Hermann und Dorothea
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"Hermann und Dorothea", 1796/97 entstanden und 1798 publiziert, ist eine «idyllisch-epische» Dichtung in Hexametern, deren neun Ges?nge nach den Musen benannt sind. Die Handlung spielt in einem rechtsrheinischen St?dtchen und schildert einen Fl?chtlingszug aus Frankreich im Gefolge der Revolutionswirren. Ideologisch setzt sich Goethe darin mit der Franz?sischen Revolution auseinander. Die Handlung spielt unter den Honoratioren des Ortes — dem beg?terten Wirtsehepaar zum Goldenen L?wen, dem Apotheker und Pfarrer — und hat zum Mittelpunkt die Brautwahl. Hermann, der Sohn der Wirtsleute, und das Fl?chtlingsm?dchen, die ebenso sch?ne wie t?chtige und mutige Dorothea, werden ein Paar. Im 19. Jahrhundert wurde die Dichtung ?beraus hoch gesch?tzt, weil sie b?rgerliche Lebensvorstellungen und Geschlechterstereotypien, nicht ohne Ironie von Seiten des Erz?hlers, in klassischer Form gestaltet.
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Und der künftig auch mich, die Eure, nähret und kleidet!
Und Ihr, trefflicher Mann«, so sprach sie, gewendet zum Richter,
«Habet Dank, daß Ihr Vater mir wart in mancherlei Fällen!»
Und sie kniete darauf zur guten Wöchnerin nieder,
Küßte die weinende Frau und vernahm des Segens Gelispel.
Aber du sagtest indes, ehrwürdiger Richter, zu Hermann:
«Billig seid Ihr, o Freund, zu den guten Wirten zu zählen,
Die mit tüchtigen Menschen den Haushalt zu führen bedacht sind.
Denn ich habe wohl oft gesehn, daß man Rinder und Pferde,
So wie Schafe, genau bei Tausch und Handel betrachtet;
Aber den Menschen, der alles erhält, wenn er tüchtig und gut ist,
Und der alles zerstreut und zerstört durch falsches Beginnen,
Diesen nimmt man nur so auf Glück und Zufall ins Haus ein
Und bereuet zu spät ein übereiltes Entschließen.
Aber es scheint, Ihr versteht's; denn Ihr habt ein Mädchen erwählet,
Euch zu dienen im Haus und Euren Eltern, das brav ist.
Haltet sie wohl! Ihr werdet, solang sie der Wirtschaft sich annimmt,
Nicht die Schwester vermissen, noch Eure Eltern die Tochter.»
Viele kamen indes, der Wöchnerin nahe Verwandte,
Manches bringend und ihr die bessere Wohnung verkündend.
Alle vernahmen des Mädchens Entschluß und segneten Hermann
Mit bedeutenden Blicken und mit besondern Gedanken.
Denn so sagte wohl eine zur andern flüchtig ans Ohr hin:
«Wenn aus dem Herrn ein Bräutigam wird, so ist sie geborgen.»
Hermann faßte darauf sie bei der Hand an und sagte:
«Laß uns gehen! es neigt sich der Tag, und fern ist das Städtchen.»
Lebhaft gesprächig umarmten darauf Dorotheen die Weiber.
Hermann zog sie hinweg; noch viele Grüße befahl sie.
Aber da fielen die Kinder mit Schrein und entsetzlichem Weinen
Ihr in die Kleider und wollten die zweite Mutter nicht lassen.
Aber ein' und die andre der Weiber sagte gebietend:
«Stille, Kinder! sie geht in die Stadt, und bringt euch des guten
Zuckerbrotes genug, das euch der Bruder bestellte,
Als der Storch ihn jüngst beim Zuckerbäcker vorbeitrug,
Und ihr sehet sie bald mit den schön vergoldeten Deuten.»
Und so ließen die Kinder sie los, und Hermann entriß sie
Noch den Umarmungen kaum und den ferne winkenden Tüchern.