The Stand. Das letze Gefecht
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Kurzbeschreibung
In einem entv?lkerten Amerika versucht eine Handvoll ?berlebender, die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mytische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, die Verk?rperung des absolut B?sen. In der W?ste von Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit. "The Stand", Stephen Kings Vision vom letzten Gefecht zwischen Gut und B?se, war bislang nur in einer stark gek?rzten Version zug?nglich.Die hier ver?ffentlichte Urfassung zeigt die Gr??e seines apokalyptischen Entwurfs.Manche nennen diesen Roman sein Meisterwerk!
Autorenportrait
Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren. Er war zun?chst als Englischlehrer t?tig, bevor ihm 1973 mit seinem ersten Roman 'Carrie' der Durchbruch gelang. Seither hat er mehr als 30 Romane geschrieben und ?ber 100 Kurzgeschichten verfasst und gilt als einer der erfolgreichsten Schriftsteller weltweit.
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Fran war heute nicht weggewesen, und seit Gus gestern nachmittag bei ihr gewesen war, hatte sie niemanden mehr gesehen. Heute morgen hatte sie ein paarmal Motoren gehört, und einmal ganz in der Nähe die Doppelexplosion einer Schrotflinte, aber das war alles. Die anhaltende, ununterbrochene Stille verstärkte das Gefühl des Unwirklichen noch.
Und jetzt waren viele Fragen zu bedenken. Fliegen... Augen... Kuchen. Frannie stellte fest, daß sie dem Kühlschrank lauschte. Der verfügte über eine automatische Eiswürfelmaschine, und etwa alle zwanzig, Sekunden ertönte im Innern ein kaltes Poltern, wenn ein neuer Eiswürfel ausgeworfen wurde.
Sie blieb fast eine Stunde vor ihrem Teller sitzen, immer noch mit diesem dumpfen, halb fragenden Gesichtsausdruck. Ganz allmählich kam ihr ein anderer Gedanke - eigentlich zwei Gedanken, die zusammenzuhängen und doch nichts miteinander zu tun zu haben schienen. Waren sie vielleicht verbundene Teile eines größeren Gedankens? Sie dachte darüber nach, hörte aber trotzdem mit einem Ohr zu, wie Würfel aus der Eiswürfelmaschine des Kühlschranks polterten. Der erste Gedanke war, daß ihr Vater nicht mehr lebte; er war zu Hause gestorben, und so hätte er es gewollt. Der zweite Gedanke hatte mit diesem Tag zu tun. Es war ein herrlicher Sommertag, makellos; wegen solcher Tage kamen die Touristen an die Küste von Maine. Man kommt nicht zum Schwimmen her, denn dafür ist das Wasser eigentlich nie warm genug; man kommt, um sich von solchen Tagen verzaubern zu lassen.
Die Sonne schien hell, und Franny konnte das Thermometer lesen, das draußen vor dem hinteren Küchenfenster hing. Die Quecksilbersäule zeigte knapp unter siebenundzwanzig Grad an. Es war ein wunderschöner Tag, und ihr Vater war tot. Gab es einen anderen Zusammenhang außer dem offensichtlichen Tränendrüsendrücker?
Sie dachte stirnrunzelnd darüber nach, ihre Augen waren verwirrt und apathisch. Ihre Gedanken kreisten um das Problem und schweiften dann ab zu anderen Dingen. Aber sie kamen immer wieder darauf zurück.
Es war ein schöner warmer Tag, und ihr Vater war tot. Das machte ihr plötzlich alles bewußt, und sie machte die Augen zu, als sei sie geschlagen worden.
Gleichzeitig zuckten ihre Hände unwillkürlich auf der Tischdecke und zerrten den Teller auf den Fußboden. Er zersplitterte wie eine Bombe, und Franny schrie und fuhr sich mit den Händen an die Wangen, die unter ihren Fingern Falten bildeten. Die unbestimmte, apathische Ferne verschwand aus ihren Augen, die plötzlich hart und fest blickten. Es war, als hätte man ihr eine kräftige Ohrfeige gegeben oder eine offene Ammoniakflasche unter die Nase gehalten.
Man kann eine Leiche nicht im Haus behalten. Nicht im Hochsommer.
Die Apathie kam wieder zurück und nahm dem Gedanken die Konturen. Das ganze Ausmaß des Entsetzens wurde verschwommen, gedämpft. Sie lauschte wieder dem leisen Klirren und Fallen der Eiswürfel...
Sie kämpfte dagegen an. Sie sprang auf, ging zur Spüle, drehte das kalte Wasser voll auf und spritzte sich aus hohlen Händen ins Gesicht, ein angenehmer Schock für ihre leicht verschwitzte Haut. Sie konnte ihre Gedanken abschweifen lassen, soviel sie wollte, aber zuerst mußte dieses Problem gelöst werden. Sie konnte ihn nicht einfach dort oben im Bett liegenlassen, wenn der Juni in den Juli überging. Das wäre zu sehr wie die Geschichte von Faulkner, die in allen College-Lesebüchern zu finden war, »Eine Rose für Emily«. Die Stadtväter hatten nicht gewußt, um was es sich bei dem entsetzlichen Gestank handelte, aber nach einer Weile war er verschwunden. Er... er...
»Nein!« schrie sie laut in die sonnige Küche hinein. Sie lief hin und her und dachte darüber nach. Ihr erster Gedanke galt dem örtlichen Bestattungsunternehmer. Aber wer würde... würde...
»Hör auf, dich davor zu drücken!« schrie sie wütend in die leere Küche. »Wer wird ihn begraben?«
Und beim Klang ihrer eigenen Stimme fiel ihr auch die Antwort ein. Es war völlig klar. Sie natürlich. Wer sonst? Sie selbst.
Es war zwei Uhr dreißig nachmittags, als sie ein Auto in die Einfahrt einbiegen hörte, dessen starker Motor bei niedriger Drehzahl selbstgefällig schnurrte. Frannie stellte den Spaten an den Rand der Grube - sie hob sie im Garten zwischen Tomaten und Salat aus - und drehte sich ein wenig ängstlich um.
Das Auto war ein brandneuer Cadillac Coupe de Ville, flaschengrün, und heraus stieg der fette sechzehnjährige Harold Lauder. Frannie empfand sofort Widerwillen. Sie mochte Harold nicht und kannte auch keinen, der ihn mochte, einschließlich seiner verstorbenen Schwester Amy. Wahrscheinlich hatte seine Mutter ihn gemocht. Frannie nahm voll müder Ironie zur Kenntnis, daß der einzige Mensch, der sich außer ihr noch in Ogunquit aufhielt, ausgerechnet einer der wenigen sein mußte, die sie nicht ausstehen konnte. Harold gab das literarische Magazin der High School von Ogunquit heraus und schrieb seltsame Kurzgeschichten, die im Präsens oder vom Standpunkt der zweiten Person aus geschrieben waren, oder beides.
Du kommst den Korridor des Deliriums entlang, zwängst dich mit der Schulter durch die gesplitterte Tür und siehst dir die Stars der Rennbahn an- das war Harolds Stil.
»Er wichst sich in die Unterhosen«, hatte Amy Fran einmal im Vertrauen erzählt. »Eklig, was? Wichst sich in die Unterhosen und trägt dasselbe Paar so lange, bis sie von alleine stehen.«
Harold hatte schwarzes, fettiges Haar. Er war ziemlich groß, ungefähr ein Meter fünfundachtzig, aber er wog fast hundertzwanzig Kilo. Er trug gern spitze Cowboystiefel und einen breiten Ledergürtel, den er ständig hochzog, weil seine Wampe um einiges dicker war als sein Hinterquartier, dazu geblümte Hemden, die sich um ihn bauschten wie Stagsegel. Frannie war es gleichgültig, wie oft er wichste, wieviel er wog und ob er in dieser Woche Wright Morris oder Hubert Selby jr. imitierte. Aber wenn sie ihn sah, fühlte sie sich immer unbehaglich und leicht angeekelt, als ob sie fast telepathisch spürte, daß jeder Gedanke, den Harold hatte, leicht mit Schleim überzogen war. Sie glaubte nicht, daß Harold gefährlich werden könnte, nicht einmal in dieser Situation, aber er würde wahrscheinlich genauso unangenehm sein wie immer, vielleicht noch unangenehmer.
Er hatte sie nicht gesehen. Er sah am Haus empor. »Jemand da?« schrie er. Dann griff er durch das Fenster in den Cadillac und drückte auf die Hupe. Das Geräusch zerrte an Frannies Nerven. Sie hätte sich ruhig verhalten, aber wenn Harold sich umdrehte, um wieder ins Auto einzusteigen, mußte er die Grube sehen, auf deren Rand sie saß. Einen Augenblick war sie versucht, tiefer in den Garten zu kriechen, um sich zwischen Erbsen und Bohnen hinzulegen und darauf zu warten, bis er die Geduld verlor und wieder wegfuhr. Hör auf, sagte sie sich, hör doch auf. Er ist schließlich auch nur ein Mensch.
»Hier, Harold«, rief sie.
Harold zuckte zusammen, seine fetten Hinterbacken wackelten in der engen Hose. Offensichtlich hatte er nur einen Versuch gemacht und gar nicht damit gerechnet, jemanden anzutreffen. Er drehte sich um, und Fran ging zum Rand des Gartens, strich sich über die Beine und fand sich resigniert damit ab, daß sie nur Turnhosen und ein Oberteil anhatte und angestarrt werden würde. Harolds Augen krochen förmlich über sie, während er ihr entgegenkam.
»Schau an, Fran«, sagte er glücklich.
»Hi, Harold.«
»Ich hab' gehört, daß du dieser schrecklichen Krankheit erfolgreich getrotzt hast, darum war hier mein erster Halt. Ich klappere die Stadt ab.« Er lächelte und entblößte Zähne, die bestenfalls eine flüchtige Beziehung mit einer Zahnbürste haben konnten.
»Ich war sehr traurig, als ich das mit Amy gehört habe, Harold. Sind deine Mutter und dein Vater...«
»Leider ja«, sagte Harold. Er ließ den Kopf einen Augenblick hängen, dann riß er ihn so ruckartig hoch, daß die verklebten Haare flogen. »Aber das Leben geht weiter, oder?«