Der Wiedersacher
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Auf der Suche nach einer Tankstelle sto?en Brenner und Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Doch allzuschnell holt sie die Gegenwart ein. ?ber ihren H?uptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner vergl?hen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enth?llt ihm die unglaubliche Kunde, da? das Ende der Welt angebrochen sei und der Widersacher nun auf Erden wandle.
"Mit diesem neuen Roman wird Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein seine Fan-Gemeinde sicher noch vergr??ern k?nnen. Die irrwitzige Mischung aus Spannung, Fantasy und Horror l??t den Leser eintauchen in eine atemberaubene Lekt?re, von der man nicht so schnell los kommt." Berliner Morgenpost
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Haaresbreite selbst entdeckt worden. Es war das alte Spiel vom verfolgten Verfolger, aber die Schraube hatte sich heute noch einmal weitergedreht: Während der Fremde offenbar dem Pförtner folgte – möglicherweise nur, um von ihm nicht entdeckt zu werden – , folgte Salid ihm und begriff fast zu spät, daß es noch eine weitere Partei in diesem Spiel gab. Er hatte die Tür des Treppenhauses kaum geschlossen, als er Schritte hinter sich hörte und einen Schatten hinter dem geriffelten Milchglas sah. Hastig wandte er sich nach rechts, huschte ein paar Stufen weit die Treppe hinunter und preßte sich mit angehaltenem Atem gegen die Wand.
Praktisch im gleichen Augenblick wurde die Tür geöffnet, und zwei Gestalten betraten das Treppenhaus. In dem blassen Schein, der vom Korridor hereinfiel, erkannte Salid, daß sie weiße Hosen und helle, kurzärmelige Jacken trugen. Ärzte oder Pfleger, auf jeden Fall Krankenhausangestellte, die, aus welchem Grund auch immer, beschlossen hatten, die Treppe zu nehmen statt den viel bequemeren Aufzug gleich nebenan.
Salid fluchte lautlos in sich hinein. Sobald sie das Licht einschalteten, mußten sie ihn einfach sehen, und dann hatte er ein Problem. Er zweifelte nicht daran, daß er nur Sekunden brauchen würde, um sie zu überwältigen – aber damit war es nicht getan. Er würde sie töten müssen, um ganz sicher zu gehen, daß sie ihn nicht verrieten, und das war sein Problem. Er war nicht sicher, ob er es noch konnte. Sein Herz begann schneller zu klopfen, während er sich instinktiv spannte und aus weit aufgerissenen Augen die beiden schwarzen Umrisse in der Dunkelheit zwei Meter über sich musterte.
Die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Die Männer machten kein Licht. Einer von ihnen schob die Tür sehr leise ins Schloß, während der andere reglos und mit schräggehaltenem Kopf dastand und nach oben lauschte. Sie benutzten die Treppe nicht aus Gesundheitsbewußtsein oder um nicht auf den Lift warten zu müssen, sondern aus dem gleichen Grund wie er.
Salids Erleichterung hielt jedoch nur eine Sekunde vor, ehe er begriff, daß er überhaupt keinen Grund dazu hatte. Er war offensichtlich nicht der einzige, der mitbekommen hatte, daß es einen ungebetenen Gast in dieser Klinik gab – aber wer sagte ihm eigentlich, daß sie den anderen suchten und nicht ihn? Sie waren praktisch beide gleichzeitig in das Gebäude eingedrungen; woher nahm er die Überzeugung, daß der andere entdeckt worden war und nicht er oder gar beide? Möglicherweise war der hinkende Pförtner auch nicht leichtsinnig gewesen, sondern hatte ganz gena u gewußt, was er tat, und ihnen eine Falle gestellt, in die sie blind hineingetappt waren.
Salids Professionalität hinderte ihn daran, kostbare Zeit damit zu verschwenden, indem er sich über dieseTatsache ärgerte. Vorerst würde es reichen, seiner Gewohnheit zu folgen und die schlimmstmögliche Alternative zugleich auch als die wahrscheinlichste anzunehmen, solange das Gegenteil nicht bewiesen war. Trotzdem legte er die Erkenntnis, daß er offensichtlich begann, nachlässig zu werden, sorgsam in seinem Gedächtnis ab, um zu einem späteren Zeitpunkt darüber nachzudenken.
Die beiden Pfleger eilten mit den sicheren Schritten von Männern die Treppe hinauf, die ihre Umgebung gut genug kannten, um kein Licht zu benötigen. Sie sprachen kein Wort, aber Salid hörte, daß sie einen Moment zögerten, ehe sie dieTür eine Etage höher öffneten, und es auch dann nur sehr behutsam taten. Sie waren auf der Jagd.
Salid wartete, bis die Tür über ihm wieder ins Schloß gefallen war, ließ eine weitere Sekunde verstreichen und huschte dann schnell und fast lautlos die Treppe hinauf. Sein Pulsschlag hatte sich wieder beruhigt. Was immer an jenem Morgen im Wald mit ihm geschehen war, hatte ihn vielleicht grundlegend verändert, ihn aber nicht seiner alten Instinkte und Reflexe beraubt. Als er die Tür im nächsten Stockwerk erreichte und das Ohr gegen das kalte Glas preßte, um zu lauschen, war er wenig mehr als eine Kampfmaschine. Hätte in diesem Moment jemand dieTür von der anderen Seite geöffnet, hätte diese Begegnung mit ziemlicher Sicherheit tödlich für ihn geendet.
Aber er hörte nichts. Obwohl die beiden Männer einen Vorsprung von allerhöchstens zehn Sekunden hatten, waren ihre Schritte nicht mehr zu orten. Sie bewegten sich entweder sehr schnell oder sehr leise.
Salid drückte die Klinke herunter, preßte die linke Handfläche mit großer Kraft gegen das Glas, um jedes Geräusch zu unterdrücken, und öffnete die Tür einen Spaltbreit. Der Korridor, der dahinter lag, war ebenso leer wie der ein Stockwerk tiefer, aber hell erleuchtet. Die beiden Männer waren nicht mehr zu sehen, doch als Salid die Tür ganz öffnete und hindurchtrat, wußte er sofort, wohin sie verschwunden waren: Nur ein paar Schritte weiter machte der Flur auf der linken Seite einen scharfen Knick, während er sich zur Rechten sicherlich zwanzig oder fünfundzwanzig Meter weit dahinzog. Salid wandte sich nach links, ging mit schnellen Schritten bis zur Ecke
»Sie da! Bleiben Sie stehen! «
Salid fuhr mit einer blitzartigen Bewegung herum und hob die Arme. Seine linke Hand deckte die Kehle, während die andere weiter erhoben und zu einer Kralle geöffnet war, um in Augen, Kehlkopf oder Weichteile zu stoßen. Aber hinter ihm war niemand. Die Stimme war aus der anderen Richtung gekommen. Verdammt! Er war sehr viel angespannter, als er sich selbst gegenüber eingestehen wollte. Eine weitere, nicht zu unterschätzende Möglichkeit, Fehler zu begehen …
»Bleiben Sie stehen! Das hat doch keinen Zweck! « DerTon dieser Worte war schon schärfer, und gleichzeitig hörte er trappelnde Schritte und dann etwas, das wie ein Kampf klang; oder auch ein kurzes Gerangel. Salid spähte vorsichtig um die Ecke. Was er sah, das war so grotesk, daß er beinahe laut aufgelacht hätte. Der junge Mann, dem er gefolgt war, rannte wie ein aufgescheuchtes Huhn von rechts nach links und wieder zurück über den Krankenhausflur, verfolgt von einem humpelnden Greis in einem grauen Hausmeisterkittel, der vergeblich versuchte, ihn am Jackenärmel zu erwischen.
Trotzdem war seine Flucht ziemlich aussichtslos – nach hinten endete der Gang nach wenigen Schritten vor einer geschlossenen Doppeltür aus Drahtglas, und die andere Richtung blockierten die beiden Pfleger, die Salid beinahe überrascht hätten. Ganz offensichtlich fanden sie Gefallen an der Szene; denn sie machten keine Anstalten, dem Mann im blauen Kittel bei seiner Verfolgungsjagd zu helfen.
»Jetzt bleiben Sie doch endlich stehen. Das hat doch keinen Sinn mehr! « keuchte der Hausmeister. Er bewegte sich zwar nicht wesentlich schneller als ein durchschnittlicher Fußgänger, keuchte aber, als hätte er einen Hundert-Meter-Sprint hinter sich, und seine Wangen hatten eine hektische rote Färbung angenommen. »Verdammt, wollen Sie, daß ich … daß ich einen Herzinfarkt bekomme?«
So absurd Salid diese Frage vorkam, der Eindringling blieb tatsächlich stehen und sah den schweratmenden Alten erschrocken an. Aber er wich hastig einen weiteren Schritt zurück, als der Hausmeister wieder näher kam. Sein Blick flackerte, und Salid sah, daß sich seine Finger hektisch bewegten. Er drehte mit kleinen, ruckartigen Bewegungen den Kopf hin und her und machte erneut einen Schritt nach hinten, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Er war eindeutig in Panik.
Salid fragte sich nur, warum. Er konnte ihn jetzt zum erstenmal richtig erkennen, und ein einziger Blick reichte, um ihm klarzumachen, daß er hier ganz gewiß keinen Einbrecher vor sich hatte. Es sei denn, Einbrecher trugen in diesem Land neuerdings Priesterkragen.
Die Glastür wurde aufgerissen, und ein Mann in einem weißen Arztkittel stürmte heraus. Er hatte schütteres Haar und trug eine elegante dünne Goldbrille, aber sein Gesichtsausdruck paßte nicht zu seinem äußeren Erscheinungsbild. Er sah auf eine Weise aufgebracht aus, die man bei einem Mann wie ihm nicht vermutete, und seine Stimme klang entsprechend.