Die weisse Massai
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„Ziegensafari“. Langsam werde ich nervös, mit niemandem kann ich richtig reden, und al e laufen geschäftig hin und her. Gegen Abend erscheinen wenigstens die Schüler, worüber ich mich sehr freue. James ist wegen der bevorstehenden Hochzeit sehr aufgeregt, und ich lasse mir von ihm eine Samburu-Hochzeit erklären.
Normalerweise startet das Fest morgens und zwar damit, daß die Braut in der Hütte beschnitten wird. Ich falle aus allen Wolken. „Why?“ will ich wissen. Weil sie sonst keine richtige Frau ist und keine gesunden Kinder bekommt, antwortet der sonst so aufgeklärte James mit großem Ernst. Bevor ich mich recht erholen kann, betritt Lketinga die Hütte. Er strahlt mich an, und ich freue mich, daß er wieder da ist.
Vier große Ziegen hat er mitgebracht, was nicht einfach war, weil sie immer wieder zu ihrer Ursprungsherde zurück wollten.
Nach dem üblichen Chai verlassen uns die Burschen, und ich kann Lketinga endlich fragen, was es mit der Beschneidung auf sich hat, und sage mit Bestimmtheit, daß ich alles mitmache, aber das auf keinen Fall. Er schaut mich ruhig an. „Why not, Corinne? All ladies here make this.“
Nun werde ich starr wie eine Salzsäule und will ihm gerade klarmachen, daß ich unter diesen Umständen bei al er Liebe auf eine Heirat verzichten werde, als er mich in seine Arme nimmt und mich beruhigt: „No problem, my wife, I have told to everybody, white people have this“,
dabei zeigt er zwischen meine Beine, „cut, when they are babies.“
Zweifelnd schaue ich ihn an, doch als er mir liebevoll auf den Bauch klopft und fragt: „How is my baby?“
falle ich ihm erleichtert um den Hals. Später erfahre ich, daß er dieses Märchen sogar seiner Mutter erzählt hat. Daß er mich vor diesem Brauch gerettet hat, rechne ich ihm hoch an.
Einen Tag vor unserer Hochzeit kommen die ersten Gäste von weit her und verteilen sich in den umliegenden Manyattas. Mein Darling holt bei seinem Halbbruder den Ochsen ab, was den ganzen Tag beanspruchen wird. Ich fahre mit den Boys in den Busch, um genügend Feuerholz zu schlagen. Bis wir den Wagen voll Brennholz haben, müssen wir viel herumfahren. Die Burschen sind sehr tüchtig.
Gegen Abend fahren wir zum Fluß und füllen das Faß sowie al e verfügbaren Kanister mit Wasser. Auf dem Heimweg bitte ich James, er möge im Chai-Restaurant Mandazi, die kleinen Brotfladen, für morgen bestellen. Während ich im Wagen warte, kommt der jüngste Ladenbesitzer, ein sympathischer Somali, zu mir und gratuliert zur morgigen Hochzeit.
In der Nacht vor unserer Hochzeit schlafen wir das letzte Mal in Mamas Behausung. Zwar ist unsere Manyatta schon fertig, aber ich wollte erst am Hochzeitstag umziehen, weil Lketinga die vergangenen Tage viel unterwegs war und ich nicht al ein in der neuen Hütte schlafen mochte.
Wir wachen früh auf, ich bin sehr nervös. Ich gehe zum Fluß hinunter, um mich und meine Haare zu waschen. Lketinga fährt mit den Burschen zur Mission und holt Bänke und Geschirr ab. Als ich zurückkomme, herrscht schon lebhaftes Treiben. Die Bänke stehen unter dem schattigen Baum. Lketingas älterer Bruder kocht Tee in einem riesigen Topf. Nun fährt Lketinga auch zum River, um sich zu schmücken. Wir verabreden uns eine Stunde später bei der Mission. In der Mission ziehe ich mein Hochzeitskleid mit dem passenden Schmuck an. Giulianos Angestellte hilft mir dabei.
Das enge Kleid paßt mir gerade noch, und nun glaube ich selber, daß ich viel eicht doch schwanger bin. Über den Brüsten und dem Bauch spannt es leicht. Als ich fertig geschminkt bin, steht Pater Giuliano sprachlos im Türrahmen. Seit langem ernte ich wieder einmal ein Kompliment. Lachend bemerkt er, dieses weiße, bodenlange Kleid sei nicht sehr geeignet für die Manyattas und vor allem nicht für die Dornenbüsche. Dann steht auch schon mein Darling wundervoll bemalt da, um mich abzuholen.
Etwas irritiert fragt er mich, warum ich ein solches Kleid trage. Leicht verlegen lache ich: „Um schön zu sein.“ Gott sei Dank trage ich normale weiße Plastiksandalen und keine europäischen Schuhe mit Absatz. Giuliano nimmt unsere Einladung an.
Als ich aus dem Wagen steige, staunen Kinder und Erwachsene, denn so ein Kleid haben sie noch nie gesehen. Ich fühle mich unsicher und weiß nicht, was ich nun tun soll. Überall wird gekocht, Ziegen werden ausgenommen und zerlegt. Es ist erst kurz nach zehn Uhr, doch es sind schon mehr als fünfzig Leute da. Die alten Männer sitzen auf den Bänken und trinken Tee, während die Frauen unter einem anderen Baum abseits sitzen. Kinder springen um mich herum. Ich verteile Kaugummis, während die Alten bei James anstehen, der Tabak ausgibt. Aus al en Richtungen strömen Menschen herbei. Frauen geben ihre Milchkalebassen bei Mama ab, andere binden Ziegen an den Bäumen fest. Auf einem riesigen Feuer wird in einem großen Topf Reis mit Fleisch gegart. Das Wasser schwindet bedenklich schnell, da laufend Tee gekocht wird. Gegen Mittag ist das erste Essen fertig, und ich beginne, es zu verteilen, während der inzwischen eingetroffene Pater Giuliano das Geschehen filmt.
Allmählich verliere ich die Übersicht. Mittlerweile sind fast 250 Personen, die Kinder nicht eingerechnet, anwesend. Immer wieder höre ich, daß dies die größte Zeremonie ist, die es bisher in Barsaloi gab. Vor al em für meinen Darling bin ich sehr stolz, der das Risiko einging, eine Weiße zu heiraten, obwohl bei weitem nicht jeder das befürwortet hat. James kommt mit der Nachricht, der Reis sei al e, und viele Frauen und vor al em die Kinder hatten noch nichts. Ich berichte Giuliano von diesem „Unglück“. Er fährt sofort los und kommt mit einem Zwanzig-Kilo-Sack zurück, den er uns zur Hochzeit schenkt. Während die Krieger abseits von allen anderen zu tanzen beginnen, wird für die übrigen weitergekocht. Lketinga ist die meiste Zeit bei seinen Kriegern, die erst in der Nacht zu ihrem Essen kommen werden. Mit der Zeit fühle ich mich schon etwas verlassen. Schließlich ist es meine Hochzeit, aber niemand von meinen eigenen Verwandten ist hier, und mein Mann verbringt mehr Zeit mit seinen Kriegern als mit mir.
Die Gäste tanzen. Jede Gruppe tanzt für sich, die Frauen unter ihrem Baum, die Boys separat und die Krieger weit entfernt. Einige Turkana-Frauen tanzen für mich.
Ich sol bei den Frauen mitmachen, doch nach den ersten Tänzen nimmt mich Mama zur Seite und gibt zu bedenken, ich dürfe nicht so springen wegen des Babys.
Abseits des Festplatzes wurde inzwischen der Ochse zerlegt und stückweise verteilt.
Zufrieden stelle ich fest, daß wir für alle genug zu essen und zu trinken haben.
Bevor es dunkel wird, werden uns die Geschenke überreicht oder versprochen.
Jeder, der etwas schenken will, sei es meinem Mann oder mir, steht auf und verkündet dies. Die Person muß speziell betonen, für wen das Geschenk ist, denn bei den Samburus besitzen Frauen und Männer die Güter, das heißt die Tiere, getrennt. Ich bin überwältigt, wieviel mir die Leute schenken. Vierzehn Ziegen, zwei Schafe, einen Hahn, ein Huhn, zwei junge Kälber und ein kleines Kamel, al es nur für mich. Mein Mann bekommt in etwa das gleiche. Nicht al e haben ihre Geschenke mitgebracht, so daß Lketinga sie später abholen muß.
Das Fest geht zu Ende, und ich ziehe mich zum ersten Mal in meine neue Manyatta zurück. Mama hat alles für mich gerichtet, endlich kann ich mich aus meinem engen Kleid schälen. Ich sitze vor dem Feuer und warte auf meinen Ehemann, der noch im Busch weilt. Es ist eine wunderschöne Nacht, und ich bin das erste Mal allein in unserer großen Manyatta. Für mich beginnt ein neues Leben als selbständige Hausfrau.
Der Shop
Eine Woche nach der Hochzeit fahren wir nach Maralal, um uns nach einer Shop-Lizenz für Lketinga zu erkundigen. Diesmal könnte es schnel klappen, meint ein freundlicher Beamter. Wir fül en Formulare aus und sollen in drei Tagen wieder vorbeikommen. Da wir für den Laden dringend eine Waage benötigen, machen wir uns auf den Weg nach Nyahururu. Außerdem möchte ich Maschendraht kaufen, um im Verkaufsregal die Ware besser ausstellen zu können, denn ich will den Leuten Kartoffeln, Karotten, Orangen, Kabis, Bananen und anderes anbieten.