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Die Wahlverwandschaften

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Die Wahlverwandschaften
Название: Die Wahlverwandschaften
Дата добавления: 15 январь 2020
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Die Wahlverwandschaften - читать бесплатно онлайн , автор Goethe Johann Wolfgang

Die Wahlverwandtschaften , Roman von Johann Wolfgang von Goethe. Die Erstausgabe erschien 1809. Erstmals erw?hnt werden Die Wahlverwandtschaften von Goethe am 11. April 1808 in einem Tagebucheintrag. Ende Juli desselben Jahres hatte er eine Fassung mit 18 Kapiteln fertiggestellt. Diese blieb allerdings bis April des n?chsten Jahres unbearbeitet. Am 9. Oktober 1809 lag schlie?lich der gesamte Roman, zwei Teile mit je 18 Kapiteln, fertig gedruckt vor.

Der Roman ist ein typischer Vertreter der Weimarer Klassik. Goethe greift ein gesellschaftliches Thema auf und verbindet es mit einem naturwissenschaftlichen Gleichnis. Die gesellschaftlichen Zw?nge von Sitte und Norm werden den individuellen Empfindungen und Neigungen gegen?bergestellt.

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Zufälligen, aber immer willkommenen Anlaß zu solchen Unterhaltungen gab Eduards Neigung, der Gesellschaft vorzulegen. Er hatte eine sehr wohlklingende tiefe Stimme und war früher wegen lebhafter, gefühlter Rezitation dichterischer und rednerischer Arbeiten angenehm und berühmt gewesen. Nun waren es andre Gegenstände, die ihn beschäftigten, andre Schriften, woraus er vorlas, und eben seit einiger Zeit vorzüglich Werke physischen, chemischen und technischen Inhalts.

Eine seiner besondern Eigenheiten, die er jedoch vielleicht mit mehrern Menschen teilt, war die, daß es ihm unerträglich fiel, wenn jemand ihm beim Lesen in das Buch sah. In früherer Zeit, beim Vorlesen von Gedichten, Schauspielen, Erzählungen, war es die natürliche Folge der lebhaften Absicht, die der Vorlesende so gut als der Dichter, der Schauspieler, der Erzählende hat, zu überraschen, Pausen zu machen, Erwartungen zu erregen; da es denn freilich dieser beabsichtigten Wirkung sehr zuwider ist, wenn ihm ein Dritter wissentlich mit den Augen vorspringt. Er pflegte sich auch deswegen in solchem Falle immer so zu setzen, daß er niemand im Rücken hatte. Jetzt zu dreien war diese Vorsicht unnötig; und da es diesmal nicht auf Erregung des Gefühls, auf überraschung der Einbildungskraft angesehen war, so dachte er selbst nicht daran, sich sonderlich in acht zu nehmen.

Nur eines Abends fiel es ihm auf, als er sich nachlässig gesetzt hatte, daß Charlotte ihm in das Buch sah. Seine alte Ungeduld erwachte, und er verwies es ihr, gewissermaßen unfreundlich: “Wollte man sich doch solche Unarten, wie so manches andre, was der Gesellschaft lästig ist, ein für allemal abgewöhnen. Wenn ich jemand vorlese, ist es denn nicht, als wenn ich ihm mündlich etwas vortrüge? Das Geschriebene, das Gedruckte tritt an die Stelle meines eigenen Sinnes, meines eigenen Herzens; und würde ich mich wohl zu reden bemühen, wenn ein Fensterchen vor meiner Stirn, vor meiner Brust angebracht wäre, so daß der, dem ich meine Gedanken einzeln zuzählen, meine Empfindungen einzeln zureichen will, immer schon lange vorher wissen könnte, wo es mit mir hinaus wollte? Wenn mir jemand ins Buch sieht, so ist mir immer, als wenn ich in zwei Stücke gerissen würde.”

Charlotte, deren Gewandtheit sich in größeren und kleineren Zirkeln besonders dadurch bewies, daß sie jede unangenehme, jede heftige, ja selbst nur lebhafte äußerung zu beseitigen, ein sich verlängerndes Gespräch zu unterbrechen, ein stockendes anzuregen wußte, war auch diesmal von ihrer guten Gabe nicht verlassen. “Du wirst mir meinen Fehler gewiß verzeihen, wenn ich bekenne, was mir diesen Augenblick begegnet ist. Ich hörte von Verwandtschaften lesen, und da dacht ich eben gleich an meine Verwandten, an ein paar Vettern, die mir gerade in diesem Augenblick zu schaffen machen. Meine Aufmerksamkeit kehrt zu deiner Vorlesung zurück; ich höre, daß von ganz leblosen Dingen die Rede ist, und blicke dir ins Buch, um mich wieder zurechtzufinden.”

“Es ist eine Gleichnisrede, die dich verführt und verwirrt hat.”, sagte Eduard. “Hier wird freilich nur von Erden und Mineralien gehandelt, aber der Mensch ist ein wahrer Narciß: er bespiegelt sich überall gern selbst; er legt sich als Folie der ganzen Welt unter.” “Jawohl!”, fuhr der Hauptmann fort, “So behandelt er alles, was er außer sich findet; seine Weisheit wie seine Torheit, seinen Willen wie seine Willkür leiht er den Tieren, den Pflanzen, den Elementen und den Göttern.”

“Möchtet ihr mich”, versetzte Charlotte, “da ich euch nicht zu weit von dem augenblicklichen Interesse wegführen will, nur kürzlich belehren, wie es eigentlich hier mit den Verwandtschaften gemeint sei.” “Das will ich wohl gerne tun.”, erwiderte der Hauptmann, gegen den sich Charlotte gewendet hatte; “Freilich nur so gut, als ich es vermag, wie ich es etwa vor zehn Jahren gelernt, wie ich es gelesen habe. Ob man in der wissenschaftlichen Welt noch so darüber denkt, ob es zu den neuern Lehren paßt, wüßte ich nicht zu sagen.”

“Es ist schlimm genug,”, rief Eduard, “daß man jetzt nichts mehr für sein ganzes Leben lernen kann. Unsre Vorfahren hielten sich an den Unterricht, den sie in ihrer Jugend empfangen; wir aber müssen jetzt alle fünf Jahre umlernen, wenn wir nicht ganz aus der Mode kommen wollen.”

“Wir Frauen”, sagte Charlotte, “nehmen es nicht so genau; und wenn ich aufrichtig sein soll, so ist es mir eigentlich nur um den Wortverstand zu tun: denn es macht in der Gesellschaft nichts lächerlicher, als wenn man ein fremdes, ein Kunst-Wort falsch anwendet. Deshalb möchte ich nur wissen, in welchem Sinne dieser Ausdruck eben bei diesen Gegenständen gebraucht wird. Wie es wissenschaftlich damit zusammenhänge, wollen wir den Gelehrten überlassen, die übrigens, wie ich habe bemerken können, sich wohl schwerlich jemals vereinigen werden.”

“Wo fangen wir aber nun an, um am schnellsten in die Sache zu kommen?”, fragte Eduard nach einer Pause den Hauptmann, der, sich ein wenig bedenkend, bald darauf erwiderte:

“Wenn es mir erlaubt ist, dem Scheine nach weit auszuholen, so sind wir bald am Platze.”

“Sein Sie meiner ganzen Aufmerksamkeit versichert.”, sagte Charlotte, indem sie ihre Arbeit beiseite legte.

Und so begann der Hauptmann: “An allen Naturwesen, die wir gewahr werden, bemerken wir zuerst, daß sie einen Bezug auf sich selbst haben. Es klingt freilich wunderlich, wenn man etwas ausspricht, was sich ohnehin versteht; doch nur indem man sich über das Bekannte völlig verständigt hat, kann man miteinander zum Unbekannten fortschreiten.”

“Ich dächte”, fiel ihm Eduard ein, “wir machten ihr und uns die Sache durch Beispiele bequem. Stelle dir nur das Wasser, das öl, das Quecksilber vor, so wirst du eine Einigkeit, einen Zusammenhang ihrer Teile finden. Diese Einung verlassen sie nicht, außer durch Gewalt oder sonstige Bestimmung. Ist diese beseitigt, so treten sie gleich wieder zusammen.”

“Ohne Frage:”, sagte Charlotte beistimmend. “Regentropfen vereinigen sich gern zu Strömen. Und schon als Kinder spielen wir erstaunt mit dem Quecksilber, indem wir es in Kügelchen trennen und es wieder zusammenlaufen lassen.”

“Und so darf ich wohl”, fügte der Hauptmann hinzu, “eines bedeutenden Punktes im flüchtigen Vorbeigehen erwähnen, daß nämlich dieser völlig reine, durch Flüssigkeit mögliche Bezug sich entschieden und immer durch die Kugelgestalt auszeichnet. Der fallende Wassertropfen ist rund; von den Quecksilberkügelchen haben Sie selbst gesprochen; ja ein fallendes geschmolzenes Blei, wenn es Zeit hat, völlig zu erstarren, kommt unten in Gestalt einer Kugel an.”

“Lassen Sie mich voreilen”, sagte Charlotte, “ob ich treffe, wo Sie hinwollen. Wie jedes gegen sich selbst einen Bezug hat, so muß es auch gegen andere ein Verhältnis haben.”

“Und das wird nach Verschiedenheit der Wesen verschieden sein.”, fuhr Eduard eilig fort. “Bald werden sie sich als Freunde und alte Bekannte begegnen, die schnell zusammentreten, sich vereinigen, ohne aneinander etwas zu verändern, wie sich Wein mit Wasser vermischt. Dagegen werden andre fremd neben einander verharren und selbst durch mechanisches Mischen und Reiben sich keinesweges verbinden; wie öl und Wasser, zusammengerüttelt, sich den Augenblick wieder auseinander sondert.”

“Es fehlt nicht viel,”, sagte Charlotte, “so sieht man in diesen einfachen Formen die Menschen, die man gekannt hat; besonders aber erinnert man sich dabei der Sozietäten, in denen man lebte. Die meiste ähnlichkeit jedoch mit diesen seelenlosen Wesen haben die Massen, die in der Welt sich einander gegenüberstellen: die Stände, die Berufsbestimmungen, der Adel und der dritte Stand, der Soldat und der Zivilist.”

“Und doch”, versetzte Eduard, “wie diese durch Sitten und Gesetze vereinbar sind, so gibt es auch in unserer chemischen Welt Mittelglieder, dasjenige zu verbinden, was sich einander abweist.”

“So verbinden wir”, fiel der Hauptmann ein, “das öl durch Laugensalz mit dem Wasser.”

“Nur nicht zu geschwind mit Ihrem Vortrag,”, sagte Charlotte, “damit ich zeigen kann, daß ich Schritt halte. Sind wir nicht hier schon zu den Verwandtschaften gelangt?”

“Ganz richtig,”, erwiderte der Hauptmann, “und wir werden sie gleich in ihrer vollen Kraft und Bestimmtheit kennen lernen. Diejenigen Naturen, die sich beim Zusammentreffen einander schnell ergreifen und wechselseitig bestimmen, nennen wir verwandt. An den Alkalien und Säuren, die, obgleich einander entgegengesetzt und vielleicht eben deswegen, weil sie einander entgegengesetzt sind, sich am entschiedensten suchen und fassen, sich modifizieren und zusammen einen neuen Körper bilden, ist diese Verwandtschaft auffallend genug. Gedenken wir nur des Kalks, der zu allen Säuren eine große Neigung, eine entschiedene Vereinigungslust äußert. Sobald unser chemisches Kabinett ankommt, wollen wir Sie verschiedene Versuche sehen lassen, die sehr unterhaltend sind und einen bessern Begriff geben als Worte, Namen und Kunstausdrücke.”

“Lassen Sie mich gestehen,” sagte Charlotte, “wenn Sie diese Ihre wunderlichen Wesen verwandt nennen, so kommen sie mir nicht sowohl als Blutsverwandte, vielmehr als Geistes— und Seelenverwandte vor. Auf eben diese Weise können unter Menschen wahrhaft bedeutende Freundschaften entstehen, denn entgegengesetzte Eigenschaften machen eine innigere Vereinigung möglich. Und so will ich denn abwarten, was Sie mir von diesen geheimnisvollen Wirkungen vor die Augen bringen werden. Ich will dich”, sagte sie zu Eduard gewendet, “jetzt im Vorlesen nicht weiter stören und, um so viel besser unterrichtet, deinen Vortrag mit Aufmerksamkeit vernehmen.”

“Da du uns einmal aufgerufen hast,”, versetzte Eduard, “so kommst du so leicht nicht los, denn eigentlich sind die verwickelten Fälle die interessantesten. Erst bei diesen lernt man die Grade der Verwandtschaften, die nähern stärkern, entferntern geringeren Beziehungen kennen; die Verwandtschaften werden erst interessant, wenn sie Scheidungen bewirken.”

“Kommt das traurige Wort,”, rief Charlotte, “das man leider in der Welt jetzt so oft hört, auch in der Naturlehre vor?”

“Allerdings.”, erwiderte Eduard. “Es war sogar ein bezeichnender Ehrentitel der Chemiker, daß man sie Scheidekünstler nannte.”

“Das tut man also nicht mehr”, versetzte Charlotte, “und tut sehr wohl daran. Das Vereinigen ist eine größere Kunst, ein größeres Verdienst. Ein Einigungskünstler wäre in jedem Fache der ganzen Welt willkommen. — Nun so laßt mich denn, weil ihr doch einmal im Zuge seid, ein paar solche Fälle wissen.”

“So schließen wir uns denn gleich”, sagte der Hauptmann, “an dasjenige wieder an, was wir oben schon benannt und besprochen haben. Zum Beispiel was wir Kalkstein nennen, ist eine mehr oder weniger reine Kalkerde, innig mit einer zarten Säure verbunden, die uns in Luftform bekannt geworden ist. Bringt man ein Stück solchen Steines in verdünnte Schwefelsäure, so ergreift diese den Kalk und erscheint mit ihm als Gips; jene zarte luftige Säure hingegen entflieht. Hier ist eine Trennung, eine neue Zusammensetzung entstanden, und man glaubt sich nunmehr berechtigt, sogar das Wort Wahlverwandtschaft anzuwenden, weil es wirklich aussieht, als wenn ein Verhältnis dem andern vorgezogen, eins vor dem andern erwählt würde.”

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