Egmont
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Egmont ist ein Trauerspiel von Johann Wolfgang von Goethe. Es wurde 1775 begonnen und war 1788 im Druck.
Egmont spielt in der Stadt Br?ssel w?hrend des Aufstands der Niederl?nder gegen die spanische Herrschaft. Teile des niederl?ndischen Adels verb?nden sich mit den Protestanten, um die religi?se und politische Unterdr?ckung durch die Spanier zu beenden. Die Person des „Helden“ Egmont entstand nach dem Vorbild des tats?chlichen Lamoral Graf von Egmond, auf den Goethe bei seinen Studien ?ber die Geschichte der Niederlande stie?. Der literarische Egmont hat mit seinem historischen Vorbild allerdings nur wenig gemeinsam.
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Egmont . Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.)
Klärchen . Laßt! Ihr verderbt Euch. (Sie tritt zurück.) Wie prächtig! Da darf ich Euch nicht anrühren.
Egmont . Bist du zufrieden? Ich versprach dir, einmal spanisch zu kommen.
Klärchen . Ich bat Euch zeither nicht mehr drum; ich dachte, Ihr wolltet nicht — Ach und das Goldne Vlies!
Egmont . Da siehst du's nun.
Klärchen . Das hat dir der Kaiser umgehängt?
Egmont . Ja, Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie trägt, die edelsten Freiheiten. Ich erkenne auf Erden keinen Richter über meine Handlungen als den Großmeister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der Ritter.
Klärchen . O du dürftest die ganze Welt über dich richten lassen. — Der Sammet ist gar zu herrlich, und die Passementarbeit! und das Gestickte! — Man weiß nicht, wo man anfangen soll.
Egmont . Sieh dich nur satt.
Klärchen . Und das Goldne Vlies! Ihr erzähltet mir die Geschichte und sagtet, es sei ein Zeichen alles Großen und Kostbaren, was man mit Müh und Fleiß verdient und erwirbt. Es ist sehr kostbar — ich kann's deiner Liebe vergleichen. — Ich trage sie ebenso am Herzen — und hernach —
Egmont . Was willst du sagen?
Klärchen . Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht.
Egmont . Wieso?
Klärchen . Ich habe sie nicht mit Müh und Fleiß erworben, nicht verdient.
Egmont . In der Liebe ist es anders. Du verdienst sie, weil du dich nicht darum bewirbst — und die Leute erhalten sie auch meist allein, die nicht darnach jagen.
Klärchen . Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze Anmerkung über dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt?
Egmont . Hätt' ich nur etwas für sie getan! könnt' ich etwas für sie tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben.
Klärchen . Du warst gewiß heute bei der Regentin?
Egmont . Ich war bei ihr.
Klärchen . Bist du gut mit ihr?
Egmont . Es sieht einmal so aus. Wir sind einander freundlich und dienstlich.
Klärchen . Und im Herzen?
Egmont . Will ich ihr wohl. Jedes hat seine eignen Absichten. Das tut nichts zur Sache. Sie ist eine treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sähe tief genug, wenn sie auch nicht argwöhnisch wäre. Ich mache ihr viel zu schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse sucht, und ich keine habe.
Klärchen . So gar keine?
Egmont . Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in den Fässern an mit der Zeit. Oranien ist doch noch eine bessere Unterhaltung für sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit gesetzt, daß er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht sie immer nach seiner Stirne, was er wohl denken, auf seine Schritte, wohin er sie wohl richten möchte.
Klärchen . Verstellt sie sich?
Egmont . Regentin, und du fragst?
Klärchen . Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch?
Egmont . Nicht mehr und nicht weniger als jeder, der seine Absichten erreichen will.
Klärchen . Ich könnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch einen männlichen Geist, sie ist ein ander Weib als wir Nähterinnen und Köchinnen. Sie ist groß, herzhaft, entschlossen.
Egmont . Ja, wenn's nicht gar zu bunt geht. Diesmal ist sie doch ein wenig aus der Fassung.
Klärchen . Wieso?
Egmont . Sie hat auch ein Bärtchen auf der Oberlippe, und manchmal einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone!
Klärchen . Eine majestätische Frau! Ich scheute mich, vor sie zu treten.
Egmont . Du bist doch sonst nicht zaghaft — Es wäre auch nicht Furcht, nur jungfräuliche Scham.
Klärchen (schlägt die Augen nieder, nimmt seine Hand und lehnt sich an ihn).
Egmont . Ich verstehe dich! liebes Mädchen! du darfst die Augen aufschlagen. (Er küßt ihre Augen.)
Klärchen . Laß mich schweigen! Laß mich dich halten. Laß mich dir in die Augen sehen; alles drin finden, Trost und Hoffnung und Freude und Kummer. (Sie umarmt ihn und sieht ihn an.) Sag mir! Sage! ich begreife nicht! bist du Egmont? der Graf Egmont? der große Egmont, der so viel Aufsehn macht, von dem in den Zeitungen steht, an dem die Provinzen hängen?
Egmont . Nein, Klärchen, das bin ich nicht.
Klärchen . Wie?
Egmont . Siehst du, Klärchen! — Laß mich sitzen! (Er setzt sich, sie kniet vor ihn auf einen Schemel, legt ihr Arme auf seinen Schoß und sieht ihn an.) Jener Egmont ist ein verdrießlicher, steifer, kalter Egmont, der an sich halten, bald dieses bald jenes Gesicht machen muß; geplagt, verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute für froh und fröhlich halten; geliebt von einem Volke, das nicht weiß, was es will; geehrt und in die Höhe getragen von einer Menge, mit der nichts anzufangen ist; umgeben von Freunden, denen er sich nicht überlassen darf; beobachtet von Menschen, die ihm auf alle Weise beikommen möchten; arbeitend und sich bemühend, oft ohne Zweck meist ohne Lohn — O laß mich schweigen, wie es dem ergeht, wie es dem zumute ist. Aber dieser, Klärchen, der ist ruhig, offen, glücklich, geliebt und gekannt von dem besten Herzen, das auch er ganz kennt und mit voller Liebe und Zutrauen an das seine drückt. (Er umarmt sie.) Das ist dein Egmont!
Klärchen . So laß mich sterben! Die Welt hat keine Freuden auf diese!