Torquato Tasso
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Torquato Tasso ist ein Schauspiel in f?nf Aufz?gen von Johann Wolfgang von Goethe, das als Protagonisten den Dichter Torquato Tasso in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Zwischen dem 30. M?rz 1780 und dem 31. Juli 1789 entstanden, lag das Werk im Februar 1790 im Druck vor und wurde am 16. Februar 1807 in Weimar uraufgef?hrt.
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Du warst allein der aus dem engen Leben
Zu einer schönen Freyheit mich erhob;
Der jede Sorge mir vom Haupte nahm,
Mir Freyheit gab, daß meine Seele sich
Zu muthigem Gesang entfalten konnte;
Und welchen Preis nun auch mein Werk erhält,
Euch dank' ich ihn, denn Euch gehört es zu.
Alphons .
Zum zweytenmal verdienst du jedes Lob
Und ehrst bescheiden dich und uns zugleich.
Tasso .
O könnt' ich sagen wie ich lebhaft fühle
Daß ich von Euch nur habe was ich bringe!
Der thatenlose Jüngling — nahm er wohl
Die Dichtung aus sich selbst? Die kluge Leitung
Des raschen Krieges — hat er die ersonnen?
Die Kunst der Waffen, die ein jeder Held
An dem beschiednen Tage kräftig zeigt,
Des Feldherrn Klugheit und der Ritter Muth
Und wie sich List und Wachsamkeit bekämpft,
Hast du mir nicht, o kluger tapfrer Fürst,
Das alles eingeflößt als wärest du
Mein Genius, der eine Freude fände
Sein hohes, unerreichbar hohes Wesen
Durch einen Sterblichen zu offenbaren?
Prinzessinn .
Genieße nun des Werks das uns erfreut!
Alphons .
Erfreue dich des Beyfalls jedes Guten.
Leonore .
Des allgemeinen Ruhms erfreue dich.
Tasso .
Mir ist an diesem Augenblick genug.
An euch nur dacht' ich wenn ich sann und schrieb,
Euch zu gefallen war mein höchster Wunsch,
Euch zu ergetzen war mein letzter Zweck.
Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht
Verdient nicht daß die Welt von ihm erfahre.
Hier ist mein Vaterland, hier ist der Kreis
In dem sich meine Seele gern verweilt.
Hier horch' ich auf, hier acht' ich jeden Wink.
Hier spricht Erfahrung, Wissenschaft, Geschmack;
Ja, Welt und Nachwelt seh' ich vor mir stehn.
Die Menge macht den Künstler irr' und scheu:
Nur wer Euch ähnlich ist, versteht und fühlt,
Nur der allein soll richten und belohnen!
Alphons .
Und stellen wir denn Welt und Nachwelt vor,
So ziemt es nicht nur müßig zu empfangen.
Das schöne Zeichen, das den Dichter ehrt,
Das selbst der Held, der seiner stets bedarf,
Ihm ohne Neid um's Haupt gewunden sieht,
Erblick' ich hier auf deines Anherrn Stirne.
Auf die Herme Virgils deutend.
Hat es der Zufall, hat's ein Genius
Geflochten und gebracht? Es zeigt sich hier
Uns nicht umsonst. Virgilen hör' ich sagen:
Was ehret ihr die Todten? Hatten die
Doch ihren Lohn und Freude da sie lebten;
Und wenn ihr uns bewundert und verehrt,
So gebt auch den Lebendigen ihr Theil.
Mein Marmorbild ist schon bekränzt genug,
Der grüne Zweig gehört dem Leben an.
Alphons winkt seiner Schwester; sie nimmt den Kranz von der Büste Virgils und nähert sich Tasso. Er tritt zurück.
Leonore .
Du weigerst dich? Sieh welche Hand den Kranz,
Den schönen unverwelklichen, dir bietet!
Tasso .
O laßt mich zögern, seh' ich doch nicht ein
Wie ich nach dieser Stunde leben soll.
Alphons .
In dem Genuß des herrlichen Besitzes,
Der dich im ersten Augenblick erschreckt.
Prinzessinn indem sie den Kranz in die Höhe hält.
Du gönnest mir die seltne Freude, Tasso,
Dir ohne Wort zu sagen wie ich denke.
Tasso .
Die schöne Last aus deinen theuren Händen
Empfang' ich knieend auf mein schwaches Haupt.
Er kniet nieder, die Prinzessinn setzt ihm den Kranz auf.
Leonore applaudirend.
Es lebe der zum erstenmal bekränzte!
Wie zieret den bescheidnen Mann der Kranz!
Tasso steht auf .
Alphons .
Es ist ein Vorbild nur von jener Krone,
Die auf dem Capitol dich zieren soll.
Prinzessinn .
Dort werden lautere Stimmen dich begrüßen,
Mit leiser Lippe lohnt die Freundschaft hier.
Tasso .
O nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder,
Nehmt ihn hinweg! Er sengt mir meine Locken!
Und wie ein Strahl der Sonne, der zu heiß
Das Haupt mir träfe, brennt er mir die Kraft
Des Denkens aus der Stirne. Fieberhitze
Bewegt mein Blut. Verzeiht! Es ist zu viel!
Leonore .
Es schützet dieser Zweig vielmehr das Haupt
Des Manns, der in den heißen Regionen
Des Ruhms zu wandeln hat, und kühlt die Stirne.
Tasso .
Ich bin nicht werth die Kühlung zu empfinden,
Die nur um Heldenstirnen wehen soll.
O hebt ihn auf, ihr Götter, und verklärt
Ihn zwischen Wolken, daß er hoch und höher
Und unerreichbar schwebe! Daß mein Leben
Nach diesem Ziel ein ewig Wandeln sey!
Alphons .
Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Werth
Der holden Güter dieses Lebens schätzen;
Wer früh genießt, entbehrt in seinem Leben
Mit Willen nicht was er einmal besaß;
Und wer besitzt, der, muß gerüstet seyn.
Tasso .
Und wer sich rüsten will, muß eine Kraft
Im Busen fühlen die ihm nie versagt.
Ach! sie versagt mir eben jetzt! Im Glück
Verläßt sie mich, die angeborne Kraft,
Die standhaft mich dem Unglück, stolz dem Unrecht
Begegnen lehrte. Hat die Freude mir,
Hat das Entzücken dieses Augenblicks
Das Mark in meinen Gliedern aufgelös't?
Es sinken meine Kniee! Noch einmal
Siehst du, o Fürstinn, mich gebeugt vor dir!
Erhöre meine Bitte; nimm ihn weg!
Daß wie aus einem schönen Traum erwacht
Ich ein erquicktes neues Leben fühle.
Prinzessinn .
Wenn du bescheiden ruhig das Talent,
Das dir die Götter gaben, tragen kannst,
So lern' auch diese Zweige tragen, die
Das schönste sind was wir dir geben können.
Wem einmal, würdig, sie das Haupt berührt,
Dem schweben sie auf ewig um die Stirne.
Tasso .
So laßt mich denn beschämt von hinnen gehn!
Laßt mich mein Glück im tiefen Hain verbergen,
Wie ich sonst meine Schmerzen dort verbarg.
Dort will ich einsam wandeln, dort erinnert
Kein Auge mich an's unverdiente Glück.
Und zeigt mir ungefähr ein klarer Brunnen
In seinem reinen Spiegel einen Mann,
Der wunderbar bekränzt im Wiederschein
Des Himmels zwischen Bäumen, zwischen Felsen
Nachdenkend ruht: so scheint es mir, ich sehe
Elysium auf dieser Zauberfläche
Gebildet. Still bedenk' ich mich und frage,
Wer mag der Abgeschiedne seyn? Der Jüngling
Aus der vergangnen Zeit? So schön bekränzt?
Wer sagt mir seinen Nahmen? Sein Verdienst?
Ich warte lang' und denke: käme doch
Ein andrer und noch einer, sich zu ihm
In freundlichem Gespräche zu gesellen!
O säh' ich die Heroen, die Poeten
Der alten Zeit um diesen Quell versammelt!
O säh' ich hier sie immer unzertrennlich,
Wie sie im Leben fest verbunden waren!
So bindet der Magnet durch seine Kraft
Das Eisen mit dem Eisen fest zusammen,
Wie gleiches Streben Held und Dichter bindet.
Homer vergaß sich selbst, sein ganzes Leben
War der Betrachtung zweyer Männer heilig,
Und Alexander in Elysium
Eilt den Achill und den Homer zu suchen.
O daß ich gegenwärtig wäre, sie
Die größten Seelen nun vereint zu sehen!
Leonore .
Erwach! Erwache! Laß uns nicht empfinden
Daß du das Gegenwärtge ganz verkennst.
Tasso .
Es ist die Gegenwart die mich erhöht,
Abwesend schein' ich nur, ich bin entzückt.
Prinzessinn .
Ich freue mich, wenn du mit Geistern redest,
Daß du so menschlich sprichst und hör' es gern.
Ein Page tritt zu dem Fürsten und richtet leise etwas aus .
Alphons .
Er ist gekommen! recht zur guten Stunde.
Antonio! — Bring ihn her — Da kommt er schon!
Vierter Auftritt
Die Vorigen . Antonio .
Alphons .
Willkommen! der du uns zugleich dich selbst
Und gute Bothschaft bringst.
Prinzessinn .
Sey uns gegrüßt!
Antonio .
Kaum wag' ich es zu sagen welch Vergnügen
In eurer Gegenwart mich neu belebt.
Vor euren Augen find' ich alles wieder
Was ich so lang' entbehrt. Ihr scheint zufrieden
Mit dem was ich gethan, was ich vollbracht,
Und so bin ich belohnt für jede Sorge,
Für manchen bald mit Ungeduld durchharrten,
Bald absichtsvoll verlornen Tag. Wir haben
Nun was wir wünschen, und kein Streit ist mehr.
Leonore .
Auch ich begrüße dich, wenn ich schon zürne.
Du kommst nur eben da ich reisen muß.
Antonio .
Damit mein Glück nicht ganz vollkommen werde,
Nimmst du mir gleich den schönen Theil hinweg.
Tasso .
Auch meinen Gruß! Ich hoffe mich der Nähe
Des vielerfahrnen Mannes auch zu freun.
Antonio .
Du wirst mich wahrhaft finden, wenn du je
Aus deiner Welt in meine schauen magst.
Alphons .
Wenn du mir gleich in Briefen schon gemeldet
Was du gethan und wie es dir ergangen;
So hab' ich doch noch manches auszufragen
Durch welche Mittel das Geschäft gelang?
Auf jenem wunderbaren Boden will der Schritt
Wohl abgemessen seyn, wenn er zuletzt
An deinen eignen Zweck dich führen soll.
Wer seines Herren Vortheil rein bedenkt,
Der hat in Rom gar einen schweren Stand:
Denn Rom will Alles nehmen, geben Nichts;
Und kommt man hin um etwas zu erhalten,
Erhält man nichts, man bringe denn was hin,
Und glücklich, wenn man da noch 'was erhält.
Antonio .
Es ist nicht mein Betragen, meine Kunst,
Durch die ich deinen Willen, Herr, vollbracht.
Denn welcher Kluge fänd' im Vatican
Nicht seinen Meister? Vieles traf zusammen
Das ich zu unserm Vortheil nutzen konnte.
Dich ehrt Gregor und grüßt und segnet dich.
Der Greis, der würdigste dem eine Krone
Das Haupt belastet, denkt der Zeit mit Freuden,
Da er in seinen Arm dich schloß. Der Mann
Der Männer unterscheidet, kennt und rühmt
Dich hoch! Um deinetwillen that er viel.
Alphons .
Ich freue seiner guten Meinung mich,
So fern sie redlich ist. Doch weißt du wohl,
Vom Vatican herab sieht man die Reiche
Schon klein genug zu seinen Füßen liegen,
Geschweige denn die Fürsten und die Menschen.
Gestehe nur was dir am meisten half!
Antonio .
Gut! wenn du willst: der hohe Sinn des Pabsts.
Er sieht das Kleine klein, das Große groß.