorbei an Koffern und Gaskochern, bis zu meinem Zimmer.

»Schauerlich, was?«sagte ich verlegen und starrte auf die Plüschgarnitur, die sich uns entgegenbreitete. Ja, jetzt fehlten mir die Brokatstücke Frau Zalewskis – der Teppich, die Hassesche Lampe -»Es ist gar nicht so schauerlich«, sagte Pat.

»Doch, doch«, erwiderte ich und ging zum Fenster.»Aber die Aussicht ist wenigstens schön. Vielleicht rücken wir die Sessel ans Fenster.«

Pat ging im Zimmer umher.»Es ist gar nicht schlimm. Vor allem ist es wunderbar warm.«

»Frierst du?«

»Ich habe es gern warm«, sagte sie und hob ein wenig die Schultern.

»Ich mag Kälte und Regen nicht. Ich kann sie auch nicht vertragen.«

»Himmel – und wir haben die ganze Zeit draußen im Nebel gesessen…«

»Um so besser ist es jetzt hier…«

Sie dehnte sich und ging wieder mit ihren schönen Schritten durchs Zimmer. Ich war sehr befangen und sah mich rasch um. – Gottlob, es lag nicht viel umher. Meine zerrissenen Hausschuhe schubste ich mit einer Fußdrehung nach hinten unters Bett.

Pat stand vor dem Kleiderschrank und schaute hinauf. Oben lag ein alter Koffer, den Lenz mir geschenkt hatte. Er war bunt beklebt mit Zetteln von seinen Abenteurerfahrten.»Rio de Janeiro…«, las sie,»Manáos – Santiago – Buenos Aires – Las Palmas…«

Sie schob den Koffer zurück und kam auf mich zu.»Da bist du überall schon gewesen?«

Ich murmelte irgend etwas. Sie nahm meinen Arm.»Komm, erzähl mir davon, erzähl mir von all diesen Städten, es muß doch herrlich gewesen sein, so weit zu reisen…«

Und ich? Ich sah sie vor mir, schön, jung, voll Erwartung, ein Schmetterling, verflogen durch einen glücklichen Zufall in mein abgebrauchtes, schäbiges Zimmer, in mein belangloses, sinnloses Leben, bei mir und doch nicht bei mir – ein Atemzug nur, und er konnte sich heben und wieder davonfliegen – scheltet mich, verdammt mich, ich konnte es nicht, ich konnte nicht nein sagen, nicht sagen, daß ich nie dagewesen war, jetzt nicht…

Wir standen am Fenster, der Nebel drängte und quoll gegen die Scheiben – und ich spürte: Hinter ihm lauert es wieder, das Verschwiegene, Verborgene, Vergangene, die feuchten Tage des Grauens, die Öde, der Schmutz, die Fetzen verwesten Daseins, die Ratlosigkeit, die verirrte Kraftmeierei eines ziellos abschnurrenden Lebens – aber hier, vor mir im Schatten, bestürzend nahe, der leise Atem, die unfaßbare Gegenwart, Wärme, klares Leben -, ich mußte es halten, ich mußte es gewinnen -»Rio…«sagte ich -»Rio de Janeiro – ein Hafen wie ein Märchen. In sieben Bogen schwingt das Meer um die Bucht, und die Stadt steigt weiß und flimmernd darüber auf…«Ich begann zu erzählen von heißen Städten und endlosen Ebenen, von den gelben Schlammfluten der Flüsse, von schimmernden Inseln und Krokodilen, von den Wäldern, die die Straßen fressen, vom Schrei der Jaguare nachts, wenn der Flußdampfer durch den Brodem von Vanille, Schwüle, Orchideenduft, Verwesung und Dunkel gleitet, ich hatte das alles von Lenz gehört, aber jetzt schien es mir fast, als wäre ich es selbst gewesen, so wunderlich mischten sich Erinnerung und Sehnsucht danach mit dem Wunsch, zu dem geringen und dunklen Wirrwarr meines Lebens etwas Glanz hinzuzutun, um nicht dieses unbegreiflich schöne Gesicht vor mir zu verlieren, diese jähe Hoffnung, dieses beglückende Blühen, für das ich allein viel zuwenig war. Später konnte ich das alles einmal erklären, später, wenn ich mehr war, wenn alles sicherer war, später, aber nicht jetzt -»Manáos«, sagte ich.»Buenos Aires«, und jedes Wort war Bitte und Beschwörung.

Nacht. Draußen begann es zu regnen. Die Tropfen fielen weich und zärtlich. Sie klatschten nicht mehr wie vor einem Monat, als sie nur die Äste der Linden trafen – jetzt rauschten sie leise herab in die jungen nachgebenden Blätter, sie drängten sich an sie und rannen an ihnen herunter, ein mystisches Fest und ein geheimnisvolles Fließen zu den Wurzeln, von denen sie wieder aufsteigen würden, um selbst Blätter zu werden, die den Regen wieder erwarteten in den Nächten des Frühjahrs.

Es war still geworden. Der Lärm der Straße war verstummt – eine einsame Laterne flackerte auf dem Bürgersteig. Die zarten Blätter der Bäume, von unten beschienen, sahen fast weiß aus, durchsichtig beinahe. Die Wipfel waren schimmernde, helle Segel.

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