Die geheime Reise der Mariposa
Die geheime Reise der Mariposa читать книгу онлайн
Alles drin! Der Schm?kertipp Sch?tze, Geheimnisse und gro?e Dramatik Fast schon ist es zu sp?t, als Jos? Jonathan aus den Wellen des Pazifiks rettet und auf sein Schiff, die "Mariposa", bringt. Obwohl Jonathans Vergangenheit im Dunkel liegt, freunden die beiden sich an und Jonathan begleitet Jos? auf seiner Reise zur d?steren Isla Maldita. Dort hoffen sie herauszufinden, wohin die r?tselhafte Karte weist, die Jos? bei sich tr?gt. Doch auch die M?nner, die die beiden erbarmungslos ?ber das Meer verfolgen, haben es auf die Karte abgesehen. Welcher Schatz ist auf der Insel verborgen? Und welches Geheimnis verbirgt Jonathan? Ein pralles Abenteuer spannend und voller Action, inmitten von St?rmen, Wellen, Vulkanen und der faszinierenden Tierwelt S?damerikas.
Antonia Michaelis,Jahrgang 1979, in Norddeutschland geboren, in S?ddeutschland aufgewachsen, zog es nach dem Abitur in die weite Welt. Sie arbeitete u.a. in S?dindien, Nepal und Peru. In Greifswald studierte sie Medizin und begann parallel dazu, Geschichten f?r Kinder und Jugendliche schreiben. Seit einigen Jahren lebt sie als freie Schriftstellerin in der N?he der Insel Usedom und hat bereits zahlreiche Kinder und Jugendb?cher ver?ffentlicht, facettenreich, fantasievoll und mit gro?em Erfolg. Ihr erstes Buch f?r junge Erwachsene war »Der M?rchenerz?hler«, zugleich fesselnder Psychothriller und zu Herzen gehende Liebesgeschichte. Antonia Michaelis berichtet in einem Weblog auf www.oetinger.de mit viel Witz und Esprit ?ber ihren Alltag als Autorin. Sehens- und lesenswert ist auch die Website der Autorin www.antonia-michaelis.de.
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Ein großer gelber Hund kam auf die Veranda gesprungen, warf Marit einen misstrauischen Blick zu und legte sich schließlich unter den Tisch. Nach dem Hund kam ein junger Mann, und als er Marit sah, machte er ein sehr verwirrtes Gesicht.
»Wir reden gerade von dir«, sagte Mama auf Spanisch. »Setz dich.«
»Aber wer … wer ist das?«, fragte Felipe.
»Das ist Marit«, sagte Mama, beiläufig, als stellte sie jemanden vor, der zum Tee vorbeigekommen war. »Unsere ältere Tochter. Nimm doch ein Stück Bananenkuchen.«
»Wo… woher kommst du?«, fragte Felipe. »Bist du vom Himmel gefallen?«
»So ähnlich«, sagte Marit und grinste. Und dann erzählte sie ihre Geschichte noch einmal, in der längeren Version, und Julia redete dauernd dazwischen und der gelbe Hund wurde abwechselnd von allen mit Kuchen gefüttert.
»Casaflora«, sagte Mama am Ende. »Marit, hast du den Namen mal ins Deutsche übersetzt?«
»Nein«, sagte Marit. »Es ist nur ein Name. Namen übersetzt man nicht.« Sie dachte nach. »Oder doch. Casa flora. Blumenhaus.«
»Blumenhaus«, sagte Mama. »Sein Schiff hieß Mariposa. Schmetterling. Und er war schon ein paar Jahre auf den Inseln unterwegs, lange genug, um so zu sprechen, dass man ihn für einen Ecuadorianer hielt. Er hatte natürlich dunkles Haar, das hat geholfen …«
»Dein Professor«, sagte Papa. »Du glaubst, Casaflora war Professor Blumenhaus? Der, der das Buch über die Inseln geschrieben hat? Dein Vorbild?«
»Ja«, sagte Mama und plötzlich klang sie traurig. »Mein Vorbild hat sich verwandelt. In den Zeichner einer lebensgefährlichen Karte. In einen deutschen Spion. In einen verbitterten alten Mann. Oder vielleicht war er immer so. Ich wusste es nur nicht.«
Marit streichelte den gelben Hund, auf dessen Kopf sich Carmen gerade zu einem Nickerchen einrollte. Loco stand mit seinen großen blauen Füßen schon eine Zeit lang auf dem Tisch und pickte Kuchenkrümel auf.
»Er hat sich vielleicht zurückverwandelt«, sagte Marit leise. »Dein alter Professor. Ganz am Ende. Er hat uns gerettet, weißt du. Vor dem Vulkanausbruch. Als er gestorben ist, war er wieder ein Vorbild.«
Mama nickte. »Und das andere Schiff … das Schiff von Tom … hieß noch einmal wie?«
»Mariposa Nocturna«, antwortete Marit. »Nachtfalter.«
Sie sah von Papa zu Mama und zurück.
»Mission Nachtfalter«, murmelte Papa. »Die Mission hatte eine Menge Mitarbeiter. Nicht jeder wusste, was der andere tat. Könnte es sein, dass Tom nicht das war, was wir dachten?«
»Vielleicht nicht«, sagte Marit. »Aber ich fürchte, er ist genauso tot wie Casaflora. Er hat zu spät gemerkt, dass der Vulkan ausbricht. Als wir losgesegelt sind, lag sein Nachtfalter-Schiff noch immer vor Anker.« Und sie legte ihre Arme ganz schnell um Loco und drückte ihn an sich, weil das vielleicht gegen die Traurigkeit half. Sie wollte nicht mehr traurig sein. Sie war genug traurig gewesen. Gab es denn nie ein Ende der Traurigkeit?
Dann fiel ihr etwas ein und sie sprang auf. »José!«, rief sie. »Mein Bruder! Ich muss ihm alles erzählen! Ich habe ihn beinahe vergessen. Er weiß nicht, dass ich aus Deutschland komme. Er hasst alle Deutschen. Vielleicht können wir ihm erklären, wir wären aus London?«
Papa schüttelte langsam den Kopf. »Einen Bruder kann man nicht ewig belügen«, sagte er. »Denk an Thomas, den Bruder deiner Mutter. Du siehst, was dabei herauskommt, wenn Geschwister sich belügen. Hol deinen José her. Hol ihn her und erklär ihm alles.«
Marit verbarg ihr Gesicht im Federkleid des Blaufußtölpels. Vielleicht, dachte sie, würde dies das Schwerste auf ihrer ganzen Reise werden.
Schließlich stand sie auf und hob Loco hoch. »Ich weiß nicht, ob du das kannst«, flüsterte sie ihm zu. »Aber wir versuchen es. Hol José her. José, hörst du? Meinen Bruder José. Hol ihn hierher.« Damit warf sie Loco in die Luft, so wie sie es einmal vor langer Zeit bei einem Falkner und seinem Falken gesehen hatte. Loco war kein Falke und strampelte verwundert mit den blauen Füßen, doch dann breitete er seine Schwingen aus und stieg in den fußblauen Himmel empor. Er flog eine Runde über dem Bougainvillea-überwucherten Haus und strich über die Baumwipfel davon.
José hatte nichts und niemanden im Wald gefunden. Auch Marit war nicht mehr bei der Quelle gewesen. Nur der leere Panzer einer Riesenschildkröte hatte dort in der Sonne gelegen, ein Panzer, der zuvor nicht da gewesen war.
Schließlich war José zur Piratenhöhle zurückgekehrt und nun saß er dort seit einer ganzen Weile allein und machte sich Sorgen. Es war besser, dachte er, bei der Höhle zu bleiben, falls Marit zurückkam, damit sie sich nicht am Ende gegenseitig suchten und aneinander vorbeirannten. Er war sich inzwischen fast sicher, dass er sich die Schreie eingebildet hatte, genau wie die Männer mit den Fackeln nachts.
Er wusste nicht, wie viele Stunden vergangen waren, als etwas vor seinen Füßen landete. Etwas mit sehr blauen Füßen. Loco.
Kurt, Oskar und Uwe hatten mit José gewartet, und nun beäugten auch sie verwundert den Tölpel, der einen seltsamen Tanz auf der Stelle vollführte. Er stampfte mit den blauen Füßen auf den Boden, legte den Kopf in den Nacken und reckte den Schnabel zum Himmel, wankte hin und her, breitete die Flügel aus und faltete sie wieder zusammen …
»Loco«, sagte José streng. »Hör auf damit. Bist du betrunken?«
Da flog der Tölpel auf, flog auf José zu und riss mit dem Schnabel an seinem Hemd. Danach flatterte er in die Bäume. Kurt und Uwe schienen sich anzusehen und folgten ihm in den Wald. José schüttelte den Kopf.
»Ihr meint, ich soll ihm ebenfalls folgen?«, fragte er.
Und plötzlich hatte er es eilig. Immerhin hatte Marit Loco mitgenommen. Vielleicht war ihr etwas passiert. Vielleicht lag sie irgendwo im Wald und brauchte Hilfe und Loco würde ihn zu ihr führen. Er ballte die Fäuste. Gab es doch Deutsche auf der Isla Maldita? Hatten sie Marit eingefangen wie ein wildes Tier? Und was hatten sie mit ihr angestellt?
Wie er sie hasste! Diese Deutschen, die den Krieg begonnen hatten. Die die ganze Welt besitzen wollten. Sie waren alle gleich.
Sie saßen lange auf der Veranda und warteten darauf, dass Loco wiederkam. Niemand von ihnen sagte, dass es vermutlich nicht funktionierte, weil ein Tölpel eben kein Falke ist.
Und dann kam ein riesiger weißer Vogel aus dem Wald auf die Lichtung hinausgewatschelt.
»Ein Albatros«, sagte Mama verwundert.
»Kurt!«, rief Marit und sprang auf. Nach Kurt kam Uwe der Wasserleguan. Und nach Uwe trat José aus dem Wald, im Arm den Pinguin Oskar, auf seiner Schulter den Blaufußtölpel. Marit lief ihm entgegen.
»José!«, rief sie. »Ein Glück, dass Loco dich gefunden hat! Es ist alles so unglaublich! So unglaublichunglaublich!«
Julia kam ihr nachgerannt. »Hallo, José!«, rief sie und, über die Schulter, auf Deutsch: »Mama, Papa! Wollt ihr nicht Marits Bruder Hallo sagen?«
José war zwischen den Beeten stehen geblieben. Marit konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Sie blieb ebenfalls stehen, plötzlich unsicher. Als sie sich umdrehte, standen Mama und Papa hinter ihr. Felipe war auf der Veranda geblieben.
»Das«, sagte Marit, »sind meine Eltern. Sie sind es, die hier wohnen. Nur sie. Sie sind gar nicht verbrannt, damals, bei dem Bombenangriff …«
»In London«, sagte José, und sie hörte, dass er es nicht länger glaubte. Julia hatte deutsch gesprochen.
»In Hamburg«, sagte Mama sanft. »Es war Hamburg, in Deutschland. Wir müssen eine Menge erklären. Komm doch und setz dich zu uns auf die Veranda.«
José sah von Marit zu ihren Eltern, zu Julia und zurück zu Marit. »Deutsche«, sagte er dann. Er spuckte ihr das Wort vor die Füße wie einen Schluck Gift. »Ihr seid Deutsche. Du hast mich belogen. Die ganze Zeit.«
»Ich …«, begann Marit. Aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Es musste etwas geben, irgendetwas, das richtig war, doch es fiel ihr nicht ein, und so hob sie nur hilflos die Arme.